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Barocke Herrscherpersönlichkeit

Die Düsseldorfer lieben ihren Johann Wilhelm von der Pfalz, genannt Jan Wellem. Der volkstümliche Herrscher hielt Hof in Düsseldorf und bescherte seiner Stadt damit eine Glanzzeit. Jetzt feiert die Stadt den 350. Geburtstag seines Kurfürsten mit verschiedenen Ausstellungen, aber auch mit Straßenfesten und der Aufführung einer Oper.

Hubert Winkels im Gespräch mit Katja Lückert |
    Katja Lückert: Um das Reiterstandbild von Jan Wellem, das vor dem Düsseldorfer Rathaus steht, rankt sich eine Legende. Der zufolge soll das Denkmal von den Bürgern gestiftet worden sein, und nachdem dem Künstler das Material ausgegangen war, klopfte ein Junge an die Türen der Düsseldorfer Bürger und sammelte Spenden in Form von Silberbesteck. Der junge Heinrich Heine überlegte in einem späteren Brief, wie viele Apfeltörtchen er wohl mit den ganzen Silberlöffeln hätte essen können. In diesem Jahr feiert Düsseldorf den 350. Geburtstag seines Kurfürsten mit verschiedenen Ausstellungen, aber auch mit Straßenfesten und der Aufführung einer Oper. An den Literaturkritiker Hubert Winkels, den man heute wohl vor allem als Düsseldorfer vorstellen muss, ging die Frage: Johann Wilhelm von der Pfalz, warum war er und ist er für Düsseldorf von so großer Bedeutung?

    Hubert Winkels: Ja, Sie haben schon eins dieser wichtigen Elemente benannt, aber auch eins der Missverständnisse. Tatsächlich ist Johann Wilhelm von der Pfalz ein äußerst volkstümlicher Herrscher. Er war aber zu seiner Zeit ein auf repräsentative Hofhaltung bedachter großherrlicher Kurfürst, ein äußerst mächtiger Mann. Trotzdem ist er so volkstümlich, dass er erstens Jan Wellem heißt und nicht mehr Johann Wilhelm und zweitens bis heute solche netten Geschichten erzählt werden, wie Sie eben berichteten, die waren natürlich ganz anders. Sondern er wollte vom besten Bildhauer, den er kannte, die tollste Figur von ihm selber haben, damit er in die Ewigkeit eingeht, was auch so passiert ist. Und das Einzige, was die Düsseldorfer Bürger allerdings erst, sagen wir, 150 Jahre schätzungsweise später dazu beigetragen haben, war der Sockel zu diesem Denkmal. Das immerhin. Da war er schon volkstümlich geworden. Und warum das so ist, Ihre eigentliche Frage, im Kern historisch, hat damit zu tun, dass seine Zeit in Düsseldorf die Jahrhundertwende 17. zum 18. Jahrhundert, diese barocke Zeit auch von Ludwig XIV. und anderen, die Blütezeit Düsseldorfs war. Die kulturelle Blütezeit, aber durch die Hofhaltung, weil er den Hof nach Düsseldorf gelegt bzw. in Düsseldorf gelassen hat, die Residenzstadt Düsseldorf gepflegt hat, anders als seine Vorgänger und seine Nachfolger hat er uns, den Düsseldorfern, eine Glanzzeit beschert. Er war ja sowohl der Herrscher von Pfalz-Neuburg an der Donau wie von einem der mächtigsten Teile des Reiches, nämlich der Pfalz selber, der Kurpfalz, Heidelberg und Mannheim und eben Jülich und Berg.

    Lückert: Und mit welchen kulturellen Ereignissen wird nun dieser 350. Geburtstag begangen? Von einer Ausstellung unter dem Titel "Herrlich, himmlisch, höfisch" war in dieser Sendung ja schon vor ein paar Tagen mal die Rede, aber es gibt noch mehr. Was sind so die wichtigsten Veranstaltungen?

    Winkels: Es gab eine ganze Kette von Ereignissen. Es wurde in der Hofkirche St. Andreas eine große Kopie des Rubenswerks "Das jüngste Gericht" gezeigt am Anfang. Dann wurde im Stadtmuseum die Akte Jan Wellems gezeigt, eigentlich seine Biografie entlang einer Ausstellung entworfen. Dann hat es in der vielleicht die schönste, jedenfalls im Sinne von Kleinodien schönste Ausstellung gegeben in der schon genannten Andreaskirche. Und in dieser Kirche in dem Fürstenteil gibt es eine wunderbare Ausstellung mit all den Schenkungen, die er den Jesuiten damals gemacht hat. Und es ist wunderbares Altargerät und wunderbare Talare, Paramente und so fort. Und im Übrigen gehört zu diesem Teil der Kirche auch das Mausoleum, in dem seine Grablege zu sehen ist, eines der großen Barockkunstwerke. Neben einem großen Volksfest auf dem Schlossplatz usw. gab es eben am Wochenende auch eine Opernaufführung. Und das war schon etwas sehr Besonderes in Düsseldorf, genau die Oper, mit der vor 312 Jahren die Düsseldorfer Hofoper eröffnet wurde, zum ersten Mal seit dieser Zeit wiederaufgeführt wurde, nach 312 Jahren, die Oper "Giocasta".

    Lückert: Daraus können wir jetzt sogar ein paar Töne hören.

    ((Musikeinspielung))

    Lückert: "Giocasta", welche Bedeutung hatte dieses Musiktheater?

    Winkels: Nun ja, es war, soweit man das historisch rekonstruieren kann, vor allen Dingen auf Betreiben von Jan Wellems zweiter Ehefrau Anna Luisa Maria de’ Medici betrieben worden. Das war die Tochter von Cosimo III., dem Herrscher von Florenz, äußerst kunstsinnig, äußerst reich und sehr musikverliebt. Beide waren sie überhaupt kunstvernarrt, aber Tendenz Jan Wellem bildende Kunst, Tendenz Anna Maria Luisa Medici Musik.

    Lückert: War denn Jan Wellem überhaupt ein großer Förderer der Künste, so wie man das liest?

    Winkels: Einer der größten überhaupt muss man sagen. Seine Sammlung, seine Bildersammlung des späten 17. Jahrhunderts galt als eine der drei großen deutschen Bildersammlungen neben der des Kaisers. Und die war für über 100 Jahre das mit Abstand wichtigste, weshalb man überhaupt nur Düsseldorf kannte, die Tatsache, dass Goethe zweimal in Düsseldorf war. Warum hat Düsseldorf ein Goethemuseum? Weil Goethe in Düsseldorf war. Warum war er in Düsseldorf? Weil er wie alle Welt die berühmte Sammlung von Jan Wellem sehen wollte.

    Lückert: Hubert Winkels über den kulturellen Veranstaltungsreigen, mit dem die Stadt Düsseldorf den 350. Geburtstag von Jan Wellem begeht.