Wenn man dieser Tage den Basketballspieler erleben will, der das meiste Geld in der NBA verdient - ein Jahresgehalt von happigen 30 Million Dollar - dann klickt man sich am Besten auf YouTube durch. Im Archiv dort findet man viele Spielszenen. Und ein paar Lebenszeichen wie dieses: Werbung für eine Fluggesellschaft. Und Reklame einer Schuhfirma, die gerade mit dem neuen Modell "Kobe Bryant", römisch neun, auf den Markt kam. Preis: 225 Dollar das Paar.
Sein Geist ist tatsächlich an vielen Orten. An seinem Arbeitsplatz allerdings findet man ihn nicht. Kobe Bryant, 35 Jahre alt, fünffacher Meister, Aushängeschild der Lakers und der Liga, kuriert seine letzte schwere Verletzung aus, einen Bruch im Schienbeinkopf. Den hatte er sich zugezogen, kaum dass er sich von einem Achillessehnenriss erholt hatte. Doch nicht einmal sein Trainer weiß, wie’s um ihn bestellt ist.
Man möge Gary fragen, sagt Chefcoach Mike D’Antoni am Montag in der Traningshalle der Lakers unweit vom Flughafen von Los Angeles. Gary - das ist Gary Vitti, der Masseur und einer der engsten Vertrauten von Kobe Bryant. Der Trainer ist wahrlich nicht zu beneiden. Er kann zwar nichts dafür, dass mehrere Leistungsträger wie Bryant und zuletzt auch noch der Spanier Pau Gasol und der Kanadier Steve Nash verletzungsbedingt immer wieder fehlen. Trotzdem hat die Suche nach einem Sündenbock begonnen. Denn die Lakers stehen ziemlich weit unten in der Tabelle der Western Conference.
Fehlentscheidungen im Management
Magic Johnson, die zentrale Figur der glorreichen Showtime-Lakers der 1980er Jahre und noch immer ein Stimmungsbarometer, sprach neulich im Fernsehen aus, was viele denken. Die Lakers brauchen einen Meister-Trainer. Und: Es sei ein Fehler gewesen, Phil Jackson nicht zu holen. Und was für ein Fehler das war, der da Ende 2012 begangen wurde. Da düpierte man den unbestritten erfolgreichsten Trainer in der Geschichte der NBA, der mitverantwortlch für fünf Meisterschaftserfolge der Lakers gewesen war, auf plumpe Weise. Weiß Peter Richmond, dessen Jackson-Biographie mit dem Titel “Lord of the Rings” vor ein paar Wochen in den USA erschienen ist.
“Sie haben sich freitags bei ihm gemeldet und ihm gesagt, er kann sich für eine Entscheidung bis Montag Zeit lassen. Sonntagnacht rufen sie ihn an und sagen ihm, dass sie Mike D’Antoni eingestellt haben. Und in dem Moment fragen sich die Spieler: Wer ist hier eigentlich der Chef?”
Wer? Leider fällt die Antwort auf diese Frage ziemlich kompliziert aus. Um das Problem zu verstehen, muss man sich ein paar Namen merken und die Verhältnisse hinter den Kulissen. Der wichtigste Name heißt Buss. Dieser Familie gehören die Lakers seit dem Ende der 1970er Jahre, als ihr Patriarch Dr. Jerry Buss in das Projekt eines Basketball-Clubs investierte. Der Chemiker und Pokerspieler sorgte für zahllose Meisterschaftserfolge. Aber er starb vor etwas mehr als einem Jahr, nachdem er sich schon monatelang nicht mehr um das Tagesgeschäft gekümmert hatte.
Die Basketball-Interna managt nun einer seiner Söhne: Jimmy Buss. Dabei wäre eigentlich seine Tochter Jeannie nach weitläufiger Einschätzung die besser geeignete Person. Doch ihr Verantwortungsbereich ist begrenzt. Und was noch kurioser ist: Sie ist ausgerechnet mit Phil Jackson verlobt. Man kann sich also ausmalen, was für Spielchen in der Familie Buss ablaufen, während die Mannschaft auf dem geraden Weg ins sportliche Tief unterwegs ist.
Image ist alles in L.A.
Chris Kaman hat so etwas schon mal gesehen. Damals beim Ortsrivalen, den Los Angeles Clippers:
“Wir waren ganz unten, während die Lakers mit Shaq und Kobe Titel gewannen. Kein Mensch in LA hat sich für die Clippers interessiert.”
Ein wenig surreal sei das schon, meint der Center Chris Kaman, der zu den Olympischen Spielen in Peking einen deutschen Pass erhielt. Denn nun spielt er für die Lakers. Und nun verlieren die ständig. Wie surreal das ist, kann Buchautor Peter Richmond erklären:
“In Los Angeles ist Image alles. In dieser Stadt wird nichts hergestellt außer Illusionen. Filme, Fernsehen. Sie haben dank Kobe und Shaq und Phil Jackson ihre Oscars gewonnen. Und diese Oscars musst du nun mal haben.”
Was aber könnte der Trainer tun, inzwischen 68 Jahre alt, um wenigstens das ramponierte Image der Lakers wieder aufzupolieren? So einiges. Vorausgesetzt, er hat noch immer jene Ambitionen, die er Zeit seines Trainerlebens hinter einer Fassade verbarg. Jackson, der weise und mild wirkende Mann, der sich mit Philosophie und Spiritualismus beschäftigte und seinen Spielern anspruchsvolle Bücher schenkte, war einst der ehrgeizigste Coach in der NBA. Peter Richmond:
“Sollten Jeannie und er die Mannschaft übernehmen und sie in drei Jahren in die Playoffs bringen, würde das seiner Reputation nicht schaden. Keine Titel? Kein Problem. Wir werden ihn noch einmal erleben.”