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Ballons, die sich selber flicken

Technik. - Jedes Kind weiß, dass ein aufgeschlagenes Knie bald wieder heilt. Auch bei Bäumen sieht man nach Verletzungen Narben. Damit wir aber nicht verbluten, oder eine Pflanze ihren ganzen Saft bei einer Verletzung verliert, muss es auch eine Art Schnellreparatur geben. Wie die funktioniert, wurde im Kompetenznetzwerk Biomimetic erforscht.

Von Carl-Josef Kutzbach |
    Im Botanischen Garten der Universität Freiburg rankt sich neben einem Weg eine Liane mit handgroßen herzförmigen Blättern um einen Pfosten. Sie erinnert ein wenig an eine übergroße Ackerwinde. Die Biologin Dr. Olga Speck von der Arbeitsgruppe pflanzliche Biomechanik hat an der aus dem Mittelmeerraum stammenden Pflanze untersucht, wie die Verletzungen selbst reparieren kann:

    " Hier haben wir eine Liane. Und diese Osterluzei, oder Aristolochia ist eine unserer liebsten Versuchspflanzen. Die Pflanzen sind Ideengeber für die Selbstreparatur und was wir dort gelernt haben, konnten wir auch auf technische Materialien übertragen."

    Lianen und ähnliche Klettergewächse wachsen anfangs wie junge Bäume in die Höhe. Nur die vorderste Spitze ist weich und tastet mit Drehbewegungen nach einem Halt. Erst wenn sie eine andere Pflanze berühren, fangen sie an sich um diese zu wickeln. Die notwendige Festigkeit für das in die Höhe wachsen, spiegelt sich im Querschnitt:

    " Wenn wir die aufschneiden sieht man im Querschnitt einen festigenden Ring. Dieser festigende Ring ist dafür zuständig, dass diese Pflanze aufrecht stehen kann und zwar so lange, bis sie einen Trägerbaum gefunden hat, dann wird sie erst zur Liane."

    Was unter dem Mikroskop als Ring erscheint ist in Wirklichkeit ein Querschnitt der Wand des Röhrenförmigen Stängels. Diese verholzte Schicht ist bei der jungen Pflanze sozusagen das Skelett. Sobald die Schlingpflanze einen Halt gefunden hat, wird sie dicker und braucht diese Stütze nur noch als Schutz der weicheren inneren Zellen gegen Beschädigungen von außen. Da aber die Stängel dicker werden und diese verholzte Schicht nicht mehr wachsen kann, wird sie von Innen gesprengt und es treten Risse auf:

    " Das ist bei der Pflanze sozusagen im Bauplan schon vorgesehen. Und diese Risse werden dann anschließend natürlich repariert."

    Um diesen Reparaturmechanismus zu verstehen, untersuchte Olga Speck so viele Schnitte unter dem Mikroskop, bis sie den Vorgang wie in einem Film Bild für Bild betrachten konnte. Die stabilisierende Schicht besteht aus dickwandigen verholzten Zellen. Die innerhalb davon liegenden weicheren Zellen sind mit einer Flüssigkeit gefüllt, die unter Druck steht, - wie ein mit Wasser gefüllter Luftballon.

    " An der Stelle, wo so ein Riss erscheint, passiert dann Folgendes, dass diese dünnwandigen Zellen, die unter einem Innendruck stehen, in diesen Riss rein quellen und sozusagen eine schnelle Selbstreparatur machen, oder eine schnelle Wundversiegelung."

    Diese Zellen sehen unter dem Mikroskop wie Schaum aus. Daher lag es nahe diese Art der Selbstreparatur mit Schaum nachzuahmen.

    " Und da haben wir dann nach einem entsprechenden Schaum gesucht, haben ihn dann auch entsprechend modifiziert und konnten tatsächlich eine Beschichtung finden, wo wir sehr gute Reparaturfaktoren festgestellt haben."

    Im Labor zeigt Olga Speck eine selbst entwickelte Testapparatur. Das auf der Unterseite mit Schaum beschichtete Gewebe wird über das eine Ende eines Rohres gespannt. Dann wird das andere Ende verschlossen und Luft hinein gepumpt. Nun sticht sie hinein...

    Es hat nur ganz kurz Pfft gemacht und schon ist das Loch wieder dicht.

    " Wir sind im Moment so weit, dass wir Löcher mit fünf Millimeter sehr gut reparieren können. Natürlich versuchen wir jetzt noch größere Löcher zu testen, das wissen wir noch nicht genau, das sind wir noch mitten drin. Aber fünf Millimeter, das klappt schon sehr gut."

    Nur sehr lange, große Risse sind so nicht zu reparieren. Die machen auch Pflanzen Schwierigkeiten. - Zur Zeit prüft Olga Speck, wie lange die Reparatur hält, also der Schaum das Loch dicht verschließt.

    " Unser Endziel wäre, dass der Schaum eine ähnliche mechanische Eigenschaft bekommt, wie die Membran, so dass wir also eine wirkliche mechanische Reparatur haben am Schluss."

    Bei Pflanzen leistet dieser Vorgang nur Erste Hilfe; später wachsen an einer verletzten Stelle auch wieder neue Zellen. Aber selbst wenn der Schaum ebenfalls das Loch nur solange verschließt, bis man einen Flicken drauf setzen kann, wäre das Verfahren nützlich. Etwa bei Schlauchbooten, Schläuchen oder Ballonhüllen und den Dächern aufblasbarer Hallen.