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Bakterielle Krankheiten
Neue Studie rekonstruiert die Tuberkulose-Ausbreitung

Noch in den 90er-Jahren galt die Tuberkulose als so gut wie besiegt. Doch dann entwickelten die ersten Erregerstämme Resistenzen gegen Antibiotika. Deshalb hat ein internationales Forscherteam die Wanderwege eines weltweiten Erregerstamms untersucht - und dabei ein paar überraschende Entdeckungen gemacht.

Von Christine Westerhaus | 18.10.2018
    Computer-Illustration von Tuberkulose-Bakterien
    Computer-Illustration von Tuberkulose-Bakterien (imago/Science Photo Library)
    Noch zu Thomas Manns Lebzeiten wurde versucht, Tuberkulose-Infektionen mit langen Kuren in den Bergen auszuheilen, nachzulesen in seinem Roman "Der Zauberberg". Fast ein Jahrhundert später ist diese verheerende bakterielle Krankheit wieder auf dem Vormarsch und die Angst vor Antibiotika-resistenten Erregern weit verbreitet. Um diese Dynamik zu verstehen, haben Vegard Eldholm und seine Kollegen vom Norwegischen Gesundheitsinstitut in Oslo untersucht, wie sich Tuberkulose-Erreger in den vergangenen Jahrhunderten auf der ganzen Welt ausgebreitet haben. Und es sind ausnahmsweise mal gute Nachrichten, die die Forscher zu vermelden haben.
    "Dabei haben wir gesehen, dass dieser Erregerstamm mehrmals unabhängig voneinander Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt hat. Es ist also nicht so, dass sich ein bestimmter resistenter Erreger über die Landesgrenzen ausgebreitet hat. Wir können also optimistisch sein, dass wir resistente Erreger innerhalb der betroffenen Länder in den Griff bekommen."
    Für ihre Untersuchung haben die Forscher die Genome von fast 1.700 Erregern eines bestimmten Tuberkulose-Stamms miteinander verglichen. Diese Bakterien wurden in Menschen auf der ganzen Welt gesammelt und auch in ein paar 250 Jahre alten Mumien. Änderungen im Erbgut gaben den Forschern dann Hinweise darauf, wann die Tuberkulose in welchen Ländern auftrat und welche Veränderungen sie durchmachte.
    "Solche Studien helfen uns dabei, in Zukunft bessere Szenarien zu entwerfen, wie sich Tuberkulose-Erreger ausbreiten und ob sie sich über Landesgrenzen verteilen. Wir müssen das zwar für andere Tuberkulose-Stämme auch noch untersuchen und wir sollten weitere Länder einbeziehen. Aber ich denke, unsere Untersuchung ist schon mal ein guter Start für solche Zukunftsszenarien."
    Rekonstruktion der Vergangenheit
    Dabei konnten die Forscher in ihrer Studie aber auch ein Szenario für die Vergangenheit entwerfen.
    "Wir konnten in unserer Studie sehr genau nachvollziehen, dass auch die Tuberkulose zusammen mit den Eroberern und Kolonialisten nach Afrika und Amerika gekommen ist. Bisher ging man davon aus, dass diese Krankheit nicht aus Europa eingeschleppt wurde. Doch wir sehen es deutlich, und wahrscheinlich hatte die Tuberkulose damals eine ähnlich katastrophale Wirkung auf die Ureinwohner Amerikas wie Masern und Pocken."
    Heute gilt es als gesichert, dass zu Kolumbus' Zeiten mehr Menschen in Amerika an eingeschleppten Krankheiten gestorben sind als durch die Waffen der spanischen Eroberer. Immer mehr Studien zeigen mittlerweile, dass es Einiges gibt, was Forscher aus der historischen Ausbreitung von Erregern für die Zukunft lernen können. Am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena haben Johannes Krause und sein Team beispielsweise herausgefunden, dass schon unsere Vorfahren in der Bronzezeit an der Pest gelitten haben:
    "Und diese Krankheitserreger aus der Vergangenheit, die lassen uns die Evolution der Krankheitserreger besser verstehen, das heißt, wie haben die sich verändert, wie schnell ist deren Mutationsrate und wo kommen die vielleicht auch her, wie haben die sich an den Menschen angepasst, welche genetischen Veränderungen haben sie durchgemacht."