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Bakkalaureus aus St. Petersburg

Die Hochschule Anhalt bietet Studierenden des Fachbereichs Wirtschaft ein grenzüberschreitendes Studium an. Die ersten vier Semester werden in Deutschland absolviert, danach gehen die Studierenden für den Rest des Studiums an russische Universitäten. Grit Lange, die erste Absolventin des deutsch-russischen Programms, hat so gerade ihr Teilstudium mit einem Bakkalaureus-Abschluss in St. Petersburg beendet.

Moderation: Ulrike Burgwinkel |
    Burgwinkel: Die Hochschule Anhalt bietet einen ungewöhnlichen Studiengang an. Bernburger Studenten bereiten sich derzeit auch ganz intensiv vor, denn das Angebot sieht für Wirtschaftswissenschaftler ein Teilzeitstudium in Russland vor. Am Telefon begrüße ich Grit Lange, die erste Absolventin des deutsch-russischen Programms. Guten Tag.

    Lange: Hallo.

    Burgwinkel: Frau Lange, Sie haben jetzt den Sankt Petersburger Bakkalaureus in der Tasche. Was ist denn das und wie bekommt man den?

    Lange: Im Grunde heißt Bakkalaureus übersetzt Bachelor und den bekommt man, indem man zwei Jahre in Bernburg studiert und das Grundstudium abschließt, BWL, und dann ein Jahr in Sankt Petersburg studiert und nach dem einen Jahr bekommt man den Bakkalaureus. Man schreibt eine Bachelorarbeit, also eine Bakkalaureusarbeit, besucht 15 Fächer, alles auf Russisch, und danach bekommt man den Bakkalaureus.

    Burgwinkel: Was sind denn das für Fächer?

    Lange: Ich war am Lehrstuhl Marketing, also waren das zum Großteil Fächer vom Fachbereich Marketing, aber auch vom Fachbereich Logistik.

    Burgwinkel: Sie sagten gerade schon, alles in Russisch?

    Lange: Ja, alles auf Russisch.

    Burgwinkel: Haben Sie die Sprache schon vorher gekonnt oder haben Sie das dann gelernt?

    Lange: Ich hatte es früher in der Schule, aber richtig habe ich es erst in Russland gelernt. Learning by doing: Ich musste halt Rrussisch sprechen, ich habe in einer russischen Familie gewohnt, die konnten nur Russisch. Ich musste mit den Leuten russisch reden, auch an der Uni musste ich russisch reden. Man hat es halt während des Lernens gelernt, die russische Sprache.

    Burgwinkel: Müssen Sie auch in Russisch schreiben?

    Lange: Ja, auf jeden Fall. Zum Beispiel diese Bachelorarbeit, also die Bakkalaureusarbeit, die Abschlussarbeit, musste ich auf Russisch schreiben, das waren ungefähr 70 Seiten und die mussten auf Russisch verfasst werden.

    Burgwinkel: Das stelle ich mir ganz schön schwierig vor. Wie waren denn Ihre Erfahrungen sonst in Sankt Petersburg? Wie haben Sie das Studium dort erlebt? Würden Sie anderen Leuten dazu raten, das auch zu tun?

    Lange: Ich würde auf jeden Fall jedem raten, das zu machen. Es ist ein ganz anderes Land, es ist eine ganz andere Ordnung. Es gibt eigentlich nicht direkt eine Ordnung in Russland, man muss sich da ziemlich durchkämpfen. Gerade für Deutsche ist es ziemlich unverständlich. Das eine Büro weiß zum Beispiel nicht, was das andere Büro macht. Vieles ist ziemlich umständlich am Anfang gewesen, aber man boxt sich durch. Em Ende versteht man schon die Bürokratie in Russland.

    Burgwinkel: Was ist denn für Sie der entscheidende Unterschied gewesen in Bezug auf den Stil des Lernens, den Studierende bei uns haben oder jetzt zum Beispiel in Sankt Petersburg?

    Lange: Ich habe gemerkt, dass die Universität im Grunde eine weiterführende Schule war. Die Leute wurden in Jahre eingeteilt, das hieß ein Kurs, also Kursjahre. und vom ersten Kurs bis zum fünften Kurs wurden die im Grunde zusammengesteckt. Es gab nicht so diese, wie soll ich sagen, diese frei wählbaren Fächer. Es gab einen richtigen Stundenplan wie in der Schule und der musste gemacht werden vom ersten bis zum fünften Jahr. Das System ist ziemlich verschult. Es gibt auch Hausaufgaben für die einzelnen Studenten. Es gibt Anwesenheitspflichten für jeden Studenten. Das Studium ist weniger selbstständig. Das hat mich ein wenig gestört, weil ich es von Deutschland anders kenne.

    Burgwinkel: Also, wesentlich mehr Kontrolle, das gibt Ihnen dann aber vermutlich auch mehr Sicherheit, wenn es um die Abschlussprüfungen geht?

    Lange: Ja, das schon, weil die Zusammenarbeit der einzelnen Studenten viel besser klappt. Die einzelnen Studenten kennen sich vom ersten Jahr bis zum fünften Jahr und arbeiten zusammen. Da wird auch jedem geholfen, der vielleicht gerade mal nicht da war, nicht konnte, weil sich jeder kennt, wenn man sich vom ersten Jahr bis zum fünften Jahr kennt und auch Freundschaften schließt. Das ist der Gegensatz zu Deutschland, teilweise sitzt man vielleicht in Vorlesungen drin und sieht vielleicht Studenten drei Jahre über einem und man kennt sich trotzdem nicht. Das ist im Gegensatz zu Deutschland einerseits schön, da man Kontakte schließen kann und die Leute vom ersten bis zum letzten Jahr sieht. Auf der anderen Seite war es sehr verschult, was mich ein bisschen gestört hat, die Anwesenheitspflicht und Hausaufgaben und die Kontrolle.

    Burgwinkel: Aber Sie haben gesagt, trotzdem würden Sie jedem empfehlen, das auch zu tun?

    Lange: Ja, weil man extrem viel Erfahrung sammelt.

    Burgwinkel: Wie geht es denn jetzt für Sie weiter?

    Lange: Ab nächstem Semester, ab Oktober gehe ich noch ein Semester nach Bernburg, studiere noch ein Semester und ab Januar werde ich dann ein Magisterstudium in Schweden anfangen für zwei Semester.

    Burgwinkel: Jetzt noch nach Schweden? Aber einen englischsprachigen Studiengang oder einen russischsprachigen oder was?

    Lange: Auf Englisch.

    Burgwinkel: Und wenn Sie dann fertig sind, was machen Sie dann?

    Lange: Dann will ich arbeiten gehen. Gerade jetzt in der Europäischen Union gibt es ja ziemlich viele Möglichkeiten für so etwas. Gerade im russischen Bereich denke ich mal, dass es dann vielleicht Möglichkeiten gibt, etwas zu finden. Es gibt so viele internationale Firmen, die Leute suchen, die so etwas machen möchten.