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Bakterien als Katastrophenhelfer

Manchmal sind es die kleinsten Lebewesen, die die erstaunlichsten Aufgaben bewältigen. Bakterien zum Beispiel. Sie können ausgelaufenes Erdöl abbauen. Wie, das haben jetzt Meereswissenschaftler aus Bremen, München, Jerusalem und Gaza entschlüsselt- unter der Leitung der Universität Oldenburg. Die deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützte das Projekt mit 800.000 Euro auch aus politischen Gründen. Die Ergebnisse könnten dabei helfen, die Folgen von Ölkatastrophen zu mildern. Und sie könnten einen Beitrag dazu leisten, den Kampf um sauberes Wasser zu entschärfen.

    Von Mirjam Wagner

    Bakterien fühlen sich wohl im Meer. Sie fressen Partikel, die im Wasser treiben. Und damit ihr Stoffwechsel besser funktioniert, bilden sie Gemeinschaften. Cyanobakterienmatten sind so eine komplexe Gemeinschaft. Man findet sie an nahezu allen Küsten der Welt - auch am Wattenmeer - zu erkennen an ihrer grünen Farbe und faserigen Struktur. Am weitesten verbreitet sind sie jedoch dort, wo es warm ist: Am Persischen Golf zum Beispiel. Ein Paradies auch für Fische, Seevögel und Mangroven.

    Doch nach dem Krieg 1991 flossen hier über anderthalb Millionen Tonnen Rohöl aus gesprengten Förderanlagen ins Meer.

    Während alle anderen Organismen, vor allem die höheren Organismen gestorben sind, sind die Cyanobakterien weiter gewachsen - und zwar oben auf dem Öl. Und man hat auch gesehen, dass in gebieten, die sehr stark mit Cyanobakterien bewachsen waren, diese Ölverschmutzung sehr schnell geringer geworden ist.

    Jürgen Rullkötter forscht am Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg. Unter seiner Leitung hat ein deutsch-palästinensisch-israelisches Forscherteam entschlüsselt, wie genau die Cyanobakterienmatten ölverschmutztes Meerwasser reinigen:

    Im oberen Bereich atmen sie Sauerstoff und nutzen das Licht zur Photosynthese - das sind die aeroben Cyanobakterien. Von ihren Stoffwechselprodukten leben andere Bakterien im unteren Teil ohne Licht und Sauerstoff. Begünstigt wird dieser Nährstoff-Austausch dadurch, dass einige der Bakterien bei Nacht mit der Sauerstoffgrenze nach oben wandern und bei Sonnenschein wieder in die Tiefe. Herantreibendes Rohöl baut eine solche Bakterienkolonie in ihren Stoffwechsel ein wie sonst Zucker. Für andere Lebewesen giftige Bestandteile des Öls sind für sie schlicht eine lebenserhaltende Kohlenstoffquelle.

    Manche Substanzen knabbern sie quasi nur an, bauen ein Sauerstoffatom ein oder machen sonst irgendwas damit. Und dann gibt es die Anaerobier, die dann Nachts nach oben kommen, die nehmen sich diese Substanzen, lassen sie in die Zelle einwandern und nehmen sie dann wieder tagsüber mit nach unten. Aber nur durch den Wechsel von Tag und Nacht kommt diese Durchmischung zustande.

    Nebenbei wird so das Öl abgebaut, einfach zu Kohlendioxid veratmet, und zwar die krebserregenden Aromaten besonders schnell. Das freute vor allem die palästinensischen Teilnehmer am Projekt. Die Proben für ihre Untersuchungen entnahmen die Forscher unter anderem dem Gaza Wadi. Cyanobakterienmatten entwickeln sich dort auf ölverschmutzten Abwässern. Für den palästinensischen Meereschemiker Nimer Safi ist das Forschungsprojekt eine Investition in die Zukunft seines Volkes.

    Das Wadi von Gaza ist unsere einzige oberirdische Wasserquelle. Und es ist extrem verschmutzt - mit Dieselöl, Rohöl, Petroleumrückständen. In diesem Projekt wollten wir herausfinden, wie wir unser Wasser säubern und schützen können.

    Die Natur am Persischen Golf hat sich inzwischen auch in den von der Ölpest am schwersten betroffenen Gebieten am Persischen Golf erholt. In Versuchsbecken schafften die Cyanobakterienmatten es innerhalb von ein bis zwei Monaten einen zentimeterdicken Erdölfilm abzubauen und in Kohlendioxid umzuwandeln. Besonders schnell erledigten das diejenigen, die bereits an ölverschmutztes Wasser gewöhnt waren. Das Problem ist nur: Man muss sie in Ruhe arbeiten lassen. Meist reagieren die Menschen nach einer Ölkatastrophe sofort mit Reinigungsaktionen. Chemikalien, die einen Ölteppich auflösen sollen, töten aber leider auch die ölabbauenden Bakterien. Und mechanische Methoden, wie das Abspritzen des Ufers mit Hochdruck zerstören ihre ausgeklügelte Gemeinschaftsstruktur. Jürgen Rullkötter:

    Die Vorstellung ist die, dass man ölverschmutztes Wasser oder durch andere Substanzen verschmutztes Wasser über eine Bakterienmatte leitet und dann dieser Matte die Gelegenheit gibt, die Substanzen abzubauen. Das wird man sehr langsam machen müssen, möglicherweise auch das Wasser im Kreislauf führen, bis die Substanzen alle abgebaut sind. Das wäre ein technisches Projekt, was sich hieraus entwickeln könnte.