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Bakterien für den Roten Planeten

Italienische Astrophysiker wollen herausfinden, welche Lebensformen auf dem Mars überleben könnten. Dafür bauten die Wissenschaftler ein marsähnliches Ambiente auf der Erde nach, das die extremen Umweltbedingungen des Roten Planeten rekonstruiert. In diesem Testlabor sollen sich jetzt irdische Mikroorganismen behaupten.

Von Thomas Migge |
    Der Besucher staunt - und ist ein wenig enttäuscht. Auch wenn Giuseppe Galletta schon am Telefon ausdrücklich darauf hinwies, dass von einer Art raffiniert ausgeleuchtetem Marsbühnenbild keine Rede sein könnte, erwartete man doch schon so etwas ähnliches. Etwa wie in einem Science-Fiction-Film. Doch dann steht der Besucher vor einer mit verschiedenen Röhren und Kabeln verbundenen Edelstahlkuppel, die rund einen Meter im Durchmesser groß ist, reaktiv klein also, in der es aber, erklärt Galletta, Astrophysiker an der Universität Padua, wie auf dem Planeten Mars zugeht:

    "Angesichts der uns zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und der ewig unsicheren Finanzmittel haben wir uns für diese Kuppel entscheiden müssen. Filmset-reife Marslandschaften können wir also nicht bieten. Die brauchen wir auch gar nicht, weil wir in der von uns rekonstruierten Marslandschaft nur Mikroorganismen testen. Dafür reicht auch wenig Platz."

    Astrophysiker Galletta hat zusammen mit Kollegen des Studienzentrums für Weltraumforschungen in Padua, eine Einrichtung der Universität, ein in der Welt einmaliges Testlaboratorium gebaut. In diesem Laboratorium wollen die Forscher herausfinden, welche irdischen Lebensformen unter den extremen Umweltbedingungen auf dem Mars existieren könnten. Giuseppe Galletta:

    "Das vom Wissenschaftsministerium mitfinanzierte Projekt sieht folgendermaßen aus. In der Stahlkuppel haben wir die Lebensbedingungen wie auf dem Mars originalgetreu rekonstruiert. Darin werden wir irdische Bakterien aussetzen. Also wir haben in der Kuppel einen Luftdruck von 7 Millibar, als ein Hundertstel des Luftdrucks der Erde. Aufgrund der Daten, die wir über Mars haben, lassen sich die extremen Bedingungen originalgetreu rekonstruieren."

    Nach diesen Daten besteht die Mars-Atmosphäre zu 95 Prozent aus dem Gas Kohlendioxid, zu 2,7 Prozent aus Stickstoff , zu 1,6 Prozent aus Argon und geringen Anteilen von Sauerstoff, Wasserdampf, Kohlenmonoxid und Edelgasen. Die solare Wärmestrahlung auf dem Planeten wird in der Edelstahlkuppel mit Speziallampen erzeugt. Auch die Marsoberfläche wurde nachgebildet. Sie besteht zu 20 Prozent aus Silizium, 4 Prozent Calcium, Schwefel und Aluminium. In der Edelstahlkuppel in Padua herrschen Temperaturen zwischen 143 Grad Celsius unter Null, gemessen an den Marspolen, und 17 Grad plus, gemessen am Äquator. In dieser ganz und gar nicht lebensfreundlichen Atmosphäre werden Giuseppe Galletta und seine Mitarbeiter in den nächsten Wochen Clostridium aussetzen. Das sind extrem resistente irdische Bakterien. Clostridium gehört zur Gattung stäbchenförmiger, anaerober und grampositiver Bakterien. Es handelt sich um meist am Boden lebende und von dort aus gelegentlich in den menschlichen und tierischen Körper übertragbare Arten. Giuseppe Galletta:

    "Mit Hilfe von Flüssigstickstoff werden diese Bakterien in Form von Sporen innerhalb der Stahlkuppel auf eine Temperatur von rund 100 Grad Celsius unter Null gebracht. Auf diese Weise wollen wir herausfinden, ob diese Bakterien absterben oder überleben können. Anschließend werden wir auch andere auf der Erde sehr resistente Bakterien in der Marskuppel testen."

    Zu den Testbakterien gehören auch die ungemein resistenten Deinococcus. Mikroorganismen, die extrem hohe radioaktive Strahlen überleben können.

    Galletta und sein Team führen über einen Roboterarm die Testbakterien in die künstliche Mars-Atmosphäre ein. Nach einigen Stunden holt dieser Arm die Mikroorganismen wieder heraus. Die verschiedenen Tests sollen Hinweise darauf geben, welche Bakterien zukünftige Marsmissionen auf dem Planeten entdecken könnten. Zu diesem Zweck werden die Testbakterien in der Edelstahlkuppel unter allen auf dem Mars möglichen Lebensbedingungen - auch unterhalb der Stauboberfläche - getestet. Überleben die in Padua getesteten Mikroorganismen unter den verschiedenen künstlich geschaffenen Umweltbedingungen, würde das präzise Hinweise darauf geben, wo die Astronauten der Zukunft bei ihrem Besuch auf dem Planeten nach möglichem Leben suchen müssten - vorausgesetzt, es gibt dort wirklich Leben.