Barbarei ist das Gegenprinzip der Moderne, aber prinzipiell überwindbar, Mit vernunftgeleitetem Handeln können wir barbarische Elemente der eigenen Gesellschaft überwinden. Ein Beispiel wäre dafür der Zivilisationstheoretiker Elias, der es vertritt und wahrscheinlich vertritt es auch in gewisser Hinsicht Jürgen Habermas.
Mit dieser optimistischen Einschätzung der Barbarei eröffnete die in Hamburg lehrende Soziologin Gabriele Klein das Symposion in Graz. Konsequent hat Ariel Sharon diesen Gedankengang weiterverfolgt: Er geht – ähnlich wie George Bush - von einem manichäischen Weltbild aus: Die Barbaren sind diejenigen, die sich dem eigenen Gesellschaftsmodell widersetzen. "Wir müssen den palästinensischen Terror bekämpfen" – sagte er in einem Interview – "um diese Wilden auszurotten". Barbarei – so interpretiert – entpuppt sich als ein Prozess, der die Lichtgestalt der Rationalität pervertiert:
Wenn es in der Dialektik der Aufklärung von Adorno / Horkheimer heißt, vieles hat die Menschheit sich antun müssen, bis der vernunftgeleitete, übrigens auch männliche Charakter der Vernunft erschaffen wurde, das weist darauf hin, das im Grunde genommen die Idee des Fortschritts der Moderne immer mit der Idee der Barbarei verbunden war, mit der Verdrängung dessen, was man als barbarisch dann entsprechend begreift. Dieses Zitat verweist auf einen wichtigen Punkt, dass Barbarei eben auch eine gender structure hat – ein geschlechtliches Muster und die Frage ist, inwieweit ist dies ein männliches Prinzip.
Karl Heinz Kohl, Direktor des Frobenius-Instituts der Universität Frankfurt am Main, skizzierte in seinem Vortrag den historischen Hintergrund der Debatte über Barbarei:
Zivilisierte Barbaren und Wilde das ist eine Abstufung von Kulturen, die vor allem im 19. Jahrhundert eine Konjunktur bei uns erlebt hat, wobei Barbaren als bereits staatlich organisierte Völker definiert worden sind, die damals der kolonialen Expansion Europas mehr Widerstand hatten entgegensetzen können als die sogenannten Naturvölker und Wilden. Wenn die islamische Welt, die heute summarisch verantwortlich gemacht wird, völlig unverständlich und auch ungerechterweise, für das, was am 11. September in New York geschehen ist, als barbarisch bezeichnet wird, dann eben nur vor dem Hintergrund des Selbstverständnisses Amerikas und des Westens als die eigentliche Zivilisation.
Klaus Theweleit , Soziologe an der Universität Freiburg , bezog sich in seinen Ausführungen auf den Theorienparodisten Jean Baudrillard, der in seinem Essay "Requiem für die Twin Towers diese vertikale Bombardierung des kapitalistischen Paradesymbols als Racheakt der "Verdammten dieser Erde" bezeichnet hatte. Theweleit sprach von Wortabsonderungsmaschinen, die ein verqueres Verhältnis zur Realität an den Tag legten:
Es gibt von ihm eine Wust von Äußerungen, die für mein Gefühl an vielen Stellen nicht zusammen passen. In diese Äußerungen zu den Twin Towers kam er mir sehr durcheinander und wie ich es nenne ins Hirn getroffen vor. Es war für mich ein Anlauf der in einen Aschenhaufen zusammenfiel
Philipp Sarasin, Professor für Geschichte an der Universität Zürich bezeichnete das Attentat in New York als ein Phänomen, das den verletzbaren Körper der Großstadt aufgezeigt habe. Die islamischen Terroristen verstand er als Verkörperung des unsichtbaren Feindes, der trotz seiner Maskierung als Schläfer ständig präsent ist.:
Normalerweise sind die Terroristen nicht sichtbar. Es sind wenige einzelne, die eindringen mit sehr wirkungsvollen Mitteln sehr viel Schaden anrichten. Was mich daran interessiert, man kennt ja die Metaphorik von Krebszellen, die gleichsam anarchistisch zu wuchern im Körper beginnen. Es ist zu betonen, dass diese Leute von außen kommen und damit sich eine große Parallelität ergibt zur Sprache der Bakteriologie, wo auch gesagt wurde, die gefährlichen Mikroben kommen von außen, dringen in den Körper ein und töten ihn.
Sarasin ging auch auf Reflexionen des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan ein, der Formen der Ausgrenzung wie die Barbarei mit der Gestalt des Phantasmas in Verbindung brachte:
Das ist eine lacansche Denkfigur, die ich sehr interessant finde. Zu sagen, es gibt gleichsam fixierte, festgefrorene Bilder, die die Wirklichkeit strukturieren, die den Zugang des Subjekts zur Wirklichkeit formen und dazu dienen, vor etwas zu schützen, vor etwas, was wirklich bedrohlich ist; bedrohlicher ist als das Phantasma selbst auch behauptet.
Das Fazit des Symposion lautete: Schluss mit Ausgrenzungen, Schluss mit ergriffen wie Barbarei, die längst gestorben sind, aber unser Denken und Handeln weiter bestimmen.
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347.html
Mit dieser optimistischen Einschätzung der Barbarei eröffnete die in Hamburg lehrende Soziologin Gabriele Klein das Symposion in Graz. Konsequent hat Ariel Sharon diesen Gedankengang weiterverfolgt: Er geht – ähnlich wie George Bush - von einem manichäischen Weltbild aus: Die Barbaren sind diejenigen, die sich dem eigenen Gesellschaftsmodell widersetzen. "Wir müssen den palästinensischen Terror bekämpfen" – sagte er in einem Interview – "um diese Wilden auszurotten". Barbarei – so interpretiert – entpuppt sich als ein Prozess, der die Lichtgestalt der Rationalität pervertiert:
Wenn es in der Dialektik der Aufklärung von Adorno / Horkheimer heißt, vieles hat die Menschheit sich antun müssen, bis der vernunftgeleitete, übrigens auch männliche Charakter der Vernunft erschaffen wurde, das weist darauf hin, das im Grunde genommen die Idee des Fortschritts der Moderne immer mit der Idee der Barbarei verbunden war, mit der Verdrängung dessen, was man als barbarisch dann entsprechend begreift. Dieses Zitat verweist auf einen wichtigen Punkt, dass Barbarei eben auch eine gender structure hat – ein geschlechtliches Muster und die Frage ist, inwieweit ist dies ein männliches Prinzip.
Karl Heinz Kohl, Direktor des Frobenius-Instituts der Universität Frankfurt am Main, skizzierte in seinem Vortrag den historischen Hintergrund der Debatte über Barbarei:
Zivilisierte Barbaren und Wilde das ist eine Abstufung von Kulturen, die vor allem im 19. Jahrhundert eine Konjunktur bei uns erlebt hat, wobei Barbaren als bereits staatlich organisierte Völker definiert worden sind, die damals der kolonialen Expansion Europas mehr Widerstand hatten entgegensetzen können als die sogenannten Naturvölker und Wilden. Wenn die islamische Welt, die heute summarisch verantwortlich gemacht wird, völlig unverständlich und auch ungerechterweise, für das, was am 11. September in New York geschehen ist, als barbarisch bezeichnet wird, dann eben nur vor dem Hintergrund des Selbstverständnisses Amerikas und des Westens als die eigentliche Zivilisation.
Klaus Theweleit , Soziologe an der Universität Freiburg , bezog sich in seinen Ausführungen auf den Theorienparodisten Jean Baudrillard, der in seinem Essay "Requiem für die Twin Towers diese vertikale Bombardierung des kapitalistischen Paradesymbols als Racheakt der "Verdammten dieser Erde" bezeichnet hatte. Theweleit sprach von Wortabsonderungsmaschinen, die ein verqueres Verhältnis zur Realität an den Tag legten:
Es gibt von ihm eine Wust von Äußerungen, die für mein Gefühl an vielen Stellen nicht zusammen passen. In diese Äußerungen zu den Twin Towers kam er mir sehr durcheinander und wie ich es nenne ins Hirn getroffen vor. Es war für mich ein Anlauf der in einen Aschenhaufen zusammenfiel
Philipp Sarasin, Professor für Geschichte an der Universität Zürich bezeichnete das Attentat in New York als ein Phänomen, das den verletzbaren Körper der Großstadt aufgezeigt habe. Die islamischen Terroristen verstand er als Verkörperung des unsichtbaren Feindes, der trotz seiner Maskierung als Schläfer ständig präsent ist.:
Normalerweise sind die Terroristen nicht sichtbar. Es sind wenige einzelne, die eindringen mit sehr wirkungsvollen Mitteln sehr viel Schaden anrichten. Was mich daran interessiert, man kennt ja die Metaphorik von Krebszellen, die gleichsam anarchistisch zu wuchern im Körper beginnen. Es ist zu betonen, dass diese Leute von außen kommen und damit sich eine große Parallelität ergibt zur Sprache der Bakteriologie, wo auch gesagt wurde, die gefährlichen Mikroben kommen von außen, dringen in den Körper ein und töten ihn.
Sarasin ging auch auf Reflexionen des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan ein, der Formen der Ausgrenzung wie die Barbarei mit der Gestalt des Phantasmas in Verbindung brachte:
Das ist eine lacansche Denkfigur, die ich sehr interessant finde. Zu sagen, es gibt gleichsam fixierte, festgefrorene Bilder, die die Wirklichkeit strukturieren, die den Zugang des Subjekts zur Wirklichkeit formen und dazu dienen, vor etwas zu schützen, vor etwas, was wirklich bedrohlich ist; bedrohlicher ist als das Phantasma selbst auch behauptet.
Das Fazit des Symposion lautete: Schluss mit Ausgrenzungen, Schluss mit ergriffen wie Barbarei, die längst gestorben sind, aber unser Denken und Handeln weiter bestimmen.
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