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Bahn-Tarifkampf
Kein Licht am Ende des Tunnels

Die Bahn AG führt Tarifgespräche mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG - diese werden wohl deutlich weniger verbittert sein als mit der Lokführergesellschaft GDL. Hier sind die Fronten nach wie vor verhärtet - auch zwischen den Gewerkschaften gibt es persönliche Anfeindungen.

Von Dieter Nürnberger | 23.10.2014
    Reisende warten am 15.10.2014 im Hauptbahnhof in Hamburg auf einen Zug, der ursprünglich nach München fahren sollte.
    Der Lokführerstreik führte zu teils chaotischen Zuständen an den Bahnhöfen. (picture alliance / dpa / Bodo Marks)
    "Also ich find es echt nicht gut."
    Dass in diesem Jahr die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn AG schwierig verlaufen, haben die Bahnkunden längst gemerkt - zuletzt am vergangenen Wochenende, als die Lokführergewerkschaft rund 60 Stunden lang den Zugverkehr weitgehend lahmlegte. Immerhin hat die GDL für diese Woche versprochen, nicht zu streiken. Allerdings gibt es bisher auch keine Verabredung, die festgefahren Tarifgespräche weiterzuführen.
    Ganz anders die Situation an der zweiten Verhandlungsfront der Bahn AG - denn gestern wurden die Tarifverhandlungen mit der EVG, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, fortgesetzt. Und man darf relativ sicher sein, dass der Ton hier nicht ganz so verbittert gewesen ist wie bei den bisherigen Verhandlungen mit der GDL.
    Ein Machtkampf zweier Gewerkschaften
    In diesem Tarifkonflikt geht es natürlich auch um Löhne und Arbeitszeiten, aber auch um einen Machtkampf zweier konkurrierender Gewerkschaften, die bis zum Sommer innerhalb des Bahnkonzerns durchaus zusammenarbeiteten. Doch nach Aufkündigung eines Kooperationsabkommens ist nichts mehr so wie es war. Alexander Kirchner, der EVG-Chef drückt es so aus: "Null - was wir sehr bedauern. Dass es leider nicht möglich ist, mit der Führung der GDL über eine faire Kooperation weiter zu reden." Vorausgegangen waren auch persönliche Anfeindungen - so spricht GDL-Chef Horst Weselsky gern mal von der „ zahmen Hausgewerkschaft" der Bahn und meint die EVG.
    Fakt ist: Seit dem Ende des Kooperationsabkommens verhandeln beide Gewerkschaften für sich allein. Die GDL natürlich für ihre Lokführer, die mehrheitlich hier organisiert sind. Und sie will dies ebenso für ihre Mitglieder aus anderen Berufsgruppen bei der Bahn tun - Zugbegleiter oder beispielsweise Rangierführer. Bei diesen Berufsgruppen hat jedoch die deutlich größere EVG die Mehrheit. Und nach der Devise „wie Du mir, so ich Dir" verhandelt die EVG nun auch für die vergleichsweise wenigen Lokführer in ihren Reihen.
    Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky (M), gibt am 17.10.2014 in Dresden (Sachsen) auf dem Hauptbahnhof ein Pressestatement zu neuen Streiks am Wochenende
    GDL-Chef Claus Weselsky kritisiert die EVG. (picture-alliance / dpa / Matthias Hiekel)
    Es geht auch um Einfluss
    Es geht also um Vertretungsansprüche, um Einfluss. Wobei beide Seiten sich nicht einmal mehr bei der Angabe der Anzahl ihrer jeweiligen Mitglieder über den Weg trauen. Deshalb hat EVG-Chef Alexander Kirchner längst eine Zählung unter neutraler Aufsicht vorgeschlagen: "Da bin ich ganz locker. Wir sind bereit unsere Mitglieder einem Notar zu benennen. Und wenn das die GDL genauso macht, dann kann ein Notar feststellen, wer die Mehrheit hat und letztendlich würden wir uns diesem Urteil auch unterwerfen."
    Doch betonte die Konkurrenzgewerkschaft GDL gestern noch einmal, dass ihr an einer detaillierten Offenlegung ihrer Mitglieder gar nicht gelegen ist. Für die Lokführergewerkschaft wohl auch eine zweitrangige Frage, denn sie will auf jeden Fall für ihre Mitglieder verhandeln. Mehrheit hin oder her. GDL-Chef Claus Weselsky geht es ums Prinzip: "Es ist legitim, dass diese Gewerkschaft für ihre Mitglieder Tarifverträge abschließt. Das ist der einzige Punkt, den allerdings die Deutsche Bahn AG verweigert. Und deswegen sind Lokführer und unsere Zugbegleiter gezwungen, in den Arbeitskampf einzutreten."
    Bahn will Tarifpluralität unbedingt vermeiden
    Weselsky beruft sich auf das Bundesarbeitsgericht, welches 2010 die Rechte kleinerer Gewerkschaften gestärkt hatte. Seitdem sind auch mehrere Tarifverträge für gleiche Berufsgruppen in einem Unternehmen möglich. Experten sprechen von Tarifpluralität. Das allerdings will der Arbeitsgeber in diesem Tarifkonflikt - die Bahn AG - unbedingt vermeiden. Und hofft, dass die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Stärkung einer Tarifeinheit schon bald einbringt. Juristisch sicherlich kein einfaches Unterfangen.
    Für die GDL wäre es eine Beschneidung ihres Vertretungsanspruchs, auch deswegen kämpft sie in diesem Jahr so kompromisslos - gegen die Bahn AG, gegen die Konkurrenzgewerkschaft EVG und auch gegen die Pläne der Bundesregierung.
    Und sie würde eine durchaus mögliche Tarifeinigung zwischen der EVG und der Bahn wohl als weitere Kampfansage auffassen. Derzeit also kein Licht am Ende des Tunnels.