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Bahrain
Keine Chance für schiitische Opposition

Bahrain ist eine absolutistische Monarchie, daran konnten auch die Proteste während des Arabischen Frühlings nichts ändern. Der König regiert weiter mit harter Hand gegen die - zumeist schiitische - Opposition. Die stellt sich nicht nur gegen die Regierung - sondern sieht auch die westlichen Demokratien in der Pflicht.

Von Marc Thörner | 09.05.2015
    Frauen der Opposition in Bahrain in Duraz, nördlich von Manama
    Frauen der Opposition in Bahrain in Duraz, nördlich von Manama (dpa / picture alliance / Mazen Mahdi)
    "Freiheit für Ali Salman" - wann immer sich in Bahrain die Anhänger der größten regierungskritischen Partei, al-Wefaq, versammeln, steht diese Forderung im Vordergrund. Salman, schiitischer Geistlicher und Oppositionsführer, sitzt seit Dezember 2014 in Haft. "Aufruf zum Umsturz" lautet die Anklage.
    Für Samira Rajab, die bahrainische Informationsministerin, ist er ein Hochverräter.
    Als Ali Salman in einer Versammlung hörte, dass Truppen des Golfkooperationsrates uns helfen Bahrain zu beschützen, erhob er sich und sagte: Dann werden wir eben die Iraner rufen, damit sie uns helfen.
    Scheich Ali Salman, die Nummer eins der al-Wefaq hier in Bahrain hat seine Ausbildung im Iran absolviert, in der Stadt Ghom. Niemand lernt dort, wenn er nicht für die Herrschaft der Religionsgelehrten ist.
    Das klingt in den Ohren eines westlichen Reporters zunächst logisch.
    Tatsächlich aber gehört Scheich Salman einer schiitischen Denkrichtung an, die zur iranischen in Konkurrenz steht und eine Herrschaft der Religionsgelehrten ablehnt. Kurz vor seiner Verhaftung äußerte er sich gegenüber dem Deutschlandfunk:
    "Wir unterhalten Verbindungen zur theologischen Schule von Najaf im Irak. Ich orientiere mich an der Theologie von Ayatollah as-Sistani. Für die meisten bahrainischen Schiiten gilt das ebenfalls. Aber unsere Regierung lügt. Nichts als Lügen, die ganze Zeit. Aus einem einzigen Grund: Sie will keine Demokratie zulassen. Und dafür sucht sie mit allen Mitteln Argumente. Aber als Bahrainis, egal ob wir zum Klerus gehören, Muslime sind oder an gar keinen Gott glauben, wir sind Bürger. Und als solche sollten wir die Quelle der Macht sein. Wir müssen unsere Regierung selber wählen können. Und leider ist alles in Bahrain in den Händen der Königsfamilie, Exekutive, Legislative, Judikative und Medien."
    Bahrain war 2011 die einzige Golfmonarchie, in der eine Arabellion stattfand.
    Prompt rief die Königsfamilie damals Truppen Saudi-Arabiens und der angrenzenden Golfstaaten zu Hilfe. Die Proteste wurden blutig erstickt. Dutzende starben im Kugelhagel, wurden gefoltert und sind bis heute in den Gefängnissen verschwunden.
    Westliche Demokratien "in Doppelmoral gefangen"
    Das säkulare Gesicht der Protestbewegung ist seit dieser Zeit Maryam al Khawaja. Die 27-Jährige organisiert das bahrainische Zentrum für Menschenrechte.
    "Die Freiheitsbewegung in Bahrain hat in den 1920er-Jahren begonnen. Seitdem stempelt das bahrainische Regime jeden, der mehr Freiheit fordert, mit den unterschiedlichsten Labels ab. Damals waren alle Oppositionellen angeblich Sozialisten, später waren alle Kommunisten und noch später iranische Agenten. Immer suchen sie sich das aus, was gerade auf internationaler Ebene als die gängige Bedrohung angesehen wird. Dann drücken sie denen, die mehr Freiheit fordern, den entsprechenden Stempel auf."
    Mit einem hat das bahrainische Regime recht: Die Opposition besteht überwiegend aus Schiiten. Das liegt aber nicht an Kontakten zu Teheran, sondern daran, dass 70 Prozent der Einwohner Schiiten sind. Dennoch schließt die regierende sunnitische Minderheit diese Bevölkerungsmehrheit systematisch von allen Schlüsselpositionen in der Gesellschaft aus.
    Begründung: Alle, die sich Demokraten nennen, würden aus Teheran ferngesteuert. Eine Argumentation, mit dem der kleine Golfstaat bis jetzt auch international gut weg kommt. Seit Ende 2014 beteiligen sich auch bahrainische Kampflugzeuge zudem an den US-geführten Luftschlägen gegen IS-Positionen im Irak. Westliche Kritik an Bahrain ist inzwischen kaum noch zu hören. Zum Jahreswechsel 2014/2015 sah das Königshaus deshalb offenbar den Weg frei für eine beispiellose Verhaftungswelle. Nicht nur Oppositionsführer Ali Salman wanderte hinter Gitter. Festgenommen wurden auch die junge Menschenrechtlerin Maryam al Khawaja und ihre Schwester Zainab. Wieso, fragt Maryam, engagieren sich die USA und die EU am Golf nicht ebenso wie er das bei der Arabellion in Nordafrika getan hat?
    "Die USA, Großbritannien und Deutschland sind jederzeit bereit, Waffen an Länder wie Saudi-Arabien und Bahrain zu verkaufen, Länder mit groß angelegten Menschenrechtsverletzungen. Und jeder kennt die saudi-arabische Menschenrechtsbilanz. Dennoch fahren die westlichen Staaten fort, über Demokratie zu sprechen, als ob das wirklich etwas wäre, worauf es für sie ankäme. Aber das zeigt nur, wie sehr sie in ihrer Doppelmoral gefangen sind."
    Hat die Informationsministerin den Aufstieg des IS unterstützt?
    Die beiden Schwestern al Khawaja durften auf Kaution inzwischen wieder aus der Haft. Noch immer im Gefängnis ist hingegen Nabeel Rajab, ein Cousin der Informationsministerin. Der Blogger hatte öffentlich auf ein besonders pikantes Detail aufmerksam gemacht: Die bahrainische Führung, die sich jetzt so eifrig im Kampf gegen den IS zeigt, könnte selbst hinter dem Aufstieg des islamistischen Terrorstaats stehen. Und ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür könnte ausgerechnet die Informationsministerin sein. Von Wikileaks veröffentlichte US-Botschaftstelegramme brachten an den Tag:
    2007 hatte Samira Rajab, damals im Beratergremium des Königs, in der bahrainischen Hauptstadt Manama eine internationale arabische Konferenz mit organisiert. Ziel es war es, den sunnitischen Widerstand im Irak zu koordinieren. Bei dem Treffen ging auch darum, wie die Islamisten der irakischen Al-Kaida besser mit den arabischen Nationalisten der Baath-Partei kooperieren könnten. Die damals anvisierte Synthese ist inzwischen allgemein bekannt geworden. Unter dem Namen Islamischer Staat, IS.
    Dennoch - Informationsministerin Rajab hält den Ideen Saddam Husseins und seiner Baath-Partei auch heute noch die Treue. Und die Arabellion hält sie für ein westliches Komplott.
    "In den letzten Jahren mussten wir feststellen, dass der Westen Ideen wie die Herrschaft der Religionsgelehrten oder die Ideologie der Muslimbrüder unterstützt. Die entsprechenden Regimewechsel in der Region hat ja allesamt der Westen initiiert: die USA, die Europäischen Union. Und die schiitische Dawa-Partei im Irak ist doch erst durch die US-Invasion an die Macht gekommen."
    Der Fall der bahrainischen Informationsministerin zeigt: Es lohnt sich, die vermeintlichen Alliierten am Golf genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Demokraten im Stich lassen und die Autokraten hofieren? Damit könnte man in Washington, London und Brüssel langfristig aufs falsche Pferd setzen - wieder mal.