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Bartsch plädiert für Regierungsbeteiligungen der Linken

Die neue Partei "Die Linke" sollte nach Ansicht von Dietmar Bartsch Regierungsverantwortung anstreben. "Wir müssen auch regieren wollen, und wir müssen regieren können", sagte Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Linkspartei.PDS, die an diesem Wochenende die Fusion mit der WASG zur Partei "Die Linke" abschließen will.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Linkspartei und WASG werden an diesem Wochenende fusionieren. Erklärtes Ziel dieser Vereinigung ist, jedenfalls aus Sicht der Linkspartei, mehr politischen Einfluss in Deutschland zu gewinnen. Und diese Einschränkung, die deutet auf die Frage hin, ob und wie die Mitglieder und Anhänger beider Seiten wirklich dasselbe wollen.

    Dietmar Bartsch ist am Telefon, Bundesgeschäftsführer der Linkspartei.PDS. Schönen guten Morgen!

    Dietmar Bartsch: Ich grüße Sie!

    Durak: Was ist die WASG für Ihre Partei mehr als nur Mittel zum Zweck, im Westen Fuß zu fassen?

    Bartsch: Die neue Partei wird weder WASG noch Linkspartei.PDS sein. Wir stehen dann am Montag neu am Start. Ja, wir wollen mehr politischen Einfluss haben. Das ist völlig unbestritten. Als PDS haben wir die Erfahrung gemacht, in den alten Ländern nicht so erfolgreich zu sein, wie wir das wollten. Da hat sich mit der WASG eine Partnerin entwickelt, die die Chance gibt, die gesamtdeutsche Linke einflussreich stark zu machen. Da geht es dann nicht mehr darum zurückzuschauen, wer woher kommt, sondern vor allen Dingen werben wir für neue Mitglieder, für neue Wählerinnen und Wähler, diejenigen, die weder in der einen noch in der anderen Partei sozialisiert worden sind.

    Durak: Ihr kommender Parteivorsitzender Gysi sagt, mit der Fusion sei die ehemalige PDS endgültig auch im Westen angekommen. Man könnte auch sagen, das ist falsch, sie haben sich an die WASG drangehängt.

    Bartsch: Zunächst wird der liebe Gregor Gysi nicht Parteivorsitzender. Das werden vermutlich Lothar Bisky und Oskar Lafontaine. Ansonsten ist es nicht so, dass sich irgendwer an irgendwen herangehängt hat. Beide Parteien waren selbstständig. Es war so, dass wir in Nordrhein-Westfalen gegeneinander kandidiert haben. Daraus haben wir die Schlussfolgerung gezogen, beide Parteien haben es nicht geschafft, dass gemeinsame eine starke Linke bei der Politik, die in diesem Land gemacht wird, notwendig ist. In diesem Sinne ist nicht, wer wen, hier eine Frage, sondern wirklich ein Neuansatz. Konkurrierende Kandidaturen wie in Mecklenburg-Vorpommern wie auch in Berlin haben uns sehr geschadet. Da, wo wir gemeinsam angetreten sind, wie in Sachsen-Anhalt, wie in Bremen, haben wir große Erfolge erzielt. Das ist die Chance der neuen Linken. Hier ist viel zu leisten, politisch, programmatisch, strategisch, aber es gibt ein Bedürfnis. Das machen Umfragen, konkrete Wahlergebnisse und auch der Zulauf, den wir im Moment haben, deutlich.

    Durak: Sie haben nicht nur Konkurrenz gehabt durch die WASG; die WASG hat Sie auch Stimmen gekostet. Aus der WASG wurde die Linkspartei insbesondere in Berlin wegen neoliberaler Politik angegriffen, und das eben hat Stimmen gekostet. Wenn Sie nun aber weiter und wieder Regierungsverantwortung im Osten übernehmen wollen, wird so etwas nicht ausbleiben. Ist da nicht die Gefahr der Selbstzerstörung?

    Bartsch: Sie haben völlig Recht: Konkurrierende Kandidaturen haben uns in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern zuletzt sehr geschadet. Aber ganz klar ist auch: Wir treten an mit politischen Zielen. Parlamentarische Konstellationen sind dann eine Resultante. Meine Position ist ganz klar: Wir müssen auch regieren wollen, und wir müssen regieren können. Dafür braucht man Partner, und das wird nach politischen Zielsetzungen und politischen Möglichkeiten entschieden. Es geht nicht darum, etwa um jeden Preis zu kandidieren. Niemand tut das, keine politische Partei. Das ist bei uns ganz genauso. Wir haben auf der Bundesebene eine Situation, dass die Politik, die aktuell gemacht wird - ich brauche nur auf Gesundheitsreform, Rente mit 67, die wirklich unsozialen Entscheidungen steuerpolitischer Natur, ob Mehrwertsteuer, ob die Pendlerpauschale, ob die Kürzung des Kindergeldes und gleichzeitig Milliardengeschenke an Konzerne und Banken hinzuweisen -, das alles können wir nicht mittragen. Aber grundsätzlich bleibt: Wir wollen das Land auch über Regierungsverantwortung verändern, völlig klar. Denn es wird schwierig sein, aus der Opposition zum Beispiel Hartz IV abzuschaffen.

    Durak: Meine Frage zielte eher auf die künftige innerparteiliche Auseinandersetzung, Herr Bartsch. Hier ist die Linkspartei, alte PDS, als tatsächliche und potenzielle Regierungspartei im Osten, da die eigentlichen Regierungsverweigerer West. Wie soll das zusammengehen?

    Bartsch: Diese Auseinandersetzung haben wir in der PDS gehabt. Das ist auch eine sinnvolle Auseinandersetzung, dass wir immer schauen müssen, inwieweit wir oppositionell, und wir sind gesellschaftliche Opposition, sind, und wo wir auch bereit sind, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Aber ganz deutlich: Oskar Lafontaine hat erklärt, dass er im Saarland als Ministerpräsidenten-Kandidat antritt. Das ist ja nun eine deutliche Aussage, auch was Regierungsverantwortung betrifft. Diese Auseinandersetzung werden wir führen. Es wäre furchtbar, wenn wir sie nicht mehr haben. Sie muss aber nach vorne geführt werden. Ich werde dafür werben, jedenfalls auf dem Parteitag, dass es so ist und dass wir sehr wohl innerparteilich uns aufstellen. Aber de entscheidenden Auseinandersetzungen müssen mit unseren politischen Konkurrenten geführt werden, und da bleibt es auch dabei, dass der erste Konkurrent die Neoliberalen in der CDU und in der FDP sind.

    Durak: Und der zweite ist die SPD. Was wollen Sie künftig machen, die SPD so weit aufweichen, bis sie gar nicht mehr anders kann, als irgendwann mit Ihnen zusammenzugehen?

    Bartsch: Wir richten unsere Politik nicht nach der SPD, sondern an den Menschen in diesem Land, die uns gewählt haben und die uns wählen können, aus. Die SPD hat ein Problem. Wenn die SPD einen Mindestlohn will, dann muss sie ihn im Bundestag abstimmen lassen, und sie hat dort eine Mehrheit. Wenn die SPD wirklich eine andere Außenpolitik will, wirklich nicht mehr deutsche Soldaten ins Ausland schicken, sondern einen anderen Weg sich vornehmen will, das ist die richtige Entscheidung. Uns geht es nicht darum gegen die SPD, sondern um Politik. Die SPD hat das Problem. Sie hat die Rente mit 67 verabschiedet. Sie hat unter der Hoheit von Ulla Schmidt diese Gesundheitsreform verabschiedet. Sie ist diejenige, die nicht die sozialen Sicherungssysteme festmacht und die gleichzeitig eben Milliardengeschenke verteilt.

    Durak: Aber die Unzufriedenen von der SPD nehmen Sie gern?

    Bartsch: Wir werben um jede Wählerin und jeden Wähler. Wir werben für unsere politischen Inhalte. Und es ist nachgewiesen bei Wahlen, dass wir im Moment Zulauf sehr wohl von der SPD haben, sehr wohl auch von den Grünen und auch von der CDU haben. Aber die Zielgruppe sind auch Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Das ist das größte Potenzial. Die wollen wir zurückgewinnen, sich zu engagieren. Wir wollen eine emanzipatorische Politik, wo jede und jeder wirklich auch sein Schicksal in die Hand nimmt. Deswegen wollen wir einladen mitzumachen. Mitgliederwerbung wird unser wichtigster Punkt sein.

    Durak: Erst einmal müssen Sie sich vereinigen. Dies wird an diesem Wochenende geschehen. Das war Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Linkspartei.PDS. Besten Dank, Herr Bartsch, für das Gespräch!

    Bartsch: Ich danke auch!