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Bakterien stabilisieren Beton

Kleine Risse, die sich allmählich ausweiten, setzen Beton oft so stark zu, dass Bauwerke wie Brücken schon nach wenigen Jahren saniert werden müssen. Deswegen setzen Forscher nun auf selbstheilenden Beton.

Von Hartmut Schade |
    Es war keine Schnapsidee, sondern eine Idee, die beim Bier geboren wurde. Abends in der Bar diskutierte der Materialforscher Sybrand van de Zwaag von der Technischen Universität Delft mit einigen Kollegen, wie man Beton zu Selbstheilungskräften verhelfen könnte.

    "Einer der Kollegen hat einen Freund, einen Biologen. Und da hat man geredet und die Biologen haben gesagt, vielleicht können wir auch Bakterien benutzen. Eine Idee, die nicht so abwegig ist, wie es im ersten Moment aussieht. Es gibt Bakterien, die Kalk ausscheiden, den Hauptbestandteil von Zement. Allerdings herrscht im Beton ein extrem basisches Milieu, mit pH-Werten zwischen 12 und 14. Der Baustoff ist eine also ziemlich lebensfeindliche Umgebung . Doch die Wissenschaftler fanden im Gestein von russischen, spanischen und ägyptischen Salzseen Mikroben, die unter ähnlich unwirtlichen Bedingungen leben, erzählt Sybrand van de Zwaag."

    "Die Bakterien sind sehr, sehr spezielle Typen, die können sterben und dann sind sie 200 Jahre tot. Und dann, wenn man wieder Sauerstoff und Wasser dazubringt, dann leben sie wieder und dann möchten die Bakterien etwas essen."

    Ist ihr Appetit gesättigt und der Verdauungsprozess kommt in Gang, dann scheiden die Bakterien Kalk aus. Was sie fressen, will Sybrand van de Zwaag nicht verraten, um der Konkurrenz nicht auf die Sprünge zu verhelfen.

    "Das kann ich nicht ganz genau sagen. Ein holländisches Fressen. Holländisches Matjes ist eine gute Idee."

    Doch selbst die Überlebenskünstler aus dem Salzsee kann man nicht direkt in den Beton einbringen. Die niederländischen Forscher verpacken die Bakterien deshalb in kleine Lehmkügelchen und mischen sie so in den Beton. Reißt der Beton, dann platzen die Lehmhüllen auf, durch den Riss dringen Sauerstoff und Wasser zu den Bakterien und erwecken sie zum Leben.

    "Und dann können die Bakterien in die Risse schwimmen oder wandern und da aktiv sein. Und dann die Risse wieder auffüllen und wir haben Risse von drei, vier Zentimetern wieder geheilt."

    Bakterien sind nicht der einzige Weg, um Beton besser zu schützen. Eine andere derzeit erprobte Methode ist, von vornherein nicht alle Bestandteile reagieren zu lassen. Wichtigster Vorgang bei der Betonherstellung ist die Reaktion von Kalziumsilikaten mit Wasser, die sogenannte Dehydration. Verbinden sich nun nicht alle Teile des Zement mit Wasser, kann man sich dies zu nutze machen, sagt der Chemiker Dr. Martin Hager von der Universität Jena.

    "Wenn jetzt ein ganz dünner Riss aufgetreten ist, kann Wasser in den Riss vordringen und führt dann dazu, dass die noch nicht mit Wasser umgesetzte Komponente im Beton mit dem Wasser reagieren kann und so vergrößert sich das Volumen von dieser Komponenten. Das heißt, so kann man den Riss wieder entsprechend ausfüllen."

    So einfach es klingt: Beton auf diese Art heilen zu lassen, ist schwieriger als mit bakterieller Hilfe. Einerseits müssen ausreichend Zementbestandteile reagieren, damit der Beton seine Aufgabe erfüllen kann, andererseits müssen genügend nichthydrierte Partikel übrig bleiben, um bei Bedarf eine Reparaturreaktion in Gang zu setzen.
    Und die Selbstheilungskräfte müssen zeitig zu wirken beginnen, betont Martin Hager.

    "Heißt Selbstheilung funktioniert auch nur in kleineren Größenordnungen. Aber die meisten Schäden, die auftreten, fangen erst ganz klein an und weiten sich dann aus. Das heißt, wenn man in den frühen Stadien, bei Mikrorissen anfängt, die ausheilen kann, wird dann später gar nicht ein größerer Schaden auftreten."

    Im Gegensatz zur Natur, die Verletzungen wie Schnitte in den Finger oder in Baumrinde immer wieder heilen kann, sind die Selbstheilungskräfte des Betons begrenzt. Wenn alle Zementbestandteile reagiert haben, kann sich der Beton nicht mehr von allein regenerieren. Und wenn die Bakterien nichts mehr zu fressen finden, scheiden sie keinen Kalk aus. Trotzdem meinen die Forscher, es lohne sich, dem Beton Selbstheilungskräfte zu verleihen und so seine Lebensdauer zu verlängern.