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Balanceakt unter Hochspannung

Die Stromversorgung in Deutschland droht unsicherer zu werden. Stromausfälle - heute eher selten - könnten sich in Zukunft häufen. Darauf deuten Studien von Energieforschern hin. Grund sind die Windenergie und der liberalisierte Strommarkt. Beide pressen gewaltige Strommengen in das Verbundnetz quer durch Europa. Doch für diese Mengen ist das Netz nicht gedacht, die Kabel laufen heiß.

Von Sönke Gäthke | 01.04.2007
    Strom kann man nicht speichern. Stets liefern Kraftwerke so viel, wie wir Verbraucher gerade benötigen. Die Menge schwankt. Je nach Tages- oder Jahreszeit. Die Kraftwerke müssen entsprechend mehr oder weniger Strom liefern, also hoch- oder runtergefahren - oder sogar ausgeschaltet werden. Diese Balance zu halten, hat man mir erzählt, ist nach wie vor Handarbeit. Von Ingenieuren.

    Wie sie das machen, und warum Windenergie dabei eine besondere Herausforderung ist, das hätte ich mir gerne in Deutschland angesehen. Ging aber nicht. Die großen Schaltwarten - die Kontrollzentralen - sind "Hochsicherheitstrakte". Seit Nine-Eleven. Da darf keiner mehr rein, der nicht dazugehört. Er könnte ja Europa ins Dunkel tauchen wollen.

    Wie das geht, habe ich mir stattdessen bei den Dänen. Die sind entspannter. Außerdem erreicht Dänemark schon jetzt 20 Prozent regenerativen Strom. Mit Wind. An stürmischen Tagen auch schon mal 40. Wie balancieren die das?

    " Hello. Is it ok in English? "

    Das war also das Kontrollzentrum direkt an der Ostsee bei Fredericia. Kleiner als ich erwartet hatte. Dänemark ist klein. Und hat obendrein zwei getrennte Stromnetze. Von hier wird nur das Westdänische Stromnetz kontrolliert. Dafür reichen drei Computerplätze - von denen zwei besetzt sind. Dann ist da noch eine Wand mit Linien und Anzeigen drauf, Teppichböden, große Fenster - und eine konzentrierte Ruhe und Gelassenheit. Thomas Krogh ist einer derer, die das Netz hier stabil halten.

    Er hat gerade ein wenig Zeit, die Arbeit seiner Kollegen zu erklären.

    "Lotte is (actually, is) over here, ... can get a lot of measurements, if you look at this screen here, it is - all the values here that is Voltage levels, 163 Kilovolts or 414 Kilovolts, so she can get some kind of overview on the status of the grid on the moment. "

    Lotte Jensen wacht über die Kabel. Eher leger in Jeans und Pullover gekleidet. Vor ihr große Monitore - Tabellen, Zahlen und noch mehr Zahlen. Die meisten zeigen ihr die Spannung in den verschiedenen Kabeln. 163 oder 414 Kilovolt. Die Spannung kann sie etwas beeinflussen. Das will Thomas jetzt demonstrieren. Er beugt sich zum Monitor ganz rechts - greift nach einer Maus und fängt an, auf den Schirm zu klicken.

    "Yeah, perhaps we can - this is a substation calles Tjele - it is a - actually, this is the place, "

    Er wählt ein Umspannwerk an. Dort kann die Spannung verändert werden. Mit Hilfe von Transformatoren und Spulen. Eine ist noch nicht eingeschaltet.

    "So when I press this button, it will close the break, it is done now, and soon you get some kind of message back, that it is now closed, and you see the - if it is fast enough - that the voltage dropped. 4 Kilovolts, this case ... "

    Der Kontakt schließt sich, die Spule hängt im Netz. Um 4 Kilovolt, 4000 Volt, sackt die Spannung ab. Das ist wichtig - zu viel Spannung, und die Geräte zuhause an der Steckdose gehen kaputt.

    "Nils has the most complicated job - he is the smart guy - Nils is responsible for the balance of the system. And also for schedules from all the market players. You see, we have a market, an acutally common nordic market, ... leise ziehen, unterlegen "

    Nils macht etwas anderes: Er achtet auf Verbrauch und Erzeugung. Ist also derjenige, der im großen Stil balanciert. Er weiß, wie viel Strom die Kraftwerke liefern wollen. Wie viel Strom die Verbraucher haben möchten. Und er behält im Auge, ob diese Gleichung aufgeht. Damit sie das tut, melden ihm die Kraftwerke einen Tag vorher, was sie vorhaben. Für heute haben sie das also gestern getan. Nils schreibt daraus einen regelrechten Fahrplan. Da steht dann drauf: Kraftwerk A liefert von dann bis dann so viel Strom. Und vielleicht auch: Das Unternehmen y verbraucht von dann bis dann so viel Strom, das Kraftwerk a soll ihn liefern. Daran kann Nils erkennen, ob zu viel oder zu wenig Strom auf dem Markt - sprich: im Netz sein wird. Er kann dann schon einzelne Kraftwerke anweisen: liefert mehr oder weniger Strom.

    Das klang für mich zwar nach aufwändiger Feinarbeit, aber lösbar. Ich hatte bis jetzt allerdings noch gar nichts vom Wind gehört - dessen Strom muss ja auch eingerechnet werden. In den Fahrplan. Nur - Wind ist eigentlich kein Kandidat für feste Fahrzeiten.

    Hier wird sie angezeigt - die Leistung der Windräder. Eine Zahl in einem kleinen Kasten. Auf dem Monitor. Die behält Nils stets im Auge.

    Damit er weiß, wie viel Wind er erwarten darf, hat er eine Wind-Energieprognose erhalten - zusammen mit den Kraftwerks-Meldungen. Und diese in den Fahrplan eingearbeitet.

    "Today is a quite quiet day. Because you have - no wind power, lots of power plants online and no problems. But it can easily change.( ... ) it could be hundreds of Megawatts every five minutes. I think, the windpower can cover the entire load of the grid 1.5 times or something like that. Two times during night time or something. "

    Ein ruhiger Tag - kaum Windstrom. Die Arbeit erledigen vor allem konventionelle Kraftwerke. Aber das kann sich schnell ändern - kommt Wind auf, erzeugen die Strommühlen innerhalb von fünf Minuten Hunderte von Megawatt zusätzlichen Strom. Zu Spitzenzeiten sogar mehr, als dieser Teil Dänemarks brauchen kann. Eine Herausforderung für Nils. Er muss den Windstrom ständig im Auge behalten - und schnell reagieren: Nehmen die Mühlen Fahrt auf, müssen Kraftwerke gedrosselt werden. Lässt die Leistung nach, muss er Kraftwerke auffordern, mehr Strom zu produzieren.

    " So it's quite a big challenge, I guess, you have to be quite on alert every time, if the wind goes up you might be in trouble before you know it. "

    Eine große Aufgabe - man muss ständig wachsam sein. Wenn Wind aufkommt, steckt man sonst schneller in Schwierigkeiten, als man ahnt.

    Das ist also die Crux mit dem Windstrom. Die Ingenieure in Dänemark werden damit offenbar gut fertig. Stellt sich die Frage: Warum?

    In einem anderen Büro treffe ich Antje Orths. Sie arbeitet als Wissenschaftlerin für Energinet.dk, den dänischen Stromnetzbetreiber.

    "Für Dänemark, wir haben natürlich Glück, dass wir am Rande des UCTE-Systems liegen, ... "

    UCTE ist der Westeuropäische Stromverbund. Er reicht von Spanien bis nach Deutschland und bildet ein großes Stromnetz.

    "... wir liegen am Rande des Systems und sind mit Gleichstromverbindungen, die sehr schnell regelbar sind in beide Richtungen mit wasserbasierten Nachbarn verbunden. Das ist äußerst praktisch. "

    " ... - siebzig Prozent des Verbrauchs können wir importieren, und 40 Prozent der Erzeugung können wir exportieren, also das sind schon wirklich - starke Größenordungen."

    Was Antje Orths damit sagen will: Drehen sich die Windräder in Dänemark zu rasant, schicken die Jütländer den Strom so schnell wie möglich zu den Nachbarn. Erzeugen die Windräder zu wenig, muss Dänemark Strom im großen Stil importieren. Diese Strommengen kann es hin- und herschicken, weil es Stromkabel im Inland und ins Ausland gebaut hat, die sehr schnell sehr viel Strom hin- oder her transportieren können.

    Das war also die Antwort auf meine Frage: Die Dänen haben leistungsfähige Stromleitungen gebaut. Damit der Windstrom schnell wegfließen kann.

    Nun - Ich dachte immer, so etwas hätten wir in Deutschland auch. Immerhin fällt der Strom hierzulande im Jahr nur 20 Minuten lang aus. Das ist Weltrekord.

    Ich fragte also Klaus Kleinekorte nach dem deutschen Netz. Die Stromnetze sind ein eigener Geschäftsbereich bei den Energieversorgern - und Kleinekorte hatte bevor er Technischer Geschäftsführer der RWE Transportnetz Strom GmbH wurde viele Jahre lang in der Zentrale gearbeitet, von der aus das deutsche Stromnetz gesteuert wird: in der Schaltwarte Brauweiler. Wenn also jemand Bescheid wußte, dann Kleinekorte.

    " ... wir als Netzbetreiber müssen auch viel darüber reden, dass es immer wieder zu Engpässen in der Energieversorgung kommt. Und ich würd aus meiner Sicht, als Übertragungsnetzbetreiber ( ... ) gerne darauf hin weisen, dass diese Engpässe, die wir heute haben, dass die Folge sind der anderen Nutzung unseres Transportnetzes. "

    Wenn Klaus Kleinekorte von einem Engpass spricht, muss etwas faul sein im deutschen Stromnetz. Und das sieht nicht nur er so. Auch Wolfgang Glaunsinger ist dieser Meinung. Er leitet die Energietechnische Gesellschaft im VDE, dem Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. Beide sehen das Problem in den Höchstspannungsleitungen, die den Strom über weite Strecken tragen.

    " ... vielleicht vergleichbar mit unserem Straßennetz. Da gibt's ja auch die europaweiten Fernautobahnen, ... "

    Und da hat sich gegenüber früher etwas verändert?

    "In der Vergangenheit wurde dieses Verbundnetz eingerichtet, um die großen Kraftwerke miteinander zu verbinden und um gegenseitige Reservevorhaltung für diese großen Erzeugungseinheiten zu liefern. "

    Das ist Wolfgang Glaunsinger.

    "Heute hat das Übertragungsnetz andere oder zusätzliche Aufgaben erhalten, denn wir haben seit der Liberalisierung den Stromhandel, und mit dem Stromhandel werden große Leistungstransite über das europäische Transportnetz transferiert. Dafür ist dieses Netz eigentlich nicht gebaut und das führt eben auch heute dazu, dass immer wieder Probleme auftreten. "

    Und dann nannte Glaunsinger ein Beispiel:

    "Das ursprüngliche System, und zum Teil ist das heute auch noch so aufgebaut, war lastnah "

    Lastnah heißt: Die Kraftwerke standen da, wo der Strom gebraucht wurde.

    "Man sprach so von fünfzig, siebzig Kilometer Entfernung zwischen Erzeugungspunkt und Lastpunkt. ( ... )
    Jetzt haben wir eine Situation, in der Erzeugungsleistung vielleicht in Holland eingespeist wird, weil ein holländischer Händler ein Geschäft mit einem Verbraucher in Tschechien vereinbart hat, und dieser Strom verteilt sich dann nicht auf den direkten Weg zwischen Holland und Tschechien, sondern er belastet viele Netze, also er teilt sich auf über das französische Netz, über das Netz in Deutschland, geht über die Schweiz, Österreich, vielleicht noch nach Italien, bis dann in Tschechien dieser Strom ankommt. Das erfordert Kapazitäten, die so bei der ursprünglichen Konzeption des Netzes nicht geplant waren. "

    Denn niemand kann vorhersagen, wo der Strom lang fließen wird. In Dänemark tauchen solche unvorhersagbaren Stromspitzen übrigens nicht auf - dank seiner Randlage: Das Land liegt genau zwischen dem Westeuropäischen und dem Nordeuropäischen Stromverbund. In Deutschland, Holland oder Belgien machen den Ingenieuren diese unerwarteten Stromspitzen allerdings Sorgen.

    "Die Leitungen, die wir haben, die haben eine gewisse Stromtransportfähigkeit. Und wenn wir dann zu viele Quellen an einer Stelle haben, würden wir die Leitungen überlasten.

    Leitungsbrummen, wird langsam lauter - oder höher.
    Unterlegen bis zum Abschalten.

    ... - so war das ja auch am 4.November - Sie haben eine Leitung, die immer stärker belastet wird ...

    ... - if the small needle here is in a vertical position, it means that it is 100 per cent loaded -

    ... und dann müssen sie diese Leitung entweder entlasten, damit sie innerhalb dieser zulässigen Bandbreite fahren können, oder die Schutzeinrichtung dieser Leitung schaltet die Leitung ab.

    Einspielung Stromausfall in der tagesschau
    Beim Boxkampf im Schwergewicht saßen die Zuschauer plötzlich im Dunkeln. Das Licht ging aus, und der Strom war weg.

    Denn - ... was passiert denn, wenn man die Leitung nicht abschaltet. Wenn sie über ihren thermischen Grenzwert hinaus belastet wird. Dann werden die Durchhänge dieser Leitung immer größer, das heißt, die Leitung nähert sich immer mehr dem Erdboden und wird damit ein Sicherheitsrisiko.

    Wenn sich diese Entwicklungen - immer mehr Stromhandel und immer mehr Windenergieeinspeisung so in der Zukunft fortsetzen werden und wir keine Maßnahmen in den Netzen ergreifen, wird das zu einer Verschlechterung der Versorgungsqualität führen. "

    Und das heißt wohl: mehr Stromausfälle. Weil Stromhandel und Windstrom die Kabel überlasten. Sagen Wolfgang Glaunsinger und Klaus Kleinekorte. Und was schlagen sie vor?

    "Fangen wir mal an bei der Integration der Windenergieanlagen. Da hat ja die DENA, also die Deutsche Energie-Agentur eine Studie durchgeführt, also wie kann man künftig die Windenergieanlagen integrieren, ...

    ... wobei wir davon ausgegangen sind, dass wir 20 Prozent, also das Ziel, was sich die Bundesregierung gesetzt hat, erreichen. "

    Das ist Stefan Kohler, der Geschäftsführer der DENA.

    " ... 20 Prozent regenerative Energiequellen heißt dann, im konkreten Fall, zum Beispiel 10.000 Megawatt Offshore-Energieparks, und das Ergebnis dieser Studie ist, dass zur Intergration dieser Strommenge 850 Kilometer neue 380 kv Stromleitungen gebaut werden müssen.

    Das ist schon ein Wort.

    ... insbesondere die Trassen, von der Küste rein ins Ruhrgebiet aber auch natürlich über die Strecke zum Beispiel Hamburg Hannover Rhein Richtung Süden, also sprich: Richtung Bayern, und die Verbundleitungen in Ostdeutschland, also zum Beispiel eine Verbundleitung von Thüringen nach Bayern um den Strom aus dem Norden in die Lastschwerpunkte zu bringen.

    ... man kann andersrum sagen, wenn wir diese starken übertragungsnetze nicht bekommen, wird es auch nichts mit den hohen Anteilen der erneuerbaren Energien. "

    Der Ausbau des heutigen Höchstspannungsnetzes ist also ein Teil der Lösung. Darüber hinaus haben Ingenieure aber auch andere Ideen. Eine davon kommt aus Kassel und dort besuchte ich Jürgen Schmid, den Leiter des unabhängigen Instituts für Solare Energiesysteme ISET.

    An der Nordsee, sagt Schmid, oder auf dem Harz mag die Windstärke schwanken, nicht aber, wenn man ganz Europa betrachtet:

    "Die Windenergie europaweit verteilt hat ein sehr, sehr gleichmäßiges Leistungsangebot, das wesentlich gleichmäßiger ist, als die Schwankungen in der Verbraucherstruktur. "

    Und wenn der Wind europaweit schon gleichmäßig bläst, dann muss man die Anlagen eben europaweit besser verknüpfen, fordert Schmid.

    "Wir brauchen sehr viel leistungsfähigere Stromnetze als wir das heute haben,

    Der Ausbau der 380 KV Leitungen kann einen Teil dazu beitragen, ich erwarte allerdings, dass wir mit neuen Technologien, so genannten Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen besser arbeiten können über große Entfernungen, weil damit die Verluste kleiner und die Übertragungskapazitäten größer werden. "

    Einzelne Gleichstrom-Leitungen würden schon seit einigen Jahren gezogen, erzählt Jürgen Schmid, etwa zwischen Norwegen und Dänemark, Holland oder Deutschland. Er wolle aber weiter gehen und die Leitungen vom Mittelmeer durch die Biskaya, den Ärmelkanal und die Nordsee bis nach Norwegen verlegen. Ein Super-Netz, das den Windstrom überall dorthin trägt, wo er gebraucht wird.
    Der Aufwand könnte sich lohnen ...

    " ... vor allem auch deshalb, weil wir in diesem Szenario die enormen Speicherwasserkraftwerke in Skandinavien, speziell in Norwegen mit einbeziehen müssen, "

    Von diesen Speichern hatte ich schon gehört. Das sind Stauseen, die mit Hilfe von Elektropumpen gefüllt werden. Ist zuviel Strom im Netz, wird Wasser mithilfe des Stroms nach oben in den See gepumpt. Ist zu wenig im Netz, lassen die Energieversorger das Wasser wieder ab - und erzeugen dabei über Wasserräder Strom.

    "Also wenn wir das Hochleistungs-Übertragungsnetz hätten, in der Form, wie es benötigt wird, bräuchten wir nach meiner Einschätzung keine weiteren Speicher,

    diese Leistungen dort sind so groß, dass sie ganz Europa für etwa vier Wochen mit Strom versorgen könnten, und schon das zeigt, wie viel Möglichkeiten zum Ausgleich durch diese Einrichtung vorhanden sind. "

    Und welchen Anteil am Stromkuchen könnte Wind dank eines solchen Super-Netzes liefern?

    "Man wird etwa in die Bereiche 20, 30 Prozent, vierzig Prozent im Extremfall gehen können, "

    Jürgen Schmid ist sich seiner Sache sicher. So sicher, dass er empfiehlt, für diese 30 Prozent keine Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke als Sicherheit zu bauen. Ohne die geht bis jetzt aber gar nichts - auch nicht in Dänemark.
    Die Arbeit von Nils und Lotte würde erheblich einfacher. Sie müssten nicht mehr die Windenergieanzeige im Auge behalten, sondern würden von dem Super-Kabel immer die gleiche Menge Windstrom geliefert bekommen.
    Eine schöne Vision. Findet auch Antje Orths von Energinet.dk

    "
    Die Idee ist sicherlich sehr spannend, und wir verfolgen das auch interessiert,
    aber das ist, wie gesagt, grad so auf vorderstem Forschungsniveau, bis zur Umsetzung, und bis bei uns der Auftrag kommt, jetzt bauen wir da einen Mast oder legen da ein Kabel, da wird sicherlich noch viel Zeit vergehen, aber wir sind an der Diskussion beteiligt und verfolgen das auch weiter. "

    Auch andere finden die Idee gut. In Deutschland etwa die EnBW. In Irland Airtricity. Ein Windfarmbetreiber. Die wollen schon nächstes Jahr einen Off-Shore-Windpark vor der Themse-Mündung per Gleichstrom mit England, den Niederlanden und Deutschland verbinden. Das könnte der Kern für ein solches Europa-Netz werden. Wann das Kabel fertig ist? Dazu konnte noch niemand etwas sagen. Nur so viel: 20 Milliarden Euro soll es kosten. Das Geld aufzubringen, dürfte ohne EU schwer werden - und die müssen die Iren erst einmal für das Projekt begeistern.
    Unterdessen denken die Dänen darüber nach, ihr konventionelles Stromnetz noch weiter zu verbessern.

    "Wir hatten vor einigen Jahren den Fall, dass im Süden Dänemarks ein Fehler im Hochspannungsnetz gewesen ist, woraufhin im Norden Dänemarks einige Blockheizkraftwerke ausgefallen sind, was wir uns erst einmal nicht erklären konnten, und aus dieser Geschichte ist dann entstanden, dass man sich auch auf untergeordneten Spannungsebenen kümmern muss, "

    Und dann erzählte sie mir, wie das Unternehmen solche Vorfälle künftig vermeiden will: Mit Hilfe von Smart Grids - klugen, kleinen Stromnetzen, die auch ohne die Stromautobahn die Balance halten zwischen Verbrauch und Erzeugung. Wie die aussehen sollen, habe ich mir dann auch gleich in Dänemark angesehen - im Energieforschungszentrum Risoe bei Kopenhagen.

    "Yeah, this used to be the turbine-hall, so when Risoe started it's activties in Windenergy in the seventies "

    Oliver Gehrke. Dokotorand am Energieforschungszentrum in Risoe. Zusammen mit Hendrik Bindner führt er mich in die Zentrale von Syslab.

    "Yeah - should we get inside? Because it's a little bit windy ... Türöffenen, leises gehen. "

    Eine Halle - sechseckig, voller Computer, Kabel, Werkzeug und Gerümpel.

    "Yes, here we are at one of the location of Syslab. Here at this switchboard we can connect two windturbines, a diesel "

    Hendrik Bindner leitet das Projekt. Er zeigt auf große Schränke mit Schaltern und Anzeigen. Von hier aus können die Komponenten von Syslab ein- und ausgeschaltet werden: Zwei Windräder, ein Motor und ein großer, regelbarer Widerstand.

    "The idea is - or the vision is, that ideally there should be no central control at all in the end ..."

    Die Idee ist, dass sich alle Komponenten dezentral selbst verwalten, sagt Oliver Gehrke. Untereinander austauschen wieviel sie erzeugen, verbrauchen und dann gemeinsam das Netz steuern.

    "What can I see here? ...
    You can see the two wind-turbine, connected to the grid "...

    Im Augenblick liefern die Windräder den Strom an das landesweite Netz. Das zeigen die Instrumente auf den Schaltschränken.

    Noch arbeitet Syslab nicht wirklich. Bald schon soll es jedoch eine kleine Bürobaracke versorgen - natürlich eine besondere

    "Maybe we should have a look. - Yeah "

    Ein Hybridauto.

    "This also serves a certain purpose because we would like to experiment with the possibilities "

    Das Hybridauto gehört auch zum Experiment: Die große Batterie soll mit ans Netz angeschlossen werden. Und dann kann der Fahrer dem Stromnetz quasi sagen: Von Mitternacht bis sechs brauche ich das Auto nicht. Da kannst du die Batterie nutzen, um Stromschwankungen auszugleichen. Nur am Morgen muss die Batterie geladen sein.

    " ... so just in the morning it would charge it full, so that you can commute again;"

    Die Bürobaracke. Es wird gebaut.
    "Since it's the only building in Risoe that is not on district heating, so it's the only one which has electric heating."

    Diese alte Baracke ist das einzige Haus in Risoe, das nicht an einer Fernwärmeleitung hängt. Es hat stattdessen eine Stromheizung. Das macht es für die Forscher ideal: Sie haben alle Räume mit Sensoren gepflastert und alle elektrischen Verbraucher mit Fernsteuerungen versehen.

    "Each room will have a screen on the wall, where you can enter a policy for the room, so the user can set a certain policy like: I allow you to increase the temperature by one degree celcius, because I don't care "

    In jedem der acht Büroräume soll noch ein kleiner Kontroll-Bildschirm installiert werden. Mit seiner Hilfe können die Benutzer der Büros ein flexibles Profil bestimmen. Zum Beispiel für die Heizung: Soll die 20 Grad halten, könnte der Benutzer ihr einen Spielraum von 19 bis 21 Grad geben. Weht mehr Wind als Strom verbraucht wird, könnte das intelligente Netz dann die Büros etwas mehr heizen. Und umgekehrt die Räume etwas auskühlen lassen, wenn Wind fehlt.

    "Yeah, we call it virtual storage, because you cannot get power out of it when you need it, but you can only."

    Oliver Gehrke und Hendrik Bindner nennen das einen "Virtuellen Speicher.” Weil das System nur Energie aufnehmen kann, aber nicht wieder frei setzen.

    "Yeah, we are - in a few months from now, May I think is the latest date of the shipment we will get what is called a vanadium reddox flow battery "

    Einen richtigen Energiespeicher soll Syslab auch bekommen. Eine Reddox Flow Batterie. Die ist zwar noch nicht da, die Halle aber gibt es bereits - dort hat bis vor kurzem der älteste Atomreaktor Dänemarks gestanden.

    " ... it was Denmarks first reactor, which was build 1956/1957, I think, and - Hendrik Bindner:
    Yeah, maybe we should go and have a look at that building, because it is an interesting building to look at. "

    Das alte Reaktorhaus. Klein ist es, der Parkplatz davor leer.

    Leer ist auch die Halle. In der Mitte ein Loch.

    "This is a large Halle, and what you can see in the middle here what makes it different from most toher large halls in the world ist that there is a huge hole in the floor, where the concrete has scraped of, "

    Hier hat der Reaktor gestanden. Zwei Kilowatt - ein Winzling.

    " ... now it has been decomissiond, and for us it is ideal ... The vanadium battery will be over here, it will be seven by seven meter the containment where we will have the two eight cubicmeter tanks as well as the cell stack "

    Die Batterie wird dort hinten in der Ecke stehen - Die Reddox Flow-Technologie kommt gerade auf den Markt. Sie ist effizienter als Wasserstoff-Brennstoffzellen und zuverlässiger als eine konventionelle Batterie.

    " ... go back to your offices? Yeah - Türenschlagen - Fahrt, ende.

    Wir versprechen uns von lokalen Netzen größere Versorgungssicherheit, wenn der Strom ausfällt - die lokalen Netze können sich dann abklemmen, eine Zeitlang selbst versorgen, und der Verbraucher merkt nichts. "

    Energieversorgung vor Ort - unabhängig von den Stromriesen. Damit will Dänemark sein Stromnetz noch sicherer machen. Ähnliche Projekte gibt es in Deutschland. In der Regel aber nicht von Stromnetzbetreibern. Die müssen erst einmal ihre Netze ausbauen, um auf den Dänischen Stand zu kommen. Das kann aber dauern. Bis zu 10 Jahre von der Idee bis zum fertigen Mast. Am längsten dauern die Anhörungen und Einsprüche der Anwohner vor Ort gegen neue Stromleitungen. Das soll anders werden: Die Bundesregierung hat im November 2006 ein Beschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht.

    "Wir sind jetzt bereits aktiv daran, und hier kann ich das für mein Unternehmen einmal sagen, "

    Klaus Kleinekorte von der RWE Transportnetz Strom GmbH

    "wir sind jetzt aktiv daran, ein Genehmigungsverfahren behördlicherseits jetzt umzusetzen, dass wir die Kupplungsleitungen vom Eon-Gebiet im Norden zu unserem RWE-Transportnetz verstärken ( ... ) eine Baumaßnahme, die Sie als notwendige Maßnahme in der DENA-Studie nachlesen können. "

    Trotzdem nagen Zweifel. 1,1 Milliarden Euro würde der Ausbau kosten. Auf zehn Jahre gestreckt im Schnitt 110 Millionen Euro jedes Jahr. Schreibt die DENA. Das ist nicht viel, dachte ich.
    Doch werden das die großen Stromkonzerne wirklich ausgeben? In den letzten Jahren haben sie ihre Netze eher stiefmütterlich behandelt. Seit es den Strommarkt gibt, sagen die Kritiker. 2007 sind zweieinhalb Milliarden Euro für die Pflege der Netze eingeplant - das ist gerade genug, um den Status-Quo zu halten.

    In Dänemark gehören die Kabel dem Staat. In Deutschland dagegen nach wie vor den Stromkonzernen. Keine gute Ausgangslage, meint Jürgen Schmid:

    "Das ist zwar gut gemeint, kann aber so in der Praxis nicht funktionieren, weil die Eigentümer der Stromnetze auch die Eigentümer der Kraftwerke sind, und da gibt es unvermeidlich Interessenkonflikte, die auf diese Art kaum zu lösen sind."