Uli Blumenthal: In Deutschland gibt es drei neue Verdachtsfälle auf Schweinegrippe, dies teilt das Robert-Koch-Instituts in Berlin mit. Die Laborergebnisse sollen am späten Abend oder am Mittwoch vorliegen. Die Quelle des Virus ist, so der Präsident des RKI, Jörg Hacker derzeit noch nicht bekannt. Das H1N1-Virus sei eine neue Komposition aus menschlichen sowie Geflügel- und Schweinebestandteilen und habe das Potenzial, sich pandemisch auszubreiten. Es sei jedoch auch durchaus möglich, dass es nur regional auftrete. Wir haben vor der Sendung mit Dr. Michael Pfleiderer telefoniert, er ist Fachgebietsleiter für Virusimpfstoffe am Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt/Main und ihn zunächst gefragt, welche Vorbereitungen es in Deutschland für die Herstellung eines Impfstoffes gegen das H1N1-Virus gibt:
Michael Pfleiderer: Zunächst soll die Immunantwort gegen ein Pandemievirus hoch spezifisch sein, das heißt, Sie müssen zunächst ein Virusisolat haben, also einen Menschen, auf dessen Basis man Saatvirus-Material, so nennen wir das, herstellen kann. Das sind die ersten Schritte der Impfstoffproduktion und das läuft im Moment auch an. Zuständig dafür sind die so genannten WHO-Kollaborationszentren für Influenza in Europa, Japan, Amerika und Australien. Die machen das routinemäßig saisonal für die ganz normalen Grippeimpfstoffe, aber natürlich auch für den Pandemiefall oder für eine mögliche Pandemie, in diesem Fall in Bezug auf den H1N1-Stamm.
Blumenthal: Das heißt, Sie haben einen Saatvirus, wie sie es nennen, aus Betroffenen isoliert und wie geht es dann weiter?
Pfleiderer: Sie haben dann eben das Saatvirus, und das verwenden Sie dann zur Beimpfung von Hühnereiern beziehungsweise Zellkulturen und stellen damit das Impfvirus in großen Mengen her.
Blumenthal: Welche Kapazitäten sind in Deutschland möglich, welche Kapazitäten werden von den Impfmittelherstellern vorgehalten.
Pfleiderer: Die Kapazitäten sind für Deutschland ausreichend, sie mögen vielleicht auch für Europa ausreichend sein, sie werden auf keinen Fall global ausreichend sein. Insgesamt kommen wir fast an eine Milliarde Dosen eines monovalenten Pandemieimpfstoffes, die weltweit pro Jahr produziert werden können. Das ist schon eine ganze Menge. Es hat sich auch in den letzten Jahren eine ganze Menge getan, was den so genannten Kapazitätsausbau betrifft.
Blumenthal: Als Engpass hat sich immer die Zahl der verfügbaren Hühnereier erwiesen. Ein Ausweg könnte die Zellkultur sein, allerdings gab es auch Versuche, dort Impfstoffe zu züchten, die dann Nebenwirkungen hatten. Wie weit ist der Ausbau der Züchtung in Zellkultur?
Pfleiderer: Das muss man auch differenzieren. Ich glaube nicht, dass Hühnereier ein Engpass sind. Diese Logistikkette ist doch sehr eingespielt, man kann also ausreichend Hühnereier zur Verfügung stellen. Was halt immer diskutiert wird, ist, dass eine Pandemie auch gefährlich werden kann für Hühner, also dass hier die Versorgungskette unterbrochen wird. Aber das wird so nicht sein, wir haben entweder ein humanes Pandemievirus oder ein Vogel-Influenzavirus, aber beide Eigenschaften so ein Influenzavirus nicht haben. Das heißt, Hühnereier sind doch eine sichere Bank und die meisten Prozesse passieren in der Tat im Pandemiefall auch in solchen Bruteiern.
Blumenthal: Nach den Erfahrungen der Vogelgrippe hatte man die Idee, einen universellen Impfstoff gegen Vogelgrippe zu entwickeln, aber dann den speziellen Virus auszutauschen. Wäre das hier für H1N1 möglich, also einen genehmigten Impfstoff für ein neues Virus herzustellen?
Pfleiderer: Das ist eine ganz komplizierte Angelegenheit. Aber es ist möglich. Solche Zulassungen beziehen sich nicht auf universelle Impfstoffe, die also gegen alle Influenzaviren wirksam wären. Was Sie ansprechen, ist das Konzept der so genannten Mockup-Impfstoffe. Grundlage ist, dass wir sowohl saisonale als auch im Pandemiefall zugelassene Impfstoff haben möchten, also nicht der Bevölkerung anbieten möchten, was klinisch nicht getestet worden ist in Bezug auf Wirksamkeit und insbesondere Verträglichkeit. Und dann hat man aber mit dem Dilemma zu kämpfen, dass man das eigentliche Pandemievirus gar nicht kennt, das man im Pandemie Fall einsetzen möchte. Und deswegen hat man eben zu diesem Trick gegriffen der Muster- oder Mockup-Zulassung auf der Basis eines Virus, das ähnlich wie ein Pandemievirus agieren mag und das ist eben dieses H5N1-Virus. Und damit sind alle Daten zur Herstellung, zur präklinischen und insbesondere zur klinischen Untersuchung generiert worden. Und dann ist es in der Tat so, wenn ein Hersteller auf diese Weise eine Zulassung erworben hat, dann genügt es im Pandemiefall, diese Zulassung auf den eigentlichen Pandemiestamm auszuweiten oder anzupassen, ohne dass weitere Daten zur Verfügung gestellt werden müssen, denn das Konzept ist so ausgelegt, dass alles, was man mit dieser Musterzulassung generiert hat, repräsentativ für jeden möglichen Pandemiestamm ist. Das ist eine komplizierte Angelegenheit, aber es führt letztendlich dazu, dass wir es auch im Pandemiefall mit zugelassenen Impfstoffen zu tun haben.
Blumenthal: Wie viele Impfmittelhersteller haben solche zugelassenen Impfstoffe und können auf diesem Wege arbeiten?
Pfleiderer: Wir haben vier von diesen Mockupzulassungen, GFK besitzt zwei, Novartis hat eine solche Zulassung und Baxter hat auch eine solche Zulassung.
Blumenthal: Und wie schnell ist die Adaption dann an einen neuen Virustyp möglich?
Pfleiderer: Dieser administrativen oder regulatorischen Fristen sind sehr kurz, das geht innerhalb von Tagen. Also wir können nicht auf der einen Seite von den Herstellern verlangen, schnell Impfstoffe zu produzieren, und uns dann Monate für die Genehmigung Zeit lassen. Diesem Mockup-Prinzip liegt genau zugrunde, dass sie eben relativ schnell diese Anpassungen durchführen und somit einen verkehrsfähigen Pandemieimpfstoff haben.
Blumenthal: Was unterscheidet eigentlich einen Pandemieimpfstoff von anderen, glücklichen Grippeimpfstoffen, außer natürlich um das Virus, um das es geht?
Pfleiderer: Da gibt es sogar massive Unterschiede. Erst einmal, der Produktionsprozess ist im wesentlichen derselbe, weil Sie können im Pandemiefall keine eigenen Produktionsanlagen aus dem Boden stampfen. Das heißt, die Herstellung geschieht wie die Herstellung der saisonalen Impfstoffe. Der große Unterschied liegt in der Formulierung. Wenn die saisonalen Influenza-Impfstoffe nur als Auffrisch-Impfstoffe. Das heißt, man profitiert davon, wenn man jedes Jahr geimpft wird, dann wird das Immunsystem angepasst. Im Pandemiefall nützt uns das gar nichts, weil wir keine zu Grunde liegende Restimmunität besitzen. Das heißt, wir sind immunologisch naiv und müssen wie kleine Kinder gegen Keuchhusten entsprechend grundimmunisiert werden. Und wer sich im Impfstoffgeschäft ein bisschen auskennt, weiß, dass dazu mehrere Teildosen - also drei oder vier Teildosen - notwendig sind, Einzelimpfungen, damit man eine angemessene Grundimmunisierung erreicht. Man versteht dann aber auch, dass es nicht möglich ist, im Pandemiefall vier Teilimpfungen zu benötigen, bis ein Immunschutz da ist. Das wäre logistisch viel zu aufwendig, und man könnte auch nicht erklären, warum einer vier Impfungen bekommt und der andere gar nichts oder nur eine oder zwei. Das zu Grunde liegende Prinzip ist also die Formulierung, das heißt, man muss diese Impfstoffe so immunogen machen, dass man nach maximal zwei Teildosen eine fast 100 prozentige Schutzrate in der geimpften Bevölkerung erzielt. Und genau das ist schon seit langer Zeit entwickelt und etabliert, das heißt, das wird auch für das nächste Pandemievirus so sein, dass man zwei Teildosen, die zwischen, sagen wir, 10 Tagen und mehreren Wochen nacheinander verabreicht werden, eben geschützt ist gegen das Virus.
Michael Pfleiderer: Zunächst soll die Immunantwort gegen ein Pandemievirus hoch spezifisch sein, das heißt, Sie müssen zunächst ein Virusisolat haben, also einen Menschen, auf dessen Basis man Saatvirus-Material, so nennen wir das, herstellen kann. Das sind die ersten Schritte der Impfstoffproduktion und das läuft im Moment auch an. Zuständig dafür sind die so genannten WHO-Kollaborationszentren für Influenza in Europa, Japan, Amerika und Australien. Die machen das routinemäßig saisonal für die ganz normalen Grippeimpfstoffe, aber natürlich auch für den Pandemiefall oder für eine mögliche Pandemie, in diesem Fall in Bezug auf den H1N1-Stamm.
Blumenthal: Das heißt, Sie haben einen Saatvirus, wie sie es nennen, aus Betroffenen isoliert und wie geht es dann weiter?
Pfleiderer: Sie haben dann eben das Saatvirus, und das verwenden Sie dann zur Beimpfung von Hühnereiern beziehungsweise Zellkulturen und stellen damit das Impfvirus in großen Mengen her.
Blumenthal: Welche Kapazitäten sind in Deutschland möglich, welche Kapazitäten werden von den Impfmittelherstellern vorgehalten.
Pfleiderer: Die Kapazitäten sind für Deutschland ausreichend, sie mögen vielleicht auch für Europa ausreichend sein, sie werden auf keinen Fall global ausreichend sein. Insgesamt kommen wir fast an eine Milliarde Dosen eines monovalenten Pandemieimpfstoffes, die weltweit pro Jahr produziert werden können. Das ist schon eine ganze Menge. Es hat sich auch in den letzten Jahren eine ganze Menge getan, was den so genannten Kapazitätsausbau betrifft.
Blumenthal: Als Engpass hat sich immer die Zahl der verfügbaren Hühnereier erwiesen. Ein Ausweg könnte die Zellkultur sein, allerdings gab es auch Versuche, dort Impfstoffe zu züchten, die dann Nebenwirkungen hatten. Wie weit ist der Ausbau der Züchtung in Zellkultur?
Pfleiderer: Das muss man auch differenzieren. Ich glaube nicht, dass Hühnereier ein Engpass sind. Diese Logistikkette ist doch sehr eingespielt, man kann also ausreichend Hühnereier zur Verfügung stellen. Was halt immer diskutiert wird, ist, dass eine Pandemie auch gefährlich werden kann für Hühner, also dass hier die Versorgungskette unterbrochen wird. Aber das wird so nicht sein, wir haben entweder ein humanes Pandemievirus oder ein Vogel-Influenzavirus, aber beide Eigenschaften so ein Influenzavirus nicht haben. Das heißt, Hühnereier sind doch eine sichere Bank und die meisten Prozesse passieren in der Tat im Pandemiefall auch in solchen Bruteiern.
Blumenthal: Nach den Erfahrungen der Vogelgrippe hatte man die Idee, einen universellen Impfstoff gegen Vogelgrippe zu entwickeln, aber dann den speziellen Virus auszutauschen. Wäre das hier für H1N1 möglich, also einen genehmigten Impfstoff für ein neues Virus herzustellen?
Pfleiderer: Das ist eine ganz komplizierte Angelegenheit. Aber es ist möglich. Solche Zulassungen beziehen sich nicht auf universelle Impfstoffe, die also gegen alle Influenzaviren wirksam wären. Was Sie ansprechen, ist das Konzept der so genannten Mockup-Impfstoffe. Grundlage ist, dass wir sowohl saisonale als auch im Pandemiefall zugelassene Impfstoff haben möchten, also nicht der Bevölkerung anbieten möchten, was klinisch nicht getestet worden ist in Bezug auf Wirksamkeit und insbesondere Verträglichkeit. Und dann hat man aber mit dem Dilemma zu kämpfen, dass man das eigentliche Pandemievirus gar nicht kennt, das man im Pandemie Fall einsetzen möchte. Und deswegen hat man eben zu diesem Trick gegriffen der Muster- oder Mockup-Zulassung auf der Basis eines Virus, das ähnlich wie ein Pandemievirus agieren mag und das ist eben dieses H5N1-Virus. Und damit sind alle Daten zur Herstellung, zur präklinischen und insbesondere zur klinischen Untersuchung generiert worden. Und dann ist es in der Tat so, wenn ein Hersteller auf diese Weise eine Zulassung erworben hat, dann genügt es im Pandemiefall, diese Zulassung auf den eigentlichen Pandemiestamm auszuweiten oder anzupassen, ohne dass weitere Daten zur Verfügung gestellt werden müssen, denn das Konzept ist so ausgelegt, dass alles, was man mit dieser Musterzulassung generiert hat, repräsentativ für jeden möglichen Pandemiestamm ist. Das ist eine komplizierte Angelegenheit, aber es führt letztendlich dazu, dass wir es auch im Pandemiefall mit zugelassenen Impfstoffen zu tun haben.
Blumenthal: Wie viele Impfmittelhersteller haben solche zugelassenen Impfstoffe und können auf diesem Wege arbeiten?
Pfleiderer: Wir haben vier von diesen Mockupzulassungen, GFK besitzt zwei, Novartis hat eine solche Zulassung und Baxter hat auch eine solche Zulassung.
Blumenthal: Und wie schnell ist die Adaption dann an einen neuen Virustyp möglich?
Pfleiderer: Dieser administrativen oder regulatorischen Fristen sind sehr kurz, das geht innerhalb von Tagen. Also wir können nicht auf der einen Seite von den Herstellern verlangen, schnell Impfstoffe zu produzieren, und uns dann Monate für die Genehmigung Zeit lassen. Diesem Mockup-Prinzip liegt genau zugrunde, dass sie eben relativ schnell diese Anpassungen durchführen und somit einen verkehrsfähigen Pandemieimpfstoff haben.
Blumenthal: Was unterscheidet eigentlich einen Pandemieimpfstoff von anderen, glücklichen Grippeimpfstoffen, außer natürlich um das Virus, um das es geht?
Pfleiderer: Da gibt es sogar massive Unterschiede. Erst einmal, der Produktionsprozess ist im wesentlichen derselbe, weil Sie können im Pandemiefall keine eigenen Produktionsanlagen aus dem Boden stampfen. Das heißt, die Herstellung geschieht wie die Herstellung der saisonalen Impfstoffe. Der große Unterschied liegt in der Formulierung. Wenn die saisonalen Influenza-Impfstoffe nur als Auffrisch-Impfstoffe. Das heißt, man profitiert davon, wenn man jedes Jahr geimpft wird, dann wird das Immunsystem angepasst. Im Pandemiefall nützt uns das gar nichts, weil wir keine zu Grunde liegende Restimmunität besitzen. Das heißt, wir sind immunologisch naiv und müssen wie kleine Kinder gegen Keuchhusten entsprechend grundimmunisiert werden. Und wer sich im Impfstoffgeschäft ein bisschen auskennt, weiß, dass dazu mehrere Teildosen - also drei oder vier Teildosen - notwendig sind, Einzelimpfungen, damit man eine angemessene Grundimmunisierung erreicht. Man versteht dann aber auch, dass es nicht möglich ist, im Pandemiefall vier Teilimpfungen zu benötigen, bis ein Immunschutz da ist. Das wäre logistisch viel zu aufwendig, und man könnte auch nicht erklären, warum einer vier Impfungen bekommt und der andere gar nichts oder nur eine oder zwei. Das zu Grunde liegende Prinzip ist also die Formulierung, das heißt, man muss diese Impfstoffe so immunogen machen, dass man nach maximal zwei Teildosen eine fast 100 prozentige Schutzrate in der geimpften Bevölkerung erzielt. Und genau das ist schon seit langer Zeit entwickelt und etabliert, das heißt, das wird auch für das nächste Pandemievirus so sein, dass man zwei Teildosen, die zwischen, sagen wir, 10 Tagen und mehreren Wochen nacheinander verabreicht werden, eben geschützt ist gegen das Virus.