Man betritt einen Raum mit tausend Uhren; oder vielmehr einen Raum, der ausschließlich aus Uhren besteht. Sie sehen alle gleich aus, weiß mit schwarzen Zeigern, und sie bilden ein klinisch farbloses Zimmer, in dem man sich absurderweise merkwürdig zeitenthoben fühlt. Die Zeit ist zu Raum geworden, irgendwie schwerelos; weltraumhaft, nur manchmal, im Minutentakt, gehen mit einem Ruck die Zeiger weiter.
Natürlich ist das ein idealer Raum für eine Tanzperformance, und in der Tat werden demnächst einige Tänzerinnen der Forsythe-Company diese Installation bespielen. Richard Jackson hat sie sich ausgedacht; fünf Jahre hat er benötigt, um die Mechaniken der tausend Uhren zusammenzubauen - und er hat dabei also genügend Zeit gehabt, über die Zeit nachzudenken und deren Verrinnen zu beobachten.
<im_34710>BALLERINA IN A WHIRLPOOL (ACHTUNG NUR BIS 19.November)</im_34710>Dasselbe passiert nun auch dem Museumsbesucher, oder vielmehr: Es kann ihm passieren, wenn er sich auf dieses Gefühl der Enthobenheit einlässt. Andererseits ist der Zuschauer in der Baden-Badener Kunsthalle durchaus aufgefordert, sich zu bewegen, sich den kreiselnden Bewegungen der Ausstellung zu überlassen und seinen jeweiligen Standpunkt immer neu zu überdenken und zu verändern.
"Ballerina in a Whirlpool" heißt die Schau, nach einer weiteren Installation des Kaliforniers Richard Jackson. Auf der offenen Trommel einer Waschmaschine der Marke "Whirlpool", was zu deutsch "Strudel" heißt, ist die Polyester-Skulptur einer Ballerina im Tütü montiert, welche mit Motorenkraft nun sofort das Rotieren beginnen könnte. Tut sie aber nicht, die Bewegung bleibt pure Potentialität. Mit gutem Grund: über ein Leitungssystem würde automatisch Farbe auf die Tänzerin herabtröpfeln und durch den Rotations-Schub in alle Winkel des Museumsraums gespritzt werden, also auch auf die Betrachter. Das will man das doch nicht: die Installation bleibt ein uneingelöstes Versprechen - oder eine nicht wahrgemachte Drohung.
Waschmaschine, Wunschmaschine, Malmaschine, Spritzmaschine: die Drehbewegung, das Kreiseln und Suchen bleibt das Hauptmotiv dieser Ausstellung, die, von Michaela Unterdörfer und Fritz Emslander kuratiert, gänzlich aus Werken der Sammlung Hauser und Wirth besteht. Dass ein öffentliches Museum sich hier auf eine einzige Sammlung von Gegenwartskunst verlässt, zeigt deren Qualität; dass man aus dieser Sammlung dann unterschiedliche Künstler unter dem Motiv des Kreiselns zueinander in Beziehung setzen kann, zeigt eine vielleicht unbewusste Systematik der Sammler. Das Schweizer Kunsthändler-Familienunternehmen Hauser und Wirth sammelt Werke, die erst im Entstehen begriffen sind, natürlich von ausgewählten Künstlern.
In Baden-Baden sind dies Isa Genzken mit friesartig die Räume umlaufenden kleinen Fotos und Fotocollagen, oft montiert aus Zeitschriftenbildern und Agenturmaterial, an die man nah herangehen muss, die Räume - wiederum - im Kreis abschreitend. Vertreten ist weiter die Amerikanerin Diana Thater mit zwei Video-Installationen, die den gesamten Raum in eine Projektionsfläche oder auch in eine Monitoring-Zelle verwandeln. Beide zeigen zeitversetzte Szenen mit dressierten Wölfen, Mensch und Tier in einer unwirklichen, frostigen Umgebung, mit dem Video-Beamer an die Wände geworfen, auf denen sich die Schatten der Museumsbesucher bewegen.
Das Verhältnis von Kunst und Natur wird dann von dem Schweizer Künstler Roman Signer auf die Spitze getrieben: Seine im Vierwaldstätter See versenkten Tonnen werden von der Materie selbst, vom Wasserdruck, verändert und deformiert. "Wanderung in die Tiefe" hieß die (hier dokumentierte) Aktion. In einem weiteren Raum lässt Signer die bildhauerische Arbeit von Schwerkraft und Zufall verrichten: eine blaue Tonne pflügt eine Schneise in einen japanisch anmutenden dichten Wald dünner Holzstäbe - Op-Art plus Blechboje. Schließlich verknüpft Signer Kunst- und Realraum: der Zuschauer gerät ins Schussfeld eines Sportschützen, der auf einem Monitor sein Gewehr anlegt - und dann den Luftballon auf dem Gegenmonitor trifft.
Von Richard Jacksons minimalistischem Kubus der tausend Uhren bis zu den bedrohlichen Video-Kulissen der Diana Thater wird der Betrachter also gefordert und herausgefordert - die Wölfe sind unter uns, und die Zeit steht still.
Natürlich ist das ein idealer Raum für eine Tanzperformance, und in der Tat werden demnächst einige Tänzerinnen der Forsythe-Company diese Installation bespielen. Richard Jackson hat sie sich ausgedacht; fünf Jahre hat er benötigt, um die Mechaniken der tausend Uhren zusammenzubauen - und er hat dabei also genügend Zeit gehabt, über die Zeit nachzudenken und deren Verrinnen zu beobachten.
<im_34710>BALLERINA IN A WHIRLPOOL (ACHTUNG NUR BIS 19.November)</im_34710>Dasselbe passiert nun auch dem Museumsbesucher, oder vielmehr: Es kann ihm passieren, wenn er sich auf dieses Gefühl der Enthobenheit einlässt. Andererseits ist der Zuschauer in der Baden-Badener Kunsthalle durchaus aufgefordert, sich zu bewegen, sich den kreiselnden Bewegungen der Ausstellung zu überlassen und seinen jeweiligen Standpunkt immer neu zu überdenken und zu verändern.
"Ballerina in a Whirlpool" heißt die Schau, nach einer weiteren Installation des Kaliforniers Richard Jackson. Auf der offenen Trommel einer Waschmaschine der Marke "Whirlpool", was zu deutsch "Strudel" heißt, ist die Polyester-Skulptur einer Ballerina im Tütü montiert, welche mit Motorenkraft nun sofort das Rotieren beginnen könnte. Tut sie aber nicht, die Bewegung bleibt pure Potentialität. Mit gutem Grund: über ein Leitungssystem würde automatisch Farbe auf die Tänzerin herabtröpfeln und durch den Rotations-Schub in alle Winkel des Museumsraums gespritzt werden, also auch auf die Betrachter. Das will man das doch nicht: die Installation bleibt ein uneingelöstes Versprechen - oder eine nicht wahrgemachte Drohung.
Waschmaschine, Wunschmaschine, Malmaschine, Spritzmaschine: die Drehbewegung, das Kreiseln und Suchen bleibt das Hauptmotiv dieser Ausstellung, die, von Michaela Unterdörfer und Fritz Emslander kuratiert, gänzlich aus Werken der Sammlung Hauser und Wirth besteht. Dass ein öffentliches Museum sich hier auf eine einzige Sammlung von Gegenwartskunst verlässt, zeigt deren Qualität; dass man aus dieser Sammlung dann unterschiedliche Künstler unter dem Motiv des Kreiselns zueinander in Beziehung setzen kann, zeigt eine vielleicht unbewusste Systematik der Sammler. Das Schweizer Kunsthändler-Familienunternehmen Hauser und Wirth sammelt Werke, die erst im Entstehen begriffen sind, natürlich von ausgewählten Künstlern.
In Baden-Baden sind dies Isa Genzken mit friesartig die Räume umlaufenden kleinen Fotos und Fotocollagen, oft montiert aus Zeitschriftenbildern und Agenturmaterial, an die man nah herangehen muss, die Räume - wiederum - im Kreis abschreitend. Vertreten ist weiter die Amerikanerin Diana Thater mit zwei Video-Installationen, die den gesamten Raum in eine Projektionsfläche oder auch in eine Monitoring-Zelle verwandeln. Beide zeigen zeitversetzte Szenen mit dressierten Wölfen, Mensch und Tier in einer unwirklichen, frostigen Umgebung, mit dem Video-Beamer an die Wände geworfen, auf denen sich die Schatten der Museumsbesucher bewegen.
Das Verhältnis von Kunst und Natur wird dann von dem Schweizer Künstler Roman Signer auf die Spitze getrieben: Seine im Vierwaldstätter See versenkten Tonnen werden von der Materie selbst, vom Wasserdruck, verändert und deformiert. "Wanderung in die Tiefe" hieß die (hier dokumentierte) Aktion. In einem weiteren Raum lässt Signer die bildhauerische Arbeit von Schwerkraft und Zufall verrichten: eine blaue Tonne pflügt eine Schneise in einen japanisch anmutenden dichten Wald dünner Holzstäbe - Op-Art plus Blechboje. Schließlich verknüpft Signer Kunst- und Realraum: der Zuschauer gerät ins Schussfeld eines Sportschützen, der auf einem Monitor sein Gewehr anlegt - und dann den Luftballon auf dem Gegenmonitor trifft.
Von Richard Jacksons minimalistischem Kubus der tausend Uhren bis zu den bedrohlichen Video-Kulissen der Diana Thater wird der Betrachter also gefordert und herausgefordert - die Wölfe sind unter uns, und die Zeit steht still.