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Batterieforschung
Die Suche nach Alternativen zum Lithium-Ionen-Akku

Wegen der Corona-Krise ist auch die Tagung "Kraftwerk Batterie" in Münster abgesagt worden. Unter anderem sollte dort über die Batterien der nächsten Generation gesprochen werden. Einige Ideen seien sehr vielversprechend, sagte einer der führenden Experten auf diesem Gebiet, Holger Althues, im Dlf.

Von Maximilian Schoenherr | 25.03.2020
Lithium-Schwefel-Batterien
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden arbeiten an der Entwicklung von Lithium-Schwefel und Festkörperbatterien (dpa / picture alliance / Fraunhofer IWS Dresden)
Holger Althues leitet beim Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik die Abteilung für chemische Oberflächen und Batterietechnik. Er wäre gern nach Münster gekommen. Unter den aktuellen Umständen aber muss er Teile seines Labors schließen und sitzt in Dresden fest. Weil Wissenschaftler in dieser Branche gut vernetzt sind und die Veröffentlichungen der KollegInnen anderswo kennen, die Frage, ob Konferenzen wie "Kraftwerk Batterie" der Forschung wirklich etwas bringen?
"Es sind auch immer wieder Vorträge dabei, wo man neue Dinge lernt. Und allein für die Kontaktpflege ist so eine Tagung natürlich wichtig, um neue Projekte zu planen, neue Partner zu finden. Das ist definitiv so, ja."
Holger Althues hätte bei der Tagung in Münster ein Vorseminar zum Thema "Batterien der nächsten Generation" veranstaltet. Sein Institut forscht vor allem an Lithium-Schwefel und Festkörperbatterien.
Festkörperbatterien erreichen viel höhere Energiedichten
Bei der in Smartphones und Elektroautos führenden Lithium-Ionen-Technologie schwimmt ein so genanntes polymeres Gel zwischen Plus- und Minuspol umher. Die Festkörperbatterie kommt dagegen ohne Flüssigkeiten aus.
"Das gelingt dadurch, dass eine neue Komponente eingeführt wird: die Lithium-Metall-Anode, die sich in heutigen Lithium-Ionen-Batterien aufgrund von Sicherheits- und Stabilitätsproblemen nicht durchsetzen konnte. Durch diese Komponente erreichen die Festkörperbatterien bis zu 65% höhere Energiedichten."
Übrigens hat auch die Lithium-Ionen-Batterie seit den Anfängen ihrer Massenproduktion deutlich zugelegt und ihre Energiedichte mittlerweile etwa verdoppelt – durch neue Materialmixe in jeder einzelnen galvanischen Zelle. Dieser Ausgereiftheitsgrad, so Holger Althues, sichert der Lithium-Ionen-Technik noch mindestens zehn Jahre ihre Vorherrschaft – bis Alternativen soweit sind, sie zu toppen.
Bei Lithium-Ionen-Batterien werden Ionen des sehr leichten Metalls Lithium in winzigen Gerüsten eingespeist und gespeichert. Die Festkörperbatterie dagegen scheidet beim Laden die Ionen als metallische Schicht ab.
"Mit dieser Abscheidung von Lithium als metallische Schicht sind aber auch Sicherheitsrisiken und Stabilitätsprobleme verbunden."
Dr. Holger Althues, Leiter der Abteilung Chemische Oberflächen- und Batterietechnik am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS
Dr. Holger Althues, Leiter der Abteilung Chemische Oberflächen- und Batterietechnik am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS (Fraunhofer IWS Dresden)
Und genau das – Sicherheit und Stabilität – beschäftigt neben der Energiedichte die Forschung an allen neuen Batterietypen. Bei der Metallabscheidung in der Festkörperbatterie können sich so genannte Dendriten bilden; das sind Nadelstrukturen, die von der Anode zur Kathode wachsen und pro Ladevorgang an Komplexität zunehmen. Wenn sie unkontrolliert wuchern, können sie das Gefüge der ganzen Batterie sprengen und Kurzschlüsse verursachen.
Weltweit suchen Forscher nach Alternativen zu Lithium
Lithium wird auch bei der Festkörperbatterie mit ihren deutlich höheren Energiedichten die erste Wahl bleiben. Es hat von seiner Atomstruktur her ideale Eigenschaften für wieder aufladbare Batterien. Aber die Gewinnung ist problematisch, unter anderem wegen schwieriger Arbeitsbedingungen, sodass Forscher nach Alternativen suchen.
"Also statt den Lithium-Ionen werden dann Natrium- oder Magnesium-Ionen in Betracht gezogen, um Batteriesysteme aufzubauen, die meist analog dem Lithium-System sind, aber eben mit einem anderen Träger-Ion."
In 10 Jahren, so Holger Althues, könnte die Festkörperbatterie bei Elektroautos Einzug halten und Lithium-Ionen ablösen.
Die andere Zukunftstechnik, an der die ganze Industrie und auch das Fraunhoferinstitut IWS in Dresden forscht, ist die Lithium-Schwefel-Batterie. Diese Akkus haben die Eigenschaft, viel Energie bei geringem Gewicht zu speichern. Ihr Anwendungsbereich werden Drohnen und Flugzeuge sein. Das IWS hat bereits Prototypen am Start. Größtes Problem: Die Lithium-Schwefel-Batterie büßt mit jedem Ladezyklus deutlich an Leistung ein.
Um Abhilfe zu schaffen, simulieren manche Wissenschaftler das Verhalten von Batteriezellen mit mathematischen Modellen. Wegen der Komplexität der chemischen Vorgänge zeitigte das allerdings noch keine großen Erfolge und wird in Dresden gar nicht praktiziert.
Die Festkörperbatterie mit ihrer Lithium-Metall-Anode ist eines der wichtigsten Themen für Holger Althues. Auf die grundsätzliche Frage, ob Batterieforschung dabei an große Institute gebunden sein muss, oder ob es Chancen für völlig neue Ideen gibt, die einen plötzlichen Durchbruch bewirken, antwortet der Chemiker:
"Ja, ich halte es tatsächlich für möglich, dass durch eine geniale Idee oder eine spezielle Entwicklung eines neuen Materials wirklich ein Durchbruch gelingen kann. Zum Beispiel die Lithium-Metall-Anode stabil nutzen zu können: Das wäre natürlich der Durchbruch für den Einsatz in den Massenmarkt. Wir hoffen darauf."