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Banken-Verstaatlichung "das aller, allerletzte Mittel"

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, Manfred Weber, befürwortet einerseits die Hilfe des Staates für Banken in der jetzigen systemischen Finanzkrise. Es müsse aber am Ende "wieder möglich sein, dass Banken in den Konkurs gehen", so Weber.

Manfred Weber im Gespräch mit Elke Durak |
    Elke Durak: Die Bundesregierung will keine zentrale "Bad Bank" aus Steuergeldern, die die faulen Kredite einsammelt und die Banken so von Abschreibungen bewahrt, die sie die Existenz kosten könnten. Aber die Bundesregierung will verhindern, dass durch den Sturz einer oder mehrerer Banken ein verheerender Domino-Effekt greift. Die Bundesregierung werde sich bei diesem Thema von den Banken nicht unter Druck setzen lassen, versicherte allerdings die Bundeskanzlerin am Wochenende. – Am Telefon ist. Guten Morgen, Herr Weber!

    Manfred Weber: Guten Morgen, Frau Durak.

    Durak: Setzen Sie, die Banken, die Bundesregierung unter Druck?

    Weber: Nein, natürlich nicht.

    Durak: Sondern?

    Weber: Das müssen Sie die Bundeskanzlerin fragen oder wer immer sich unter Druck gesetzt fühlt. Wir tun das nicht, und zwar grundsätzlich nicht. – Eine ganz andere Sache ist, dass man die Diskussion, die ja seit einigen Tagen sehr im Gange ist in Deutschland, natürlich sachlich begleiten kann. Da kann man auch sein Know-how einbringen. Wir haben eine schwierige Lage. Hier ist jeder aufgefordert, doch mit unter Druck setzen hat das nun weiß Gott absolut nichts zu tun.

    Durak: Die Bundeskanzlerin wird sich ja was dabei gedacht haben, dies so gesagt zu haben, aber das werden wir sie dann bei günstiger Gelegenheit fragen. – Herr Weber, es heißt, eine Arbeitsgruppe des Bankenverbandes erarbeite ein eigenes Konzept für faule Wertpapiere. Damit meinten Sie vielleicht auch Ihren Beitrag. Wie sieht das aus?

    Weber: Ein Konzept für faule Wertpapiere – Entschuldigung! – kenne ich nicht.

    Durak: Fürs Einsammeln und Auffangen!

    Weber: Das wäre in der Tat ein faules Konzept. – Nein, wir müssen die Sache doch sachlich angehen. Wir sehen, dass wir noch nicht durch die Finanzmarktkrise durch sind. Wir haben noch vor uns die erheblichen konjunkturellen Auswirkungen, die teilweise auch mit dieser Finanzmarktkrise zusammenhängen. Und das Problem, das auf dem Tisch liegt – und hier versuchen wir, gemeinsam mit der Politik eine Lösung zu finden -, ist, dass wir nicht von Quartal zu Quartal vor dem Erfordernis neuer Wertberichtigungen in den Bankbilanzen gestellt werden. Das würde das Eigenkapital weiter schwächen und würde letztendlich vielleicht dazu führen, dass wir auch in Deutschland das bekommen, was andere Länder schon haben, nämlich eine Kreditklemme. Daran kann niemand ein Interesse haben und hier gilt es, sachliche Lösungsmöglichkeiten zu erörtern, und ich kann die Bundesregierung sozusagen nur auffordern, in der Tat sich die notwendige Zeit zu nehmen. Hier gibt es keine leichten Lösungen, die auf dem Tisch liegen, die wir dann nur kurzum beschließen müssen.

    Durak: Welche Lösungen schweben Ihnen denn vor, um die Banken von solchen Risikopapieren vorübergehend zu befreien?

    Weber: In einer solchen Situation, in einer systematischen Finanzkrise gibt es nur einen Akteur, der helfen kann, und das ist in der Tat der Staat. Wir müssen schauen, dass Teile dieser Wertpapier-Portfolien, die mit solchen Risiken behaftet sind, dass vielleicht auch Teile der Kreditforderungen mit solchen Risiken an eine staatliche Institution kommen. Lassen Sie mich gleich dazu sagen: Strikt davon zu trennen ist die Frage, wer letztendlich die Lasten hier tragen muss. Das hängt auch schon damit zusammen, dass wir heute, zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht abschätzen können, welche Risiken, welche Chancen einer Markterholung, einer Erholung der Preise dieser Papiere vor uns liegen.

    Durak: Welche Lasten meinen Sie und wer soll die tragen?

    Weber: Wir haben das Instrument im Prinzip ja schon vorgesehen beim Finanzmarktstabilisierungsfonds. Hier ist es gedeckelt vom Volumen her, hier gibt es auch noch eine zeitliche Begrenzung, beziehungsweise es bedarf der Zustimmung im Einzelfall der EU-Kommission, dass man so etwas aus den Bankbilanzen von staatlicher Seite länger als 36 Monate herausnehmen kann. Das Problem ist: wenn ich dies nicht geändert bekomme, dann reichen die Volumina nicht. Die Fristen helfen mir hier nicht weiter, ich brauche eine längere Frist. Schweden hat gezeigt, dass man von Vornherein nicht sehen kann, welche finanzielle Belastung hier am Ende, wenn die Endabrechnung gemacht wird, entstehen wird. Das hat damit zu tun, dass wir eben nicht nur über faule Wertpapiere reden, wie es heißt. Das Subprime-Thema ist ja zu einem guten Teil durch Wertberichtigungen schon in den Griff bekommen worden. Wir sehen ganz neue Entwicklungen in Marktsegmenten, von denen niemand sagen kann, dass es sich hier um Giftpapiere handelt.
    Als Beispiel möchte ich erwähnen italienische Staatsanleihen. Hier laufen die Zinsen an den Märkten erheblich auseinander und führen eben zu einem solchen Wertberichtigungsbedarf in den Bankanleihen. Jetzt wird niemand behaupten können, eine Bank hätte unverantwortlich spekuliert, indem sie einen Teil ihrer Anlagen, einen angemessenen Teil ihrer Anlagen in italienische Staatsanleihen investiert hat.

    Durak: Herr Weber, für Sie ist das Tagesgeschäft. Für viele unserer Hörer ist es sehr schwierig, diesen Dingen zu folgen. Sie haben erst im Zuge dieser Krise so einiges sozusagen aus dem Bankengeschäft sich angelesen, angehört. Deshalb bitte ich Sie noch mal um eine einfache Erklärung. Denkt der Bundesverband der Deutschen Banken daran, dezentrale "Bad Banks" zu schaffen, oder nicht?

    Weber: Wir arbeiten an Überlegungen, um das ganz klar zu beantworten, wie man diesem Bilanzproblem, das ich eben versucht habe zu umreißen, Herr werden kann. Das wird nur gehen mit Unterstützung der Politik, mit Unterstützung des Fonds Finanzmarktstabilisierung. Hier sitzen wir an Überlegungen. Das ist nicht ganz einfach, da sind wir auch noch nicht am Ende unserer Überlegungen angekommen. Die werden wir zu gegebener Zeit dann auch der Politik unterbreiten und natürlich auch der Öffentlichkeit.
    Wir sollten uns alle vor Augen halten: es geht nicht darum, jetzt den einzelnen Banken oder sogar Bankmanagern zu helfen. Es geht darum, dass wir diese systemische Finanzmarktkrise so in den Griff bekommen, dass sie gesamtwirtschaftlich möglichst geringe Auswirkungen hat und die Situation nicht noch verschlimmert wird. Das ist die einzige Motivation, die auch für die Politik dahinter stehen kann.

    Durak: Herr Weber, zweites Stichwort Verstaatlichung, wie auch immer man das interpretieren will. Es heißt, die Große Koalition arbeite an Gesetzentwürfen zur Verstaatlichung, Staatsbeteiligung, Mehrheitsübernahme, "Enteignung" von Privatbanken. Hypo Real Estate wird wahrscheinlich betroffen sein. Sind Sie einverstanden?

    Weber: Ich will mich nicht zu einzelnen Banken äußern. Grundsätzlich kann eine Verstaatlichung nur das aller allerletzte Mittel in diesem Prozess sein. Hier gilt es, sehr genau abzuwägen zwischen verfassungsrechtlichen Erfordernissen auf der einen Seite und dem, was auf der anderen Seite in der spezifischen Notsituation einer einzelnen Bank vielleicht erforderlich sein mag. Ein schmaler Grat, auf dem die Politik hier wandelt. Ich würde mir an und für sich wünschen, dass wir Wege finden, ohne eine Verstaatlichung über die Runden zu kommen, um das einmal so salopp auszudrücken. Wir sollten ja auch immer das Ende bedenken. Ich glaube, wir stehen nach wie vor ja auf dem Boden einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung. Das heißt, hier geht es immer nur um ein Engagement des Staates auf Zeit.

    Durak: Was wäre das Ende?

    Weber: Das Ende wäre dann wieder die Privatisierung. Ja, das muss ja nun das Ende sein. Die Privatisierung beziehungsweise wie immer in einer Marktwirtschaft, wenn ein Haus absolut nicht zu halten ist, muss es auch wieder möglich sein, dass Banken in den Konkurs gehen wie andere Wirtschaftsunternehmen auch. Der Staat wäre absolut überfordert, wenn er im Bankgewerbe, aber wie teilweise ja diskutiert auch darüber hinaus sozusagen über alles seine schützende Hand hält. Das wird nicht gut gehen.
    Der zweite Rat, glaube ich, den man hier geben muss, jedenfalls wenn man nach wie vor von den Vorzügen einer Marktwirtschaft überzeugt ist: noch weniger als staatliches Eigentum sollte man anstreben staatliches Mitsprechen in unternehmerischen Entscheidungen. Das ist noch nie gut gegangen. Das haben wir bei den Landesbanken im Bankgewerbe gesehen und auch in anderen Fällen. Der Staat hat eine sehr wichtige Aufgabe in der Marktwirtschaft. Er muss die Regeln setzen und er ist gleichzeitig derjenige, der darauf achten muss, dass die Regeln dann von den Marktteilnehmern auch eingehalten werden. Das muss wieder der Zustand sein, zu dem wir zurückkehren müssen, wenn die Finanzmarktkrise überwunden wird.

    Durak: Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Herr Weber, danke für das sehr aufschlussreiche Gespräch.

    Weber: Ich danke Ihnen.

    Durak: Auf Wiederhören!