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Baseball
Verdacht auf Hacker-Angriff

FBI-Ermittlungen im amerikanischen Baseball illustrieren, was die fachmännische Analyse von Statistiken im Sport wert sein kann: Sehr viel Geld.

Von Jürgen Kalwa | 20.06.2015
    Die New York Yankees vor dem Spielstart gegen die Boston Red Sox
    Die New York Yankees vor dem Spielstart gegen die Boston Red Sox (picture alliance / dpa / Jason Szenes)
    Man kann Baseball, die uramerikanische Sportart, nicht so einfach erklären. Aber eines daran schon. Bei den Profis in den 30 Clubs der Major League geht es um Geld. Viel Geld.
    Allerdings: Reiche Mannschaften haben es leichter, meinte Brad Pitt im Hollywood-Film "Moneyball" - deutscher Untertitel "Die Kunst zu gewinnen". Sie schnappen den anderen gerne die besseren Spieler weg. Gehört man zum Armenhaus, hat man keine Chance. Es sei denn, man lässt sich etwas einfallen.
    So wie der Mann, den Brad Pitt in diesem Film spielt: der Baseball-Manager Billy Beane. Er war der erste, der einst bei den Oakland A's mit Erfolg auf der Basis hochkomplizierter Analysen von Spielerstatistiken arbeitete. Er brachte so das Kunststück fertig, aus Talenten, die von reichen Teams aus welchen Gründen auch immer ignoriert wurden, solche herauszufiltern, die er bezahlen konnte und die gut waren.
    Im Fußball erst am Anfang
    Natürlich war der Wissensvorteil irgendwann weggeschmolzen, weil sein System von anderen nachgeahmt wurde. Weshalb Beane auch heute den niederländischen Erstligisten AZ Alkmaar berät. Denn im Fußball steht man erst am Anfang dieser Methode, Leistungsdaten von Spielern konsequent mit der Gewinn- und Verlustrechnung zu verknüpfen. "Wir versuchen ständig bessere, effizientere und präzisere Methoden zu finden", sagte Beane vor der Premiere des Films in einem Interview für eine Fachkonferenz. "Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt."
    Dass es ins Kriminelle abdriften könnte, hat er wohl nicht vorausgesehen. Aber das ist die Essenz jenes Vorgangs, der in der vergangenen Woche in Amerika für Schlagzeilen sorgte. Es hat wohl einen Hackerangriff im Baseball gegeben. Motiv? Datenklau. Im Verdacht: die St. Louis Cardinals, einer der erfolgreicheren Clubs der letzten Jahre. Sie sollen die Computer der Houston Astros ausgespäht haben. FBI und Staatsanwälte arbeiten an der Beweissicherung, wie New-York-Times-Reporter Michael S. Schmidt enthüllte.
    Ein investigativer Journalist, der bei der geplanten Verhaftung von FIFA-Funktionären in Zürich in der Hotel-Lobby saß. Und der vor zwei Wochen im Deutschlandfunk angedeutet hatte, dass US-Behörden nicht zimperlich sind, wenn es um Profi-Sport geht: Staatsanwälte würden Kriminalfälle im American Football oder Baseball "auch nicht anders anpacken", sagte er.
    Wollte der Ex-Manager an Betriebsgeheimnisse
    Warum jemand daran interessiert sein könnte, ausgerechnet die Astros auszuspähen, ist nicht ganz klar. Nur soviel steht fest: 2011 war Jeff Luhnow Chef-Manager der Astros geworden. Der arbeitete vorher bei den Cardinals und war dort verantwortlich für die Scouts und die Entwicklung junger Spieler. Seitdem sind die lange ziemlich schlechten Astros richtig gut geworden. Was in St. Louis wohl den Verdacht nährte, Luhnow habe bei seinem Abschied wertvolle Betriebsgeheimnisse mitgenommen: Passwörter für Computer beispielsweise. Und Datenmaterial.
    Luhnow ist ausgewiesener Fan der Moneyball-Spezialmathematik und jener esoterisch anmutenden Gruppe von Datendeutern, die sich voller Hingabe mit ihren Zahlen beschäftigen. Warum - das erläuterte er vor einer Weile in einem Interview gegenüber den Nerds der Firma 42analytics: "Ich habe sofort die Analysemaschine angeworfen. So etwas gab es gar nicht. Das hat sich gleich ausgezahlt. Wenn man das um 5 Prozent besser macht als die anderen Clubs", sagte Luhnow damals, "produziert das einen erheblichen Vorteil."
    Sollten die Ermittlungen zu Anklageerhebungen führen, drohen den Beschuldigten ähnlich wie im Fifa-Skandal Gefängnisstrafen. Das Cardinals-Management gab sich jedenfalls vorsorglich schon mal zerknirscht. Man wolle das alles gerne selbst untersuchen. Denn man wisse noch immer nicht, wer eigentlich intern für das alles verantwortlich gewesen sei.