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FIFA
"Die wollen so viel rausholen, wie möglich"

Die "New York Times" pflegt im FIFA-Skandal anscheinend engste Beziehungen zum FBI. Im Deutschlandfunk berichtete der Journalist Michael S. Schmidt über seine Recherchen und die möglichen Verwicklungen von deutschen Funktionären in die Korruptionsaffäre.

Michael S. Schmidt im Gespräch mit Marina Schweizer | 06.06.2015
    Pressekonferenz mit US-Justizministerin Loretta E. Lynch (r.) zum Stand der Ermittlungen gegen neun FIFA-Funktionäre.
    Pressekonferenz mit US-Justizministerin Loretta E. Lynch (r.) zum Stand der Ermittlungen gegen neun FIFA-Funktionäre. (dpa / picture alliance / Justin Lane)
    Marina Schweizer: Sie haben in der vergangenen Woche alle möglichen Sachen rund um die FIFA ausgegraben - was erwartet er als nächstes?
    Michael S. Schmidt: Naja, hier in den Vereinigten Staaten fragt man sich: Was wird mit Sepp Blatter passieren? Und was werden die Ermittlungen des FBI noch aufdecken. Wird die Regierung der Vereinigten Staaten erreichen, dass die FIFA-Funktionäre, die gerade angeklagt worden sind, kooperieren? Und werden sie das dann benutzen können um etwas gegen Sepp Blatter in der Hand zu haben? Oder werden die Vereinigten Staaten da in einer Sackgasse landen und ihn am Ende nicht bekommen oder anklagen können. Also, das ist wirklich die größte Frage momentan, wenn es darum geht, wo die ganze Sache hinsteuert.
    Schweizer: Also, denken Sie das erklärte Ziel der Ermittler ist Sepp Blatter?
    Schmidt: Ich glaube einfach, dass das amerikanische Justizministerium immer danach strebt, so viel wie möglich herauszuholen. Und sie werden auch manchmal dafür kritisiert, wenn sie da nicht ausreichend tun. Und wir haben vor ein paar Tagen, als die Anklagepunkte verlesen wurden, aus den Erklärungen des Generalbundesanwalts gesehen: Die amerikanische Regierung nimmt das richtig ernst.
    "Da wollen sie eben so viel rausholen, wie möglich"
    Schweizer: Sie sagen jetzt - wenn ich das recht interpretiere - die Ermittler sind schon auch bemüht, das so zu machen, dass sie am Ende auch gut dastehen?
    Schmidt: Nicht unbedingt, dass sie gut aussehen. Bei solchen Fällen, bei denen die Ermittler schon einiges an Ressourcen und Zeit aufwenden, da wollen sie eben so viel rausholen, wie möglich. Und in einem Fall wie diesem, wenn sie die Chance haben, eine große Zahl von Anklagepunkten gegen eine so prominente Person zu verhängen, dann müssen sie schon auch so handeln.
    Schweizer: Also, die Ermittler hoffen auf die Kooperationswilligkeit der Funktionäre, die sie jetzt schon haben. Wenn wir einmal ein bisschen in die Zukunft schauen: Aus welcher Richtung erwarten Sie die nächsten Beweise - abgesehen von den Menschen, die sie schon an der Angel haben?
    Schmidt: Die Frage ist tatsächlich: Was werden die Dokumente zeigen, die aus Übersee, also aus der Fifa-Zentrale in der Schweiz kommen? Und daraus entsteht dann eben auch die Frage: Werden sie weitere Bankunterlagen bekommen? Also während man mit den Ermittlungen bisher vorangeschritten ist, hat man ja auch bisher weitere Dokumente und Informationen erhalten. Und darüber hinaus hoffen die Ermittler natürlich auch, dass die momentan angeklagten Männer mit ihnen kooperieren werden. Und von da aus werden sie dann schauen, ob es weitere Beweisquellen geben kann.
    "Ich habe nichts spezifisch über Deutschland gehört"
    Schweizer: Glauben Sie, die Ermittler werden sich auch noch auf weitere Kontinente konzentrieren?
    Schmidt: Ich denke, wenn die Ermittler offen reden würden, dann würden sie sagen: Sie folgen den Spuren so weit sie eben reichen. Und das ist auch die Art und Weise auf der ihre Ermittlungen basieren: Die Frage: Wohin führen die Beweise? Und die werden das verfolgen bis sie denken, dass es jetzt nicht neues mehr gibt. Und ich bin mir nicht sicher, wo das sein wird. Wenn die FIFA wirklich eine so korrupte Organisation ist, wie es die amerikanischen Ankläger dargestellt haben, dann gibt es ja möglicherweise auch wo anders auf der Welt verbreitete Korruption - über die wir dann noch was hören könnten.
    Schweizer: Haben Sie irgend etwas davon gehört, dass die Amerikaner Kontakt zu deutschen Staatsanwaltschaften oder dem Justizministerium aufgenommen haben?
    Schmidt: Ich habe nichts spezifisch über Deutschland gehört. Aber was wir schon wissen, ist das die Vereinigten Staaten, vor allem das FBI, ein gutes Arbeitsverhältnis mit allen möglichen Ländern der Welt pflegen, wenn es um die Vollstreckung von Gesetzen geht. Und das sogar mit Ländern wie Russland, mit denen die Vereinigten Staaten ja ganz offensichtlich ein sehr schwieriges Verhältnis haben. Das russische FSB arbeitet sehr gut mit dem FBI zusammen. Also: Wenn es Informationen in anderen Ländern gibt, mit deren Beschaffung die USA Hilfe benötigen - da wäre ich sehr überrascht, wenn die Deutschen nicht helfen würden.
    Schweizer: Aber Sie haben bisher nichts gehört, dass sie die Deutschen schon kontaktiert haben?
    Schmidt: Nein, das habe ich nicht.
    Schweizer: Sind Sie in dem Beweismaterial, das Ihnen vorliegt, schon über Namen von deutschen Funktionären gestolpert?
    Schmidt: Nein, ich habe keine Namen von deutschen Funktionären gesehen.
    Schweizer: Hier in Deutschland fragen viele Menschen vor allem nach den Namen des Kaisers, Franz Beckenbauer, der als Spieler und als Trainer Weltmeister wurde. Er war in der Fifa-Exekutive, als über die WM nach Russland und Katar abgestimmt wurde. Also Sie haben keine Beweismittel gesehen, die Franz Beckenbauer jetzt Angst vor dem FBI einjagen müssten?
    Schmidt: Nein, ich habe wirklich gar nichts über deutsche Funktionäre gelesen.
    "Chuck Blazers Aktionen haben in den Vereinigten Staaten stattgefunden"
    Schweizer: Auch nicht über andere europäischen Funktionäre?
    Schmidt: Nein, ich habe keine Namen von deutschen oder irgendwelchen anderen europäischen Offiziellen gelesen, die in diese Sache verwickelt sein sollen.
    Schweizer: Wir haben schon über Sepp Blatter als möglicherweise höchstes Ziel des FBI gesprochen. Aus deutscher Sicht könnte man ja auch fragen: Ist die Fifa nicht ein ganz dankbares Opfer für die US-Ermittler: Sie ist ein dicker Fisch, es scheint geradezu schick, gegen sie zu sein und es ist am Ende aus amerikanischer Sicht eben nur der Fußball, der da berührt wird. Nicht Basketball oder American Football...
    Schmidt: Ich glaube, dass wenn amerikanische Staatsanwälte von ähnlich gelagerten Korruptionsfällen im American Football oder Baseball wüssten – dann würden sie das auch nicht anders anpacken. Ich glaube nicht, dass man sagen kann: Oh, Amerikaner mögen ja Fußball nicht – deshalb jagt die Amerikanische Regierung jetzt die Fifa. Ich glaube, es stellen sich für andere Länder interessante Fragen dazu, ob die USA eingreifen dürfen in andere Länder und die internationalen Beziehungen und Strafanzeige erstatten. Aber was die amerikanischen Staatsanwälte darauf sagen würden ist eben: viel von diesem Geld ging über die US-Banken und deshalb gibt es Gesetze, die anwendbar sind. Und viele der Dinge, die Chuck Blazer getan hat und auch zugegeben hat, haben in den Vereinigten Staaten stattgefunden.
    Das vollständige Gespräch können Sie bis mindestens 06. Dezember 2015 nachhören.