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Batalla del Vino im spanischen Haro
Rotweindusche in der Rioja

Tausende weißgekleidete Menschen, die mit Spritzpistolen, Eimern und Weinschläuchen aufeinander losgehen und sich mit Rotwein übergießen: Was wie ein spontan über das Internet organisiertes Happening wirkt, ist ein jahrhundertealtes Fest am 29. Juni, auf das jedes Jahr nicht nur viele Spanier, sondern auch immer mehr Touristen hinfiebern.

Von Franz Michael Rohm | 26.06.2016
    Eine Menge von jungen Menschen in rosafarbenen Gewändern ist in einem Straßenumzug in unterwegs
    Jedes Jahr am 29. Juni wird der 12.000-Seelen-Ort Haro in Spanien zum Mittelpunkt einer internationalen Weinschlacht. (Deutschlandfunk/Franz Michael Rohm)
    Dass Spanier gerne Feste feiern, das ist hinlänglich bekannt. Neben unzähligen religiösen Feierlichkeiten gibt es dabei auch sehr befremdliche Fiestas, wie etwa die Batalla del Vino in Haro, in der berühmten Weinregion La Rioja. Alljährlich am 29. Juni findet dort eine Weinschlacht vom Feinsten statt.
    Bereits seit dem 16. Jahrhundert wird über eine Wallfahrt zur Kapelle San Felices am Felsen Riscos de Bilibio berichtet. Die Wallfahrt endete mit der Batalla del Vino. Zurückgehen soll die Geschichte auf einen Gebietsstreit zwischen zwei Gemeinden.
    In den letzten Jahren entwickelte sich die Batalla del Vino zu einer "Fiesta Internacional". Tausende Gäste aus dem In- und Ausland reisen deshalb nach Haro. Wenn die Fiesta noch populärer wird, übersteigt die Teilnehmerzahl bald die der 12.000 Einwohner. Für die Dutzenden Bodegas des Weinzentrums der sogenannten Rioja Alta bedeutet die "Batalla del Vino" viel Aufmerksamkeit in den nationalen und internationalen Medien. Mittlerweile lebt die Region nicht nur vom Weinverkauf, sondern zunehmend auch vom Weintourismus. Da passt eine Weinschlacht prima ins Marketingkonzept.
    Aufwendige Vorbereitungen
    Traditionell findet die Batalla am frühen Morgen des 29. Juni statt. Die Schlachtvorbereitungen laufen aber bereits am 28. abends. Dann versammeln sich Tausende Menschen auf der Plaza de la Paz in Haro, viele davon aus dem Ausland. Der Bürgermeister persönlich begrüßt sie, Raketen werden in den Himmel geschossen.
    Später spielen Charangas genannte Musikkapellen auf, es wird viel getanzt und gesungen. Und nicht zu vergessen: Den ganzen Abend lang wird dem berühmten riojanischen Tempranillo-Rotwein in nicht unbeträchtlichem Maße zugesprochen. Das gilt auch für Juan.
    "Unser Rotwein ist der beste der Welt. Diese Fiesta ist großartig, besser als Stierkampf. Morgen wirst du nass vom Wein sein, wenn du zur Batalla hochgehst. Richtig nass vom Wein."
    Nicht alle sind begeistert
    Nicht alle Bewohner von Haro sind von der Batalla so begeistert wie Juan.
    "Es ist ein tolles Fest, aber es hat sich sehr verändert. Es sind so viele Touristen, da verliert die Fiesta ihre Ursprünglichkeit. Wir freuen uns ja, wenn Leute von auswärts kommen. Ich habe ein gespaltenes Herz. Es war ein lokales Fest. Dieser Aspekt verschwindet."
    Kurz nach Sonnenaufgang am nächsten Morgen treffen sich die Teilnehmer der Batalla de Vino wieder auf der Plaza. Jetzt sind alle ganz in Weiß gekleidet, schließlich soll man sehen, was der Wein anrichtet. Viele junge Leute haben riesige Wasserpistolen voller Wein dabei, andere tragen Fünf-Liter-Flaschen oder noch größere Kanister. Alvaro Cantabrana nimmt an der Batalla del Vino teil, seit er zwölf Jahre alt war. Er weiß, was nun passiert.
    "Man geht hoch zur Kapelle, so gegen sieben. Wenn man es bis oben schafft, denn es sind ja Tausende Leute da. Sie schütten sich voll Wein. Aus Eimern, Wasserpistolen, Sprühflaschen aus den Weinbergen. Irgendwann fängt man an zu hüpfen, weil man friert. Man tanzt, und singt, ein Riesenfest.
    Von hier gehen wir zur Kapelle San Felices. Es soll dort im Mittelalter fast einen Krieg wegen irgendwelcher Gebietsstreitigkeiten gegeben haben. Mit einer Weinschlacht soll der Zwist beigelegt worden sein. Daran erinnert die Kapelle. Die Batalla ist also eine Art Gedenken daran."
    Wer nicht zu Fuß von der Plaza geht, fährt mit dem Auto zu einer Wiese etwa drei Kilometer außerhalb der Stadt. Zum Schutz vor den später wein-durchnässten Kleidern sind die Sitze aller Autos mit dicken Plastikplanen umhüllt.
    Einige Männer schichten vor ihren Autos trockene Weinrebabschnitte auf, denn nach der Batalla wird gegrillt und deftig gefrühstückt.
    Obwohl es Sommer ist, fröstelt man, wir befinden uns auf 600 Meter Höhe und es weht ein kühler Wind. Erfahrene Kämpfer tragen Schwimmbrillen, denn der billige Fusel brennt mächtig in den Augen.
    Sandra, eine ganz in Weiß gekleidete Schönheit, erklärt, wie es jetzt weitergeht.
    "Wir gehen jetzt den Hohlweg zu den Riscos de Bilibio nach oben zur Kapelle. Dort findet gerade eine Messe statt, danach beginnt die Schlacht."
    Jeder gegen jeden
    Die Schlacht beginnt schon kurz hinter dem Parkplatz. Jeder gegen jeden lautet das Motto, und nach kurzer Zeit sind die meisten Schlachtteilnehmer lila gesprenkelt. Am Ende des Hohlwegs, kurz vor der Kapelle, gibt es kein Entkommen vor der Rotweindusche. Es ist ein Pandämonium und man wundert sich, dass nicht mehr passiert. Mehrere Teilnehmer müssen per Krankenwagen abtransportiert werden.
    Länger als eine Viertelstunde halten es die wenigsten aus, dann geht es wieder Richtung Parkplatz. Mehr als 1300 000 Liter Wein sollen bei der Batalla del Vino im vergangenen Jahr vergossen worden sein, billigste Sorte, gestiftet von den Bodegas. Die dunkelrote Brühe fließt neben dem Weg zurück zum Parkplatz als Rinnsal zu Tal.
    Sandra kommt komplett in Lila von der Schlacht zurück.
    "Ich war ja ganz in Weiß. Gleich vor der Kapelle haben sie mir mit einem Eimer 20 Liter Wein übergegossen."
    Zurückkommende Kämpferinnen und Kämpfer waschen sich als Erstes den klebrigen Wein aus Gesicht und von Armen und Beinen.
    "Heute gelten hier keine Gesetze"
    Danach wird ein Feuerchen aus Rebabschnitten entfacht, auf dem Koteletts, Blutwurst, Chorizo und Rippchen gegrillt werden.
    "Die Leute sind verrückt, wirklich. Es ist eine Riesensauferei, und jetzt freuen wir uns auf das Frühstück, ein Brötchen mit gegrilltem Lammkotelett."
    "Heute gelten hier keine Gesetze. Sie schütten dich von oben bis unten voll.
    Und es ist verboten, wütend zu werden.
    Manche nehmen die Batalla als Entschuldigung Mädchen zu umarmen. Der Wein macht lustig. Und er gehört ja hier zur Region Rioja."
    Und natürlich wird zum Frühstück schon wieder ordentlich Wein getrunken. Einige Zecher machen schlapp und schlafen auf dem Parkplatz ihren Rausch aus. Die anderen Weinschlachtteilnehmer ziehen als lila Karawane zurück auf die Plaza, wo das Fest mit viel Musik zu Ende geht.
    Dieses Jahr sollen noch mehr Besucher kommen, nach Haro, zur Batalla del Vino.
    Die Reise nach Haro wurde unterstützt vom Spanischen Fremdenverkehrsamt Berlin.