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Bankensektor
Immer wieder am Pranger

Kaum ein Geldinstitut hatte im vergangenen Jahr keinen Besuch vom Staatsanwalt, immer wieder wurde Manipulationsvorwürfen nachgegangen. Der Ruf der internationalen Finanzszene steht nicht zum Besten. Nun müssen die betrügerischen Absprachen aufgearbeitet werden.

Von Brigitte Scholtes | 03.01.2014
    Es scheint kein Ende zu nehmen, immer wieder waren in den vergangenen Monaten solche Schlagzeilen zu lesen:
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    Hohe Strafen alarmieren Bankenaufseher: UBS muss Risiken höher gewichten
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    Die Staatsanwälte haben viel aufzudecken in der internationalen Finanzszene. Da wurden Absprachen getroffen, wie hoch der Referenzzinssatz Libor sein sollte. Der Goldpreis scheint manipuliert worden zu sein, ebenso die Festsetzung der Wechselkurse. Mit diesen betrügerischen Absprachen wurden über die Jahre Milliarden Dollar und Euro verdient. Die Geldhäuser zahlen jetzt einen hohen Preis: So hat etwa die EU-Kommission sechs Großbanken wegen der Manipulation von Referenzzinssätzen mit einem Rekordbußgeld von insgesamt 1,7 Milliarden Euro belegt. Das tut den Instituten zwar weh, aber sie können das verkraften, sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken:
    "Die Banken müssen dafür Vorsorge treffen. Es ist ja bekannt, dass beispielsweise die Deutsche Bank vier Milliarden in ihre Gewinn- und Verlustrechnung eingestellt hat. Es ist bekannt, dass JP Morgan in Amerika 13 Milliarden an Vergleichszahlungen geleistet hat. Das sind schon große Beträge, die müssen auch erst in den Gewinn- und Verlustrechnungen verdaut werden. Es sind aber im Vergleich zur Ertragskraft der Häuser keine Beträge, die diese Häuser irgendwie in wirtschaftliche Bedrängnis bringen könnten."
    In Deutschland steht vor allem die Deutsche Bank immer wieder am Pranger. Nicht zuletzt die Auseinandersetzung um Schadenersatz mit dem früheren Medienmogul Leo Kirch bzw. seinen Erben beschäftigt das Geldhaus seit Jahren. Erst kurz vor Weihnachten tauchte neues, offenbar belastendes Material auf, das die Verantwortlichen wohl im bisherigen Verfahren vor Gericht falsch ausgesagt haben könnten.
    Ebenfalls vor Weihnachten geriet die HSH Nordbank wieder in die Schlagzeilen wegen des Verdachts des Steuerbetrugs in Dividendengeschäften. (*) Der Ruf der Banken ist also immer noch mehr als ramponiert, das weiß auch Michael Kemmer vom Bankenverband:
    "Wir müssen immer wieder um Glaubwürdigkeit werben, was natürlich schwierig ist, weil natürlich in der Öffentlichkeit verständlicherweise diese Meldungen über die Aufarbeitung der Verhaltensweise früherer Jahre natürlich überwiegen. Aber man darf bitte die Augen nicht davor verschließen, dass sich in den Banken schon seither sehr, sehr viel getan hat."
    Es seien ja weniger die Führungskräfte als die Mitarbeiter, die sich kriminell verhalten hätten, wird oft zur Verteidigung angeführt. Doch selbst dann können sich die Führungskräfte nicht von Verantwortung freisprechen, sagt Stefan Bongardt, Analyst von Independent Research:
    "Da haben auch die Unternehmen ganz klar versagt, da vernünftige Kontrollen aufzuziehen und haben dafür auch wissentlich, willkürlich den Mitarbeitern zumindest Freiraum gegeben, in diesen erweiterten Planken zu agieren. Und daher resultiert natürlich auch dieses Fehlverhalten. Und das ist natürlich auch jetzt der Anlass, verschärfte Kontrollen einzuführen, um eben dieses Fehlverhalten, was wir in der Vergangenheit gesehen haben, in Zukunft nicht mehr so zu ermöglichen."
    Doch ob das reicht, daran hat Analyst Bongardt Zweifel. Er fühlt sich eher an das Märchen von Hase und Igel erinnert:
    "Der Kreativität der Mitarbeiter sind da ja keine Grenzen gesetzt. Die Vergangenheit hat das ja auch immer gezeigt, dass man da auch immer Wege gefunden hat, sich dem Zugriff zu entziehen. Also, das ist relativ schwierig vonseiten der Aufsichtsbehörden, da Vorkehrungen zu treffen, die das künftig unterbinden sollen. Das ist praktisch unmöglich."
    Die Staatsanwälte dürften sich also auch künftig weiter mit dem Fehlverhalten von Banken beschäftigen müssen. Hoffentlich aber lässt die Intensität etwas nach.
    (*) Anmerkung der Redaktion: "Wir haben gegenüber der ersten Fassung einen Halbsatz gestrichen, der sich nicht in vollem Umfang belegen ließ."