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Band Temples
Psychedelisch aber zu cool

2012 hat sich die englische Band Temples in die vorderste Reihe der aktuellen Neo-Psychedelic-Welle katapultiert. Nun erscheint das dritte Album der Briten: psychedelisch, selbstsicher, mit etwas zu penetranter Coolness. Zum Glück schreiben sie wirklich gute Songs.

Von Anke Behlert | 01.09.2019
    Drei schwarzhaarige Musiker posieren
    Düstere Musik, die sehr erfolgreich ist: Temples (ATO)
    Musik: "Atomise"
    An einem der heißesten Tage des Jahres sitzen James Bagshaw, Tom Walmsley und Adam Smith alias Temples im Berliner Büro der Plattenfirma PIAS. Auch bei 37 Grad tragen sie Stiefel, bunte Schals und dunkle Samtjacken, die obligatorische Sonnenbrille sitzt korrekt auf der Nase. Nicht nur modisch umarmen die Endzwanziger den Stil von Love, The Byrds und Pink Floyd. Auch musikalisch docken Temples an diese Ära an: den Psychedelic Rock und Pop der späten 60er. Mit ihrem ersten Album "Sun Structures" landeten sie damit 2014 gleich in den englischen Top Ten. Auch die neue Platte "Hot Motion" bewegt sich in diesen Soundgefilden.
    Musik "Hot Motion"
    Sänger und Gitarrist James Bagshaw und Bassist Tom Walmsley haben Temples 2012 in der englischen Kleinstadt Kettering gegründet. Zunächst war es nur als Heimstudio-Projekt gedacht. Nachdem sie die ersten Songs bei YouTube hochgeladen hatten, bot ihnen das Label Heavenly Recordings einen Plattenvertrag an. Da sie nun auch live spielen mussten, wurden alsbald noch ein Drummer und Gitarrist und Keyboarder Adam Smith rekrutiert. Auch heute noch produzieren sie alles selbst und nehmen am liebsten zu Hause auf, im Kellerstudio von Sänger Bagshaw in Northamptonshire.
    James Bagshaw: "Wir nehmen jedes Instrument einzeln auf. Dadurch kann man sich besser auf die kleinen Eigenarten konzentrieren. Beim Live-Aufnehmen schaut man eher auf den Gesamtklang und Details können verloren gehen. Vor allem wenn man nicht in einem großen Studio ist, wo es Trennwänden gibt und solche Sachen. Für uns funktioniert das gut und die Songs klingen trotzdem nicht statisch. Jedes Element hat seine eigene Qualität. Wenn wir zuerst das Schlagzeug aufnehmen, passen wir dann den Bass-Sound an und bauen darauf auf."
    Musik: The Howl
    Auf dem zweiten Temples-Album "Voland" hatten Synthesizer eine tragende Rolle übernommen. Die hat die Band dieses Mal größtenteils weggelassen, stattdessen haben sie den Hall auf Schlagzeug und Gitarre hochgedreht und dann noch ein bisschen höher.
    Musik: "You're either on something..."
    Auch auf "Hot Motion" gibt es Momente, in denen man sich unweigerlich an zum Beispiel T.Rex oder The Loving Spoonful erinnert fühlt. Aber allzu direkte Hommages an musikalische Vorbilder würde es auf dem Album eigentlich nicht geben, sagt James Bagshaw.
    Bagshaw: "Wenn wir Songs schreiben ist das eine sehr egoistsche Angelegenheit. Wir wollen uns in erster Linie gegenseitig beeinflussen. Ich zum Beispiel höre kaum andere Musik, wenn wir aufnehmen. Dann bin ich ohnehin in so einem Tunnel drin, in dem nur unsere Songs existieren. Es klingt wie ein Klischee, aber wir wollten einfach eine Platte machen, die ehrlich ist und die uns gefällt."
    Musik: "Step down"
    In ihren Songs türmen Temples verwobene Gitarren- und Basslinien zu ziemlich hohen Walls-of-Sound auf. Alles scheint von einem dunkel schimmernden Farbfilm überzogen. Aber irgendwo hinten lauert stets ein schwerer David Lynch-artiger Unterton, der die davon schwebenden Momente wieder einfängt. Man brauche eben Gegensätze, sagt Bassist Tom Walmsley.
    Tom Walmsley: "Es ist beides wichtig: Licht und Schatten. Dunkelheit ist ja nur dann effektiv wenn man ihr etwas gegenüberstellt. Es gibt sehr fröhliche Momente auf dem Album. Aber im Hintergrund passiert immer noch etwas anderes, das irgendwie unbehaglich ist."
    Musik: "The Beam"
    In ihren Texten beschäftigt sich die Band eher kryptisch mit Themen wie Verlangen, Träumen und Albträumen. Der Song "Holy Horses" ist vom Phänomen der Pareidolie inspiriert. Dabei meint man in Dingen und Mustern Gesichter und vertraute Gegenstände zu erkennen. Bekannte Beispiele sind das Marsgesicht oder Jesus auf dem Toastbrot, sagt Gitarrist Adam Smith.
    Adam Smith: "In dem Song "Holy Horses" geht es um Sonneneruptionen. Ich finde, die sehen auf Fotos aus wie heilige Pferde die aus Feuer bestehen und alles verbrennen. Aber wir machen uns damit nicht über Leute lustig, die Jesus auf dem Toast sehen, so ist das nicht gemeint."
    Musik: "Holy Horses"
    Auf "Hot Motion" zeigen sich Temples erwachsen und selbstsicher, stilistisch bei sich angekommen und eigenständig. Man sollte sich von der ein bisschen zu penetrant zur Schau gestellten Coolness nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass diese Band auch wirklich gute Songs schreibt.