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Bangen um Baby Fae

Als im Oktober 1984 die kleine Fae Stephanie zur Welt kommt, stellen die Ärzte eine schwere Fehlbildung der linken Herzkammer fest. Schließlich entscheiden sich die Mutter der Kleinen und ein Chirurg zu einem außergewöhnlichem Eingriff: Dem Baby wird ein Pavianherz eingesetzt.

Von Irene Meichsner | 26.10.2009
    "Im ersten Moment dachte ich, dieser Wissenschaftler ist verrückt. Denn ich hatte noch nie etwas davon gehört, dass man Herzen von Tieren für Menschen verwenden könnte. Zuerst hat es mir auch Angst gemacht. Aber dann dachte ich, wenn das eine Chance war, das Leben meiner kleinen Tochter zu retten, dann musste ich vielleicht mit diesem Mann sprechen."

    Teresa Traphagan befand sich in einer verzweifelten Situation. Ihre Tochter Fae Stephanie, die sie am 14. Oktober 1984 zur Welt gebracht hatte, litt an einer schweren Fehlbildung der linken Herzkammer. Die junge Mutter wusste: Ihr Kind würde sterben. Da machte ihr der Chirurg Leonard Bailey von der Loma Linda University in Südkalifornien, den sie über ihren Kinderarzt kennengelernt hatte, einen unerhörten Vorschlag. Er bot an, dem Kind das Herz eines Pavians einzupflanzen. In ihrer Not stimmten die Eltern dem Experiment zu. Am 26. Oktober 1984 wurde der Säugling operiert.

    "Es war ein Augenblick absoluter Ehrfurcht. Ich denke, im ganzen Raum gab es kein einziges trockenes Auge",
    beschrieb Sandra Nehlsen-Cannarella, eine beteiligte Immunologin, den Moment, als im Brustkorb des Neugeborenen das Herz eines sieben Monate alten, weiblichen Pavians zu schlagen begann. Fernsehbilder von "Baby Fae" gingen um die Welt. Millionen Menschen verfolgten und debattierten das Drama.

    Einerseits träumten viele davon, dass man dem Mangel an menschlichen Spenderorganen eines Tages durch die Verwendung von Tierorganen abhelfen könnte. Andererseits schien ein solches Experiment an einem sterbenskranken Säugling ethisch kaum vertretbar.

    Nur wenige Kollegen, wie der Herzchirurg John Collins aus Boston, verteidigten Leonard Bailey:

    "Wenn wir alle Angst hätten, das Unversuchte auszuprobieren, würde es niemals neue Behandlungen geben."

    Andere Mediziner protestierten. Das menschliche Immunsystem reagiert auf artfremdes Gewebe mit massiven Abstoßungsreaktionen. Von den wenigen erwachsenen Patienten, denen bereits Tierorgane verpflanzt worden waren, hatte keiner überlebt.

    "So etwas zu versuchen, bedeutet nichts anderes als den Sterbeprozess zu verlängern",

    warnte John Najarian, einer der führenden amerikanischen Spezialisten für kindliche Transplantationsmedizin,

    "ich bin sicher, dass Baby Fae ihr Herz abstoßen wird."

    Bailey, damals 41 Jahre alt, gründete seine Hoffnung zum einen auf Cyclosporin, ein neues Medikament zur Unterdrückung der Immunabwehr. Und zum anderen darauf, dass das Immunsystem eines Neugeborenen vielleicht noch so unausgereift sein könnte, dass es die Konfrontation mit dem Tiergewebe besser ertrug. Bailey hatte sich seit sieben Jahren mit der sogenannten "Xenotransplantation", der Übertragung von Tierorganen, befasst und seine Operationstechnik an Schafen, Ziegen und Pavianen trainiert. Er hatte monatelang mit der örtlichen Ethik-Kommission gerungen, bevor er die Genehmigung für einen Versuch am Menschen erhielt. Baby Fae war der erste Säugling, der genau in das Profil seines Versuchsprotokolls passte.

    Das kleine Mädchen hielt 20 Tage durch – länger als die meisten erwartet hatten. Dann begann ihr Körper das Pavianherz abzustoßen.

    Der ARD-Korrespondent Armin Amler berichtete:

    "Obwohl die Ärzte versuchten, durch externe Massage, also Massage des nur walnussgroßen Pavianherzens von außen, seine Funktion zu unterstützen, wurde es offenbar, dass auch diese Maßnahme auf die Dauer nicht zu einer Stabilisierung führen könnte."

    Am 15. November 1984 starb Baby Fae. Leonard Bailey sprach anfangs noch von einem Erfolg. Doch er verzichtete auf einen zweiten Versuch. Für die meisten Kollegen hatte er die Grenzen ärztlicher Ethik eindeutig überschritten. In der Folgezeit wurde die Forschung zur Xenotransplantation weiter betrieben. Neue Probleme tauchten auf, darunter die Gefahr, dass sich Organempfänger mit tierischen Krankheitserregern infizieren könnten. Einige Wissenschaftler haben versucht, potenzielle Spendertiere, vor allem Schweine, gentechnisch so zu verändern, dass der menschliche Körper ihr Gewebe nicht mehr als artfremd erkennt.

    Doch der Durchbruch ist ausgeblieben. Die Hoffnungen, die viele mit der Xenotransplantation verbanden, haben sich bis heute nicht erfüllt.