Fabian Woschnagg: "Einen wirklichen Sinn dahinter zu sehen, warum man schreibt, ist sehr schwer. Je weniger Gedanken man sich macht, desto besser."
Nino Ebner: "Fabian hat total den emotionalen Zugang zu den Songs. Ich sehe das eher mathematisch. Wieviele Spuren haben wir da? Und so weiter…"
Woschnagg: "Ich möchert in zehn Jahren zurückschauen und mir denken, das war ein Bilderbuch für die Ohren. Wie viel Alben macht man in seinem Alben? Net füüül! Wir wollen in zwei Dekaden noch stolz drauf sein können."
Es ist ein nasskalter Tag im Februar, draußen. Drinnen ist es schummrig, auf und vor der Bühne hantiert eine Handvoll etwas zerzaust wirkender junger Männer mit Instrumenten und Kabeln. Es ist Zeit für den Soundcheck. Olympique sind seit mehreren Wochen auf Tour, und heute bestreiten sie in Köln einen der letzten Deutschland-Termine. Gebucht ist das Stereo Wonderland, ein Traditionsclub mit guten Sichtverhältnissen und solider Klang. Der Laden ist aber auch so klein, dass es nicht mal einen Garderoben-Bereich für auftretende Musiker gibt und wir das Interview mit Olympique mal eben in die Dönerbude gegenüber verlegen müssen.
Die Mühen der Ebene
In kommerzieller Hinsicht befindet sich die Band aus Salzburg derzeit noch eher in den Mühen der Ebene. Künstlerisch sind sie dem namensgebenden Götterhügel indes schon ziemlich nah, spätestens, seit sie Ende 2017 ihr zweites Album "Chron" veröffentlicht haben.
Der Song "R.O.F." bereitet dem zweiten Olympique-Album Chron einen donnernden Auftakt. Man reibt sich die Ohren bei all den Details, die da unter der dichten Riff-Oberfläche durchschimmern und ist verblüfft über den Kontrast zwischen rockistischer Schwere und dem lyrischen, mitunter fast zarten Gesang von Fabian Woschnagg. Das gesamte Album lebt von solchen Gegensätzen. Mal sind die Songs gitarrenlastig, mal wird die Grundmelodie vom Klavier vorgegeben.
"Wir sind so wenig Gitarren- wie Klavierband. Die Instrumente haben ganz andere Stimmungen, und wir spielen sehr gerne damit. Soundlandschaften kreieren, darum geht es. Das Album hat sehr viel Material in jedem Song, auch wenn es überproduziert ist. Es ist sehr genau gemacht."
Erklärt Sänger und Gitarrist Fabian Woschnagg. Zusammen mit Schlagzeuger Nino Ebner bildet er den Kern von Olympique, für Live-Auftritte wird die Besetzung um einen Bassisten, einen Keyboarder und einen zweiten Gitarristen ergänzt. Aber hat Woschnagg da gerade wirklich "überproduziert" gesagt, das eigene Werk also mit dem schlimmstmöglichen musikjournalistischen Schimpfwort schlechthin diskreditiert?
Woschnagg: "Überproduziert ist hier positiv gedeutet im Sinne von sehr genau. Jedes Detail soll hörbar sein. Wir wollten kein zweites Oasis-Album mit Streichern machen."
Ein Quäntchen Drama
"Überproduziert" bedeutete ja schon immer auch Kunsthandwerk, was so manchem Popfeuilletonisten von Haus aus verdächtig, weil unauthentisch erscheint. Dabei ist es gerade diese Fleißarbeit, die einem Album den entscheidenden Glanz, das gewisse Quäntchen Drama geben kann. Dazu braucht man neben guten Ideen viele zusätzliche Spuren. Und davon, bestätigt Fabian Woschnagg, gebe es auf "Chron"….
"Sehr viele!"
"Help me", ein Song vom zweiten Olympique-Album "Chron", das Ende 2017 veröffentlicht wurde. Die düster bemalten Klangwände, die uns die Band darauf vor die Ohren stellt, sind auf dem Fundament fast schon musikphilosophischer Betrachtungen erbaut.
"Es war ein bewusstes Herangehen. Welche Orte sollen atmosphärisch, welche detailliert sein? Aufgenommen in den Wohnzimmern und in den Westbahnstudios in Wien, mit Leuten, die sehr gut Bescheid wissen. Peter Paul Aufreither z.B. und der Soundtechniker von Bilderbuch hat es gemixt. Sehr gute Leute also."
Doziert Sänger und Gitarrist Fabian Woschnagg. Auch Schlagzeuger Nino Ebner hatte bei der Produktion von "Chron" ein genaues Klangbild vor seinen geistigen Ohren:
"Uns war klar: Die Stimme muss direkt sein, viele Effekte, keine verschiedenen Räume. Aber fürs Schlagzeug haben wir in einem großen, hohen Raum aufgenommen."
Zum Glück nicht pathetisch
Sicherlich ist das irgendwie Rockmusik, aber sie trägt kein Schildchen mit der Aufschrift "Achtung Indie-Rock" oder "Bitte beachten: Sie betreten jetzt den Post-Rock-Sektor" um den Hals. Journalisten aus Österreich bemühten zur Beschreibung recht feinsinnig das Adjektiv "klerikal". Man könnte auch feierlich dazu sagen, pathetisch zum Glück so gut wie nie. Und ja, das liegt natürlich daran, dass hier ein Mann singt, der von Kindesbeinen an gelernt hat, mit seiner riesigen stimmlichen Begabung umzugehen. Ein Song wie "So far gone" wäre sonst nur halb so berührend.
"Das war von Anfang an klar. Sehr besondere Stimme, sehr facettenreich. Das Potential haben viele früh erkannt. Fabian war ja im Kirchenchor. Also klassische Gesangsausbildung. Daher eine sehr "volle" Stimme."
Sagt Schlagzeuger Nino Ebner voller Anerkennung über seinen Sänger. Der gibt sich bescheiden:
"Es gibt eine klassische Tradition in Salzburg. Daher ist es leicht, da eine Stütze zu finden. Im Salzburger Domchor und Mozarteum. Man kommt von alleine ins Rad hinein. Aber es ist wichtig, die eigene Identität zu finden, gerade, wenn man aus so einer kleinen Stadt kommt."
Die Mozartstadt: kein Mekka
Woschnagg und Ebner kennen sich seit Kindertagen. Beide sind Mitte 20, in Salzburg aufgewachsen und musikalisch vom Indierock der Jahrtausendwende geprägt. Ein Mekka für populäre Musik ist die Mozartstadt zwar nicht, aber es gibt dort immerhin das "Rockhaus", in dem oft renommierte Bands auftreten. Stellenweise erinnern einen die Songs von Olympique an deren Landsleute, die Steaming Satellites. Die sind etwa eine Musikergeneration älter, sprich gute zehn Jahre und haben sich mit inzwischen fünf Alben eine Art Platzhirsch-Rang unter den englisch-sprachigen Rockbands in Österreich erarbeitet. Gemeinsamkeiten zwischen den Satellites und Olympique sind etwa die messerscharfe Rhythmik, die eigenwilligen Gitarrensounds und der intensive Gesang.
Woschnagg: "Die Steaming Satellites sind tatsächlich ein Vorbild. Die kommen aus dem Großraum Salzburg und waren immer die Band, zu der wir aufgschaut haben als kleine Buam. Immer wann die gpüit ham im Rockhaus, da war des Rockhaus voll. Und für uns waren und sind diese drei Burschen wirklich eine große Inspiration, Musik als Beruf und Berufung zu sehen. Und dranzubleiben und hart zu arbeiten, aber dann auch einen Erfolg ernten zu dürfen und eine Etabliertheit zu genießen. Die haben für uns Wege geebnet."
Die Steaming Satellites haben 2005 angefangen, Olympique 2015 den Weg ins Profilager eingeschlagen. Schlagzeuger Nino Ebner erinnert sich:
"Wir haben immer viel geschrieben, aber nicht gewusst, was damit machen. Dann haben wir einfach mal eine UK-Tour organisiert. Da merkt man, wie hart man arbeiten muss als Band. Wir haben da am Abend zwei Biermarken bekommen, und das wars. In der Zeit ist auch das erste Album entstanden. Das war der erste professionelle Versuch."
Ein mit Verlaub - verdammt gut gelungener erster Versuch.
Mitgerissen von Energie und Gestus
Wer bitteschön braucht da noch die Queens of the Stone Age? "Crystal Palace" heißt das Debüt-Album von Olympique aus dem Jahr 2015, und Songs wie "The reason I came" zeigen schon damals das spielerische Potenzial des Duos. Man wird mitgerissen von Ebners hochkonzentrierter Energie und Woschnaggs dramatischem Gestus. Worum es in den Texten geht? Liebe, Verzweiflung, Hoffnung, Sturm und Drang, aber alles nicht sehr greifbar. Und "Chron" hat wenngleich kein durchgängiges Konzept zumindest eine wiederkehrende Bezugsgröße, wie der Albumtitel und der Song "Turn back time" ja schon andeutet.
Ebner: "Der Zeitbegriff spielt große Rolle. Die Jetztzeit, aber auch die 70er und 80er. Man nimmt sich Elemente davon und interpretiert sie neu. Wiederkennungswert für die, damals aufgewachsen sind."
"Turn back time", einer der stärksten Songs vom Album Chron. Wichtiger als Bedeutungsdetails sind bei Olympique die Stimmungen und Gefühle, die sich beim Hören vermitteln. So sieht es auch Fabian Woschnagg:
"Einen wirklichen Sinn dahinter zu sehen, warum man schreibt, ist sehr schwer. Je weniger Gedanken man sich macht, desto besser. Nur so kann ich einen ungefilterten, persönlichen Ausdruck kreieren, der vielleicht wen anderen dann treffen kann. Es geht ganz viel um Eindrücke von außen durch den Filter von mir. Das, wie ich Sachen aufnehme, zu filtern und in ein musikalisches Gewand zu packen. Das können andere vielleicht genauso fühlen, aber nicht diese musikalische Ebene hinzufügen. Und das versuche ich mit unseren Songs. Ein Bild zu kreieren, mit dem sich andere Leut‘ identifizieren können."
Gemütsmensch
Wie die meisten guten Bandgeschichten ist auch die von Olympique die einer langen, tiefen Freundschaft. Eine Freundschaft zwischen zwei Männern, die sich kreativ ergänzen, und die auch optisch einen netten Kontrast abgeben. Woschnagg und Ebner, das ist ein Duo wie Asterix und Obelix, wie Terence Hill und Bud Spencer, wie Tim und Kapitän Haddock. Woschnagg ist der sanfte Hüne mit einer fast schon aristokratischen Ausstrahlung. Ein Gemütsmensch, der in seinem mächtigen Körper und seiner prächtigen Bassbariton-Stimme so allerlei Eigenes sucht und findet. Man mag an Astrologie glauben oder nicht, aber angeblich lassen sich ja einzelnen Sternzeichen bestimmte Eigenschaften zuordnen.
Fabian Elsäßer: "Blöde Frage: Ist Fabian Woschnagg vom Sternzeichen Löwe?"
Woschnagg: "Ja."
Elsäßer: "Nee, echt jetzt?"
Woschnagg: "Das ist witzig. Spirituell, aber total witzig!"
Ebner: "Das ist schon bemerkenswert. Fabian hat total den emotionalen Zugang zu den Songs. Ich sehe das eher mathematisch. Wieviele Spuren haben wir da? Undsoweiter."
Woschnagg: "Ja."
Elsäßer: "Nee, echt jetzt?"
Woschnagg: "Das ist witzig. Spirituell, aber total witzig!"
Ebner: "Das ist schon bemerkenswert. Fabian hat total den emotionalen Zugang zu den Songs. Ich sehe das eher mathematisch. Wieviele Spuren haben wir da? Undsoweiter."
Blitzwach, aber nicht von der Zappelfraktion
Nino Ebner dagegen ist ein gar nicht so untypischer Schlagzeuger. Ein drahtiger strohblonder jungenhafter Typ mit Alibi-Bärtchen, blitzwach, aber keiner von der Zappelfraktion, eher ein - wer ja selbst sagt - analytischer - Drummer. Und so spielt er auch. Komplett auf den Takt, diszipliniert, aber mit dem ganz großen Blickwinkel. Bloc Party, John Bonham, Barriemore Barlowe, Neil Peart, die Smiths - selbst wenn er wen nicht kennt, scheint er zu wissen, dass es sie oder ihn gibt oder gegeben hat. Ein Universaltrommler, der vielleicht keine 64-tel spielen kann, der aber auch so definitiv besser ist als 80 Prozent da draußen.
Auffällig an beiden Olympique-Alben und auch bei den Auftritten ist die Wahl der Waffen sprich Gitarren. Eine Beobachtung, die Fabian Woschnagg sehr freut:
"Das ist interessant. Wir machen uns tatsächlich sehr viele Gedanken, wie wir unser Frequenzspektrum bestmöglich ausbalancieren. Und da ist die Wahl einer semiakustischen Gitarre, so wie ich sie spiele, eine ES 335 von Gibson und eine Jazzmaster und eine Telecaster von Fender von unserem Gitarristen eine tolle Kombination, die unsere Soundvorstellungen am besten abdeckt."
Das Debütalbum von Olympique war schon gelungen, doch der Nachfolger "Chron" aus dem Jahr 2017 spielt eine Klasse höher.
Woschnagg: "Wenn man professionell arbeiten will, hört man andere Künstler ganz anders. Wir wollten aus den Fehlern des ersten Albums lernen. Das hört man auf Chron. Wir haben uns keine Grenzen gesetzt. Was uns gefällt, lassen wir durch unseren Filter laufen. Zeitloses Album. Aber hörbar aus dem Jahr 2016. Das soll auch so sein. Ich möchert in zehn Jahren zurückschauen und mir denken, das war ein Bilderbuch für die Ohren. Wie viel Alben macht man in seinem Alben? Net füüül! Wir wollen in zwei Dekaden noch stolz drauf sein können."
Explizite Erotik-Szenen
Klein-Klein ist ihre Sache nicht, auch wenn Olympique trotz vieler freundlicher Rückmeldungen bisher nur in Clubs niederer Rangordnung auftreten. Es ist ein Sound, der auf Arenen und große Leinwände zielt. Die Videos dazu haben sie schon. Darin sieht man die Musiker in Filmklassiker hineinmontiert, was das Vice-Magazin als "größten Rechtebruch in der Geschichte des Musikvideos" bezeichnete, oder so explizite Erotik-Szenen, dass man bei YouTube zur Eingabe seines Alters aufgerufen wird. Der Clip illustriert ein ziemlich düster klingendes Liebeslied namens "Face down the earth".
Ebner: "Es ist höchstens Soft-Porno. Es geht darum, eine echte Szene zu haben von Menschen, die sich lieben. Aber es wäre natürlich gelogen, wenn man sagen würde, man möchte mit einem Musikvideo keine Aufmerksamkeit erzeugen. Das macht jeder so. Sonst würde man ja keine Musikvideos machen. Man kann versuchen, die ein oder andere Grenze anzutasten. Nackheit ist immer noch so tabuisiert. Im Fernsehen schießen sich die Leut den ganzen Tag gegenseitig nieder, aber einen Nippel darf man nicht zeigen. Obwohl es so natürlich ist."
Zum Erfolgswillen zählt eben auch, Marktmechanismen zu durchschauen. Und siehe da: Das Video zu "Face down the earth" ist das am häufigsten aufgerufene von Olympique: gut eine Million Mal. Obwohl es weder das beste Video, noch der beste Song der Band ist. Aber vielleicht lenkt es die Aufmerksamkeit auf andere Stücke. Verdient hätten es Woschnagg und Ebner meiner Meinung nach schon. Denn trotz ihrer Qualitäten ist das Dasein als Profimusiker für die beiden nicht so einfach.
Ebner: "Es ist schon schwer. Wir haben schon auch verdient, aber das ist alles wieder reinvestiert worden in bessere Instrumente und Produktion. Da bleibt am Ende nur, dass Du halt Deinen Lebensalltag bestreiten kannst. Irgendwann wird’s natürlich schwierig. Da geht’s jeder Band so."
Woschnagg: "Von ahm Schulterklopfer kann i mir mei Miete ned leisten. Um des geht’s aber unterm Strich. Um das auf dem Niveau machen zu können und eine Produktion, so wie wir sie fahren, ist das ein sehr anstrengendes Unterfangen. Das vor seiner Familie zu argumentieren wird auch mit zunehmenden Alter schwerer. Muss man ganz klar sagen."
Gewisser Selbstzweifel
Da klingt dann schon gewisser Selbstzweifel bei Fabian Woschnagg an. Doch dann fällt ihm wieder ein, wofür er das eigentlich macht:
"Das san die Momente, wo Fans nach einem Konzert berührt zu einem kommen und sagen: 'Danke, dass Du diesen Song geschrieben hast. Mir ist es auch einmal so gegangen wie Dir in dem Song.' Und das berührt mich am allermeisten."
Der letzte Titel auf Chron heißt "Will it be alright". Ja, das wird, das muss es werden.