Mittwoch, 24. April 2024

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Bamberg
Ein kulturelles Sammelsurium

In Bamberg hat sich über die Jahrhunderte viel angesammelt aus der deutschen Kunst- und Kulturgeschichte. Bekannt ist die Stadt zum Beispiel für ihr Bier. Den Weinbau aber hat man aufgegeben: Der Wein war zu sauer.

Von Claudia Kalusky | 20.07.2014
    Das Alte Rathaus von Bamberg, der Brückenturm, steht mitten im Wasser auf 2.000 Eichenstämmen.
    Das Alte Rathaus von Bamberg, der Brückenturm, steht mitten im Wasser auf 2.000 Eichenstämmen. (Claudia Kalusky)
    "Häcker sagt man in Franken zu den Winzern, das kommt vom Aufhacken der Weinberge, allerdings haben wir in um und Bamberg herum Mitte des 19. Jahrhunderts den Weinbau einstellen müssen, wir haben nur Wendewein produziert."
    Wendewein war so säurehaltig, dass man sich nach seinem Genuss ständig im Bett umdrehen musste, damit er kein Loch in die Magenwand brennt, heißt es. Gärtnerstadt ist Bamberg bis heute deswegen, da sich hier innerhalb des Stadtgebietes rund 40 Gärtnereien befinden. Ziemlich außergewöhnlich für eine Kleinstadt!
    "Bamberg ist so klein, dass man sich kennt, aber Gott sei Dank schon zu groß, dass man sich permanent das Maul übereinander zerreißt."
    Bei dem herrlich pittoresken Stadtbild hat man auch wahrlich anderes zu tun. Mein Spaziergang mit der Kunsthistorikerin Dr. Christine Wonka beginnt bei den Gerberhäusern an der Regnitz.
    Im Mittelalter diente der Fluss vielen Berufsständen als Lebensquelle. Unter ihnen die Gerber, deren ehemalige Häuser immer noch am Ufer des Flusses stehen. Es gab die armen Rot- und die reichen Weißgerber, die edles Lamm-, Kalbs- oder Wildleder verarbeiteten.
    "Und zwar in einer besonders ekelhaften Verfahrensweise. Die grünen Häute, so nennt man Tierhäute wo noch Fleischreste, Haare dran sind, die wurden in diesen Häusern im Keller in Bottiche eingelegt und zwar in tierische Hirne und Fette und da ließ man sie drin liegen und man ließ sie drin liegen und Man ließ sie drin liegen, bis sie eine eigene Demokratie bilden konnten, sag ich immer, also ein Verwesungsvorgang, es hat grauenvoll gestunken, aber das Endergebnis ist hervorragend, man nennt dieses Leder sämisch."
    Der Freiheitsgedanke ist in den Genen
    Eine echt bayerische Krachlederne, also a Lederhosn, die weiter südlich getragen wird, muss übrigens Hirsch-sämisch sein, so glaubte es Frau Wonka zumindest bis vor kurzem.
    "Neulich hat ich Bayern hier stehen, die ham mich entgeistert angeguckt.
    Hab ich gesagt, wie jetzt, aus was macht ihr denn eure Lederhosen.
    Sagt einer, na hörn sie mal, so viel Hirschen wie wir bräuchten für unsere Lederhosen, gibt’s auf der ganzen Welt net. Ja und aus was?
    Da sagt der Springbock, Südafrika! Für mich ist eine Illusionsblase geplatzt, seither seh ich die Bayern immer in Springbock rumspringen."
    Der Franke an sich, sieht sich –wie gehört - nicht als Bayer, das wär ja noch schöner!
    Der Ausspruch „frank und frei“ kommt keineswegs von ungefähr.
    "Der Freiheitsgedanke, ich glaub das ist in den Genen."
    Auch der fränkische Dialekt ist eigen. So wird das g als ch und das t als d gesprochen. Das klingt dann ungefähr so: Bamberch is a Draum von einem Städla, gell!? Gell: unbedingt wichtig, als am Satzende anhängende Bestätigung!
    Das Wappen des Brauhauses Schlenkerla in Bamberg
    Das Wappen des Brauhauses Schlenkerla in Bamberg (Claudia Kalusky)
    Bestätigter Spitzenreiter unter den Bambercher Postkartenmotiven ist das über der Regnitz gelegene Rathaus, in dem jetzt ein Museum ist.
    "Wie kommen die Bamberger auf die verrückte Idee ihr Rathaus mitten ins Wasser zu bauen? Es handelt sich um einen Brückenturm. Türme auf Brücken waren die Regel. 15. Jahrhundert war der Bürgerstolz endlich so gewachsen, dass man sagte, so: jetzt haben wir die Nase voll davon, dass uns der Bischof permanent auf derselben rumtanzt. Wir wählen einen Stadtrat, wir wählen einen Bürgermeister und wir brauchen ein Rathaus. Aber wo bauen wir das hin? Altstadtseite? Neustadtseite?
    Weder noch, wir bauen es genau in die Mitte, wir bauen es um den alten Turm herum. Es soll verbindend sein für beide bürgerlichen Stadtteile.
    Idiotische Idee, weil an dieser Stelle keine Insel war."
    So wurde auf geschätzten 2000 Eichenstämmen eine künstliche Insel errichtet. Gegenüber steht eine Reihe kleiner Häuser aus verschiedenen Jahrhunderten: Klein Venedig genannt, da auch diese einstigen Fischerhäuser auf Pfählen stehen. In der Umgebung Bambergs gibt es übrigens hervorragende Karpfen und Forellen. Keine Anbauregion fränkischen Weines, dafür ist Bamberg Bierstadt. Eine der bekanntesten Braugaststätten ist das Schlenkerla, in dem die Spezialität Rauchbier ausgeschenkt wird.
    "Es ist ein Bier, bei dem die Braugerste über Buchenholz gedarrt wird.
    Brauen ist Frauensache
    So entsteht dieser sehr intensive rauchige Geschmack. Der Bamberger sagt, nach dem dritten schmeckt ´s gut. Nach dem dritten is dann eh wurscht, was sie trinken. Schlenkerla heißt es nicht wegen des hohen Alkoholgehaltes, sondern der Wirt des 19. Jahrhunderts hatte ein tragisches Schicksal. Beim Entladen der Fässer ist das Brauereigespann durchgegangen und er wurde überrollt. So bekam er ganz krumme Beine und wenn er gelaufen ist, dann kam er immer mit Arm ins schlenkern." Früher wurde nur einmal in der Woche gebraut und Brauen war Frauensache.
    "Die berühmteste deutsche Brauerin, das war die Catharina von Bora, die Frau vom Luther. Die muss sensationell gutes Bier gebraut haben und wenn eine Frau nicht so gutes Bier gebraut hat, dann war Hopfen und Malz verloren. Eine gute Hausfrau wusste auch, dass es sinnvoll war, erst zu backen und dann zu brauen."
    Durch das Backen wurden Hefepilze aufgewirbelt, die sich im offenen Sudkessel wiederfanden und die Gärung bewirkten. Im Mittelalter galt die eiserne Regel, dass sich neben einer Brauerei eine Bäckerei zu befinden habe. Eine gute Grundlage für einen bierseligen Abend bietet das Schäufele; ein Braten aus der Schweineschulter, am besten mit fränkischen Kloss und Soß als Beilage.
    Stärkung kann man auch vertragen, wenn man den Bamberger Domberg hinauf geht. Hier oben begann die Geschichte der Stadt im Jahre 903 mit dem fränkischen Adelsgeschlecht der Babenberger, die hier in einer Burg hausten. Kaiser Heinrich II. ließ 1004 den ersten Dom bauen, der 1200 durch einen Blitzschlag abbrannte. Gleich darauf wurde innerhalb von 40 Jahren der neue Dom erbaut.
    "Das ist unglaublich schnell und das war nur möglich, weil der Auftrag gebende Bischof in Geld schwamm."
    Im Dom begegnen wir dem so oft mit der Stadt in einem Atemzug genannten Bamberger Reiter.
    Wie eine Schublade in der Kommode meiner Großmama
    "Immer wenn ich den vorstelle, dann sagen die Leute: nee, nich wirklich, das kann er doch nicht sein. So klein! Der Herr ist, wenn er aufsteht 1 Meter 68 und das ist für die damalige Zeit überlebensgroß. Das, was sie hier sehen, ist kein Schlachtross, das ist ein zähes kleines Reisepferd.
    Der VW unter den mittelalterlichen Pferden: Es läuft und läuft und läuft.
    Der Mann, der in diesem Sattel sitzt, ist ein König."
    Die tonnenschwere Skulptur, die einen erhöhten Platz im Dom innehat, ist eine sogenannte Explosionscollage; bedeutet, dass die Skulptur in ihrem Fall aus 16 Einzelteilen zusammen gefügt wurde.
    Bamberg wird jedes Jahr von zigtausend Touristen besucht; nicht immer einfach für die Bewohner und dennoch lebt es sich hier zumeist:
    "Wunderschön. Es ist Lebensqualität und man lebt hier wunderbar."
    Der Romantiker Karl Immermann schrieb im 19. Jahrhundert in sein Reisetagebuch:
    "Bamberg ist wie eine Schublade in der Kommode meiner Großmama, die während ihres Lebens viel zusammen scharte. Genauso ist es. Bamberg ist die Großmama und über Jahrhunderte hinweg hat sie alles zusammen geschart, was die deutsche Geschichte und Kunstgeschichte zu bieten hat und hat das in einzelnen Schubladen abgelagert. Wir haben gemeinsam eine Schublade aufgezogen und hinten links gekramt. Kramen Sie weiter!"