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Bakterien als Krebsschutz

Bakterien helfen im Magen-Darm-Trakt nicht nur bei der Verdauung. Sie spielen offenbar eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von Krankheiten. US-amerikanische Forscher haben gezeigt, dass die Mikroorganismen die Bildung von Darmpolypen, einer möglichen Vorstufe von Darmkrebs, wieder rückgängig machen können - jedenfalls bei Mäusen.

Von Christine Westerhaus | 12.06.2012
    Lactobazillus acidophilus werden viele gute Eigenschaften nachgesagt. Zum Beispiel produziert dieses Bakterium Milchsäure und Wasserstoffperoxid und hält damit Krankheitserreger von der Darmschleimhaut fern. Schon in früheren Studien konnte Mansour Mohamadzadeh von der University of Florida zeigen, dass diese Keime Entzündungen der Darmschleimhaut verhindern können, wenn man sie gentechnisch verändert. Das brachte ihn die Idee, zu testen, ob diese Bakterien auch vor Darmkrebs schützen können.

    "Krankheitserreger und ihre Stoffwechselprodukte können Entzündungen im Darm auslösen, die auch zu Krankheiten wie Morbus Crohn oder Krebs führen können. Um diesen Zusammenhang überprüfen zu können, haben wir Mäuse gezüchtet, die vermehrt Darmpolypen ausbilden. Diese Auswachsungen gelten als Vorstufe von Darmkrebs. Als wir die Tiere mit gentechnisch veränderten Lactobazillus-Bakterien behandelten, haben sich diese Polypen jedoch wieder zurückgebildet."

    Die meisten Fälle von Darmkrebs lassen sich auf entartete Polypen zurückführen. Diese Ausstülpungen der Darmschleimhaut entstehen unter anderem durch Entzündungsreaktionen des Körpers. Welche Faktoren diese Immunantworten auslösen, ist noch nicht in allen Details verstanden. Mansour Mohamadzadeh hat jedoch indirekte Hinweise darauf gefunden, dass das Zusammenspiel der Bakterien in der Darmflora dabei wichtig ist.

    "Pathogene Bakterien können eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Entzündungen im Darm spielen. Unsere Studie hat gezeigt, dass eine Behandlung mit gentechnisch veränderten Milchsäurebakterien dazu führt, dass sich die Polypen wieder zurückbilden. Damit macht die Untersuchung deutlich, dass bestimmte Bakterien die Immunreaktionen des Darms auf Krankheitserreger, die zu der Bildung dieser Polypen führen können, wieder umkehren können."

    Normalerweise bildet Lactobacillus acidophilus sogenannte Lipoteichonsäuren in der Zellwand, die ebenfalls eine Immunreaktion in den Darmzellen hervorrufen können. Um das zu vermeiden, haben die Forscher die Milchsäurebakterien genetisch so verändert, dass sie diese Lipoteichonsäuren nicht mehr ausbilden konnten.

    "Bevor wir solche Bakterien bei Patienten einsetzen können, um zum Beispiel entzündlichen Darmerkrankungen oder Darmkrebs zu verhindern, müssen wir ihre Wirkung noch sehr viel genauer testen. Wir müssen klar zeigen können, dass sie beim Menschen die gleiche Wirkung haben, wie in unserem Mausmodell und wir müssen sicher sein, dass sie auch bei Patienten Entzündungsreaktionen lindern und die Bildung von Darmpolypen verhindern können."

    Die Forscher wollen im nächsten Schritt herausfinden, welche Moleküle der Milchsäurebakterien die unterschiedlichen Immunantworten in der Darmschleimhaut auslösen. Dabei wollen sie auch untersuchen, wie die Bakteriengemeinschaft im Darm zusammengesetzt ist und unter welchen Umständen sie dort Entzündungen hervorruft. Dieses Zusammenspiel ist bisher nur in Ansätzen erforscht. Für Mansour Mohamadzadeh ist jedoch eines schon jetzt klar: Die Rolle der Darmkeime ist bisher deutlich unterschätzt worden.

    "Der Darm ist das Zweite Gehirn unseres Körpers. Sogar das Immunsystem des Darm ist wesentlich spezialisierter als das des restlichen Körpers. Außerdem wissen wir, dass die Signale der Darmflora wichtig sind für das Gleichgewicht der Zellen. Wir sind also von einer funktionierenden Darmflora abhängig und sollten daher vorsichtig sein, dass wir nicht zu stark in dieses Gleichgewicht eingreifen."

    PNAS: PDF-Dokument zur Rolle von Lactobazillus acidophilus bei Darmpolypen (englischsprachig)