Archiv


Bahntarifkonflikt: Beamtenbund fordert Bahnchef Mehdorn zum Einlenken auf

Kurz vor Beginn der neuen Lokführerstreiks hat der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, Bahnchef Hartmut Mehdorn aufgefordert, auf die Gewerkschaft GDL zuzugehen. Der Vorschlag, die Lokführer in eine eigene Beschäftigungsgesellschaft auszugliedern, sei ein tragfähiger Kompromiss, sagte Heesen.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Der Rücktritt von Fran Müntefering, der Umbau der Bundesregierung, die heute beginnenden tagelangen Streiks bei der Bahn in Deutschland, das sind die innenpolitischen Themen, die auch heute das Geschehen dominieren werden. Über beide habe ich vor der Sendung gesprochen mit Peter Heesen. Er ist Vorsitzender des DBB Beamtenbundes und Tarifunion, ein Dachverband für den Öffentlichen Dienst, unter dem sich mehr als 40 Einzelgewerkschaften versammeln, unter anderem auch die der Lokführer. Ich habe mit ihm über Lösungsmöglichkeiten im Bahntarifkonflikt gesprochen, aber zunächst nach seiner Einschätzung der Turbulenzen in der Berliner Regierung gefragt.

    Peter Heesen: Ich bedauere das sehr. Franz Müntefering war einer der stabilisierenden Elemente dieser Koalition. Nicht zuletzt auch unter dem Aspekt, dass er immer wieder dazu beigetragen hat, wichtige Entscheidungen, weniger aus parteipolitischer Sicht als mit Blick auf die gesellschaftliche Verantwortung mitzutragen. Das zeichnet ihn in ganz besonderer Weise aus.

    Klein: Sie bedauern es. Bedauern Sie es auch, weil Sie für Ihre Klientel Nachteile in der künftigen Regierungspolitik erwarten?

    Heesen: Nein, das gar nicht mal so sehr. Es hatte eine ganze Reihe von Feldern gegeben, wo Franz Müntefering und ich auch unterschiedlicher Auffassung waren. Da gibt es Beispiele dafür, etwa die Beschäftigung von Telekom-Mitarbeitern, die dort freigesetzt waren in den sogenannten "Arbeitsgemeinschaften" bei Hartz IV oder auch die Frage von Umgestaltungen bei der Bundesagentur für Arbeit. Das waren die Dissenzfelder. Nein, aber ich glaube, die besondere Verantwortung, mit der er an die Sache herangegangen ist, übrigens auch mal darin zu erkennen, dass er auch gegenüber den Gewerkschaften Nein gesagt hat, wo ein Nein gesamtpolitisch notwendig war. Das wird fehlen.

    Klein: Woran denken Sie da?

    Heesen: Na ja, ich meine, die Auseinandersetzung um die Frage Hartz IV ist ja ein großes Problem gewesen, dass auf der einen Seite die Gewerkschaften, auf der anderen Seite die Regierung in der Zusammenarbeit schon belastet hat. Ich bin im Übrigen aber auch an einem Punkt sehr traurig. Ich war, was die Post betrifft, und bin auch ein Verfechter dieser Mindestlohnregelung. Ich bin nicht für generelle Mindestlöhne, aber hier in diesem Punkt war das etwas anderes, weil die Bundesrepublik Deutschland in meinen Augen völlig falsch gehandelt hat, als sie das Briefmonopol einseitig aufgegeben hat, denn die anderen europäischen Länder sind ja nicht gefolgt. Und hier muss auch ein Schutz mit Blick auf die Betroffenen vorgenommen werden, und da war Franz Müntefering ein aufrechter Kämpfer.

    Klein: Erwarten Sie gravierende Veränderungen in der Regierungspolitik nach seinem Abgang?

    Heesen: Ja. Denn ich sehe, dass ein großes Gewicht fehlen wird, ein Mann mit Gewicht, mit hervorragender Argumentation. Und ich sehe auch den Ersatz nicht, nun ist es auch nicht meine Aufgabe, darüber nachzudenken. Aber ich glaube, da wird etwas fehlen, da wird einer fehlen auf der SPD-Seite, der den gemeinsamen Erfolg der Regierung immer im Blick gehabt hat. Und dass das in einer Situation, wo die Koalition ja jede Menge streitiger Großthemen hat, nicht gerade hilfreich ist, liegt auf der Hand.

    Klein: Ein großes Thema im politischen Berlin dieser Tage, nicht nur in Berlin natürlich, ein Thema, das die ganze Bundesrepublik ab heute Mittag spätestens wieder sehr stark beschäftigen wird. Das hat sie einer Gewerkschaft zu verdanken, die auch Ihrem Dachverband angehört, der Gewerkschaft der Lokomotivführer, die ab heute Mittag um zwölf Uhr in den Streik gehen werden, angekündigt haben, mehrere Tage streiken zu wollen und zwar nicht nur den Regionalverkehr, sondern eben auch Güter und Fernverkehr. Es ist eine Gewerkschaft unter Ihrem Dach. Mit wie viel Unwohlsein begleiten Sie die kommenden Stunden und Tage?

    Heesen: Also ich bin nicht unruhig, weil auf der einen Seite ich sehr klar sagen muss, und das war von Anfang an unsere Position, dass die Lokomotivführer im Geflecht der verschiedenen Bahnberufe zu schlecht bezahlt sind. Die Verantwortung eines Lokomotivführers ist unglaublich groß. Das ist nicht mehr die alte Dampflokomotive, sondern wir fahren mit 300 über die Schnellstrecken. Das ist eine ganz besondere Aufgabe, bei der ich glaube, dass wir schon viel früher über die Frage hätten nachdenken müssen, wie wir denn die Menschen mit dieser hohen Verantwortung besser bezahlen. Insofern hat die GDL auch unsere Unterstützung, was diesen Streik betrifft. Ich war selber immer der Auffassung, eher Güterverkehr als Personenverkehr, denn der Arbeitskampf richtet sich ja nicht gegen die Fahrgäste, sondern er richtet sich gegen die Bahn. Und deshalb ist die Gewichtung, den Güterverkehr und damit die Bahn zu treffen, eigentlich der richtigere. Das hatten leider die Gerichte zunächst einmal untersagt. Wir haben jetzt eine vernünftige Grundregelung, dass das Streikrecht auch wieder gilt. Deshalb stütze ich auch diese Auseinandersetzung jetzt. Ich bin allerdings auch der Auffassung, dass alle Beteiligten, und ich sage auch noch mal ausdrücklich alle, jetzt alles daransetzen müssen, nicht Arbeitskampf um seiner selbst willen schön zu finden und fortzusetzen, sondern wir müssen eine Lösung finden.

    Klein: Und das ist natürlich die Hoffnung, der Wunsch seit Wochen und Monaten. Ich frag noch mal, Sie sagen, Sie unterstützen den Streik, Sie stehen da 100 Prozent dahinter, trotz aller wirtschaftlichen und anderen Folgen, die wir gewärtigen müssen.

    Heesen: Na ja, nun sagen Sie mir einen Streik, bei dem es nicht irgendwelche unangenehmen Folgen, auch wirtschaftlicher Art, gibt. Das ist doch klar. Es gibt aber keine andere Form, die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durchzusetzen, als durch einen solchen Arbeitskampf. Deshalb ist ja auch das Streikrecht grundgesetzlich geschützt. Und ich denke, dass auch Herr Mehdorn lernen muss, wie das ja auch andere Unternehmerpersönlichkeiten gelernt haben, dass man in einer Tarifauseinandersetzung eben die Pflicht hat, von beiden Seiten nach einer Lösung, nach einem Ergebnis zu suchen, und ich bringe das noch mal in Erinnerung. Der Moderatorenspruch der Herren Biedenkopf und Geißler war in meinen Augen eine ganz solide Grundlage für eine Lösung. Ich begreife nicht, dass man an dieser Stelle nicht weiterarbeitet.

    Klein: Na, er ist offensichtlich so, er konnte ja unterschiedlich interpretiert werden, insofern war er offensichtlich ja nicht hilfreich für eine Lösung. Deshalb meine Frage: Wo sehen Sie jetzt einen konkreten Ansatz? Wo muss sich zum Beispiel auch die Bahn bewegen?

    Heesen: Also ich sehe einen konkreten Lösungsansatz in dem Vorschlag, dass wir die Berufsgruppe der Lokomotivführer in eine eigene Beschäftigungsgesellschaft ausgliedern. Dann kann zum einen ein Tarifvertrag mit den Lokomotivführern gemacht werden. Der muss sich natürlich auch an den allgemeinen Dingen orientieren, so wie es der Moderatorenspruch sagt. Und dann kann auch das Thema Entgelt für diese Gruppe der Lokomotivführer in diesem Vertrag so regeln, dass damit für alle Zeiten diese Diskussion um die Entgeltstruktur beendet wird. Ich denke, dass wäre eine ganze solide Lösung, da inzwischen ja alle drei Gewerkschaften erklärt haben, dass sie dieses bereit sind mitzutragen, kommt es jetzt nur noch auf Herrn Mehdorn und die Bahn an, dass auch zu tun. Ich denke, dann haben wir die Kuh sehr schnell vom Eis.

    Klein: Für Sie als Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes auch eine eigenartige Situation. Sie vertreten sowohl die streikenden Lokführer, die streikende GDL, als auch eine Gewerkschaft wie die GDBA, die ja strikt dagegen ist. Wie sehr sehen Sie sich da selber auch in einer Vermittlerfunktion, um es mal positiv auszudrücken?

    Heesen: Ich hab mich von vornherein in dieser Funktion gesehen, obwohl mir auch zu Anfang klar war, erst müssen die Streithähne aufeinander losgehen, bevor man vermitteln kann. Man kann nicht schon im Vorfeld vermitteln, bevor nicht ordentlich gestritten worden ist. Ich habe mich deshalb auch bisher auch sehr zurückgehalten und habe versucht, intern Ratschläge zu geben. Das ist manchmal geglückt, manchmal etwas weniger geglückt. Das gehört auch zu einem solchen Geschäft. Aber ich denke, wir haben jetzt eine Situation erreicht, wo wir zu Lösungen kommen müssen. Und ich würde mir wünschen, dass der Aufsichtsrat der Bahn, wenn er am Donnerstag tagt, auch seinem Vorstandsvorsitzenden Mehdorn mit auf dem Weg gibt, jetzt das Thema so anzupacken, dass es wirklich einer Lösung zugeführt wird. Denn alles ist andere würde zu viel größeren Schäden für die Bahn führen.

    Klein: Brauchen wir neben den Schlichtern Biedenkopf und Geißler noch einen mit Namen Heesen?

    Heesen: Ach, ich bin nicht so wichtig in dieser Frage. Es geht nicht um mich, und ich glaube sogar eher, dass es auch schwieriger würde, weil ich nicht unbedingt sicher bin, dass die Kollegen von Transnet nun den Dachgewerkschaftsvorsitzenden der beiden anderen als Schlichter akzeptieren würden. Ich muss es auch gar nicht. Es ist auch nicht Sache der Politik, sondern es ist Sache der Tarifvertragsparteien, und wenn man denn Lösungen schon öffentlich diskutiert, die auch tragfähig sind, dann muss die Bahn auch irgendwann mal springen und sagen, das machen wir. Denn wenn sie jetzt ein Signal hat, dass ein solcher Vorschlag von allen drei Gewerkschaften mitgetragen wird, dann ist das so sozusagen der Startschuss für ein glückliches Ende.