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Baseball, Bush oder Bono

Wenn keiner das Produkt sehen kann, dann wird es auch nicht gekauft. Diesen Marketing-Grundsatz nehmen sich die amerikanischen Universitäten seit Jahrzehnten zu Herzen. Da die Staatsanteile seit Beginn der 70er Jahre zurückgehen, müssen die Hochschulen ihre Haushalte immer mehr mittels eigener wirtschaftlicher Aktivitäten finanzieren. Zu den wichtigsten Instrumenten auf dem Marktplatz Bildung zählen Event- und Prominentenmarketing.

Von Max Böhnel |
    Als CIA-Chef George Tenet, der die Medien scheute wie der Teufel das Weihwasser, sich kurz nach seinem Rücktritt vor laufenden Kameras über Saddam Hussein und angebliche Massenvernichtungswaffen ausließ, dann war ihm die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher. Dass er für seinen Auftritt an der Washingtoner Georgetown University im Februar vergangenen Jahres ausgerechnet ein Uni-Auditorium wählte, wurde allerdings nicht hinterfragt. Den Campus-Oberen war die Rede jedenfalls mehr als recht - endlich wieder einen Prominenten, und noch dazu gratis. Denn normalerweise greifen die universitären PR-Abteilungen tief in die eigenen Tasche, um sich die Medienaufmerksamkeit zu sichern. Die mit 3000 Studenten kleine High Point University im Bundesstaat North Carolina engagierte im vergangenen Monat beispielsweise den New Yorker Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani für eine Graduiertenabschlussrede.

    Kostenpunkt: 75000 Dollar - aus der Sicht von Universitätspräsident Nido Qubein allerdings eine lohnende Investition:

    " Das ist eine fantastische Gelegenheit, unsere Schule ins Gespräch zu bringen. Manchmal wird man eben nach der Gesellschaft beurteilt, in der man sich befindet. Zum Empfang Giulianis kamen mehr als 100 Sponsoren, viele von ihnen werden in der Zukunft große Beträge schicken."

    Guiliani an der High Point, der U2-Saenger Bono an der University of Pennsylvania, der Filmemacher Spike Lee an der der University of Miami - es gehe am wenigsten warum, was die Prominenz sagt, solange es nicht kontrovers ist, sagt Richard Barchum, der sich auf Event-Management an Universitäten spezialisiert hat. Wichtig sei die Präsenz einer prominenten Person. Richard Barchum:

    " Die Auftrittshonorare für Prominente beginnen bei 20000 Dollar, das sind dann aber zweitklassige Persönlichkeiten. Je mehr man ausgibt, einen desto größeren Namen bekommt man."

    Zum Beispiel Oprah Winfrey, die bis zu 125000 Dollar pro Rede einstreicht. Aber es gibt auch Universitäten, die, statt einen Scheck auszuschreiben, grundsätzlich nur einen Doktorhut verleihen, etwa die University of Pennsylvania, die Kofi Annan für eine Abschlussrede engagierte, oder Al Gore an der John Hopkins University. Dabei sind allerdings persönliche "connections" entscheidend, wie Pale Patell ausführt, die dort die Graduiertenfeiern plant.

    " Die Connection ist entscheidend. Wenn ein Student oder ein gewöhnlicher Uniangestellter einen Prominenten vorschlägt, dann landet der Vorschlag im Papierkorb."

    Al Gore kam deshalb gratis zur Hopkins University, weil er mit der Frau eines Leitungsmitglieds der Universität bekannt ist. Das so genannte "Edu"-Marketing geht weit über solcherlei Veranstaltungen wie auch über das Eintreiben von Studiengebühren, Lobbying beim jährlichen Hochschulranking oder Bettelbriefe bei Ehemaligen hinaus. Das ist das Universitätslogo, das sich als Marke auf Briefköpfen, Sweatshirts und Kaffeetassen ins Gedächtnis eingräbt, und einen Sinn für "community" herstellen soll, ganz im Stil der "corporate identity" von Großkonzernen. Das Dienstleistungsunternehmen Hochschule hat darüber hinaus längst eigene Branchen entwickelt, die weit in die Pop- und Medienkultur hineinreichen, etwa den millionenschweren College-Basketball-Sport, der jeden März zum dramatischsten Turnier im US-Sportkalender wird. Millionen von Fernsehzuschauern und Wettumsätze von bis zu 100 Milliarden Dollar verwandeln das nationale Basketballturnier regelmäßig zur so genannten "March Madness".

    64 College-Basketballteams kämpfen um die Meisterschaft. Was sich nicht nur für die Universitäten auszahlt, die mehrere Runden überstehen. Auch die kleinen Institutionen mit weniger professioneller Energie können sich dabei vor einem Millionenpublikum zuhause vor dem Bildschirm in Szene setzen.