Archiv


Bakterien als Düngemittelersatz

Für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist Reis die Hauptnahrungsquelle. Doch um hohe Erträge zu erhalten, werden immer größere Mengen Dünger eingesetzt. In naher Zukunft könnte ein unscheinbares Bakterium die künstliche Düngung überflüssig machen.

Von Jan Friese |
    "Diese Gänge in diesem alten 70er-Jahre-Gebäude sind so konstruiert, dass man sich durchaus, wenn man sich nicht auskennt, verlaufen kann."
    Doch die Biologin Barbara Reinhold-Hurek kennt sich aus in ihrem Institut und führt zielsicher durch die Laborgänge. Zwei Türen weiter steht man plötzlich in den Tropen - zumindest fast.

    "Und hier drin, hell und tropisch… So, jetzt setzten Sie sich lieber 'ne Sonnenbrille auf, denn hier haben wir unseren kleinen Tropenraum, unser Phytothron, in dem wir nicht nur sehr helle Lichtintensitäten haben, sondern wir haben hier auch hohe Temperatur, 30° Celsius und hohe Luftfeuchte. Also richtig schönes Tropenklima."

    Der fensterlose Raum ist kaum größer als eine Umkleidekabine; an der Decke hängen starke Spezial-Lampen, eine Lüfteranlage rauscht beständig. In diesem Tropen-Raum an der Universität Bremen züchtet die Professorin Reispflanzen aus allen Teilen der Welt. Ihr Interesse gilt dabei aber nicht allein dem Reis: gemeinsam mit ihrem Mann sucht sie nach Bakterien, die Pflanzen mit Stickstoff beliefern.

    "Thomas Hurek und ich, wir haben auch schon zusammen studiert, und schon im fünften Semester, vor ungefähr zwanzig Jahren, haben wir gehört, dass es Gräser gibt, in denen stickstofffixierende Bakterien an und in den Wurzeln vorkommen können.

    Thomas Hurek:

    "… und so kam das dann auf, dass man dann vielleicht auch mal bei Reis gucken sollte."
    Stickstofffixierende Bakterien kennt die Wissenschaft schon seit 100 Jahren. Sie nehmen Stickstoff aus der Umgebung auf und reichen ihn in Form des chemischen Moleküls Ammonium an ihren Pflanzenpartner weiter. Der versorgt sie im Gegenzug mit Nährstoffen. Solche Symbiosen kannte man lange nur bei Hülsenfrüchten, wie Bohnen und Erbsen. Bei den "großen" Pflanzen der Welternährung, bei Mais, Weizen und vor allem Reis, waren sie bis in 70er Jahre unbekannt.

    "…und das fanden wir damals super spannend. Das waren neue Ergebnisse aus Brasilien, und da dachten wir schon als Studenten, wenn man da der Natur den Bauplan entreißen könnte, wie diese Bakterien mit der Pflanze zusammenarbeiten, um sie mit Dünger zu versorgen und das bei Gräsern, beziehungsweise Getreiden, das wäre fantastisch für die Weltwirtschaft, für die armen asiatischen Reisbauern, für die Umwelt und so weiter und sofort. Das war schon von Anfang an die Triebfeder dahinter."

    In den 80er Jahren wurde das Forscherehepaar schließlich in Pakistan fündig. Auf nährstoffarmen Böden wächst dort das Kallar-Gras. Aus seinen Wurzeln isolierten sie das stickstofffixierende Bakterium Azoarcus BH 72. Seit der Entdeckung versuchen sie sich an einer Symbiose zwischen dem Bakterium und Reis. Teurer Stickstoff-Dünger könnte so überflüssig werden. Bis zu 20 Prozent mehr Wachstum wurde bereits erreicht, bisher jedoch nur unter Laborbedingungen, im begrenzten Raum eines Reagenzglases.

    "Und da ist dann nur wirklich diese Reispflanze, unser Bakterium, und niemand anderes in dem Röhrchen. Damit wir ganz gezielte Experimente machen können über Besiedelung oder Effekte auf die Pflanze oder ähnliches."

    Mit dem seit kurzem entschlüsselten Genom von Azoarcus BH 72 werden diese Experimente einfacher. Denn jetzt können die Forscher gezielt einzelne Gene auf ihre Funktion überprüfen.
    Und da das Reis-Genom bereits entschlüsselt ist, kann nun verglichen werden, welche Gene bei der Symbiose wo beteiligt sind.
    .
    "Die Genomsequenz ist jetzt erst der Anfang, so dass wir viel schneller voran gehen können…in unseren Untersuchungen."

    Vor allem wollen Barbara und Thomas Hurek so die Kommunikation zwischen Pflanze und Bakterium verstehen. Denn wie bei jeder Partnerschaft wird auch hier erst einmal geredet, allerdings mit chemischen Botenstoffen. Sobald die entschlüsselt sind, versteht man vielleicht auch, wann die Feld-Pflanze ja zu der Symbiose sagt. Bis dahin sucht das Forscher-Paar weiter nach entsprechenden Pflanzen.

    "Aber statt nach Pakistan gehen wir jetzt auch nach Nepal oder nach Indien …"

    …auf der Suche nach stickstofffixierenden Bakterien.

    "Das sind so Röhrchen, in denen ich denen versuche, neue Bakterien aus den Wurzeln von Reis zu isolieren, die wir gerade in den Philippinen geerntet haben. Und hier sieht man so ein kleines Häutchen, so eine kleine Trübung. Das heißt, hier sind Bakterien gewachsen und steigen nach oben zum Sauerstoff hin. So, da muss ich mich mal heute Abend drum kümmern."