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Bauboom am Mittelmeer

Auf der iberischen Halbinsel treibt das Baufieber sein Unwesen: Spaniens Mittelmeerküste und auch die Touristengebiete am Atlantik werden langsam zugemauert. An Portugals Küste scheint man aus alten Fehlern nicht gelernt zu haben, auch hier hat sich der Bauboom längst nicht gelegt - mit fatalen Folgen für die Küstenerosion.

Von Jochen Faget | 18.07.2007
    Bagger schaufeln Sand in ein Loch, das die Atlantikbrecher in die Düne gerissen haben, Lastwagen karren Felsbrocken herbei. An der Costa da Caparica, dem beliebten Badeort der Lissabonner, ist das Meer durchgebrochen, hat Campingplätze überflutet. Der Kampf gegen das Vordringen des Meeres ist eine Sisyphosarbeit, meint Carlos Pereira, Besitzer einer Strandkneipe, die das Meer auch schon fast erreicht hat:

    " Die bringen heute den Sand und morgen holt das Meer ihn wieder weg. Immer wieder! Ich weiß nicht, wer da gewinnt - die Natur, oder der Mensch. "

    Portugals Küste bricht weg. Nicht nur bei Lissabon, sondern überall. Wegen der Klimaveränderung noch schneller, als erwartet. Vor allem aber, weil die Portugiesen zu lange zu sorglos mit ihrer Küste umgegangen sind, erklärt der Erosionsfachmann Professor Fernando Veloso Gomes von der Universität Porto:

    " Wir haben den Lauf der Flüsse verändert und Stauseen angelegt. Darum kommt dringend nötiger Schwemmsand nicht mehr an die Flussmündungen. Wir haben Häfen und Schifffahrtskanäle ausgebaggert und haben vor allem in Küstengebieten gebaut, die sich schon immer stark verändert haben. Jetzt stehen Häuser in Dünenzonen, die immer wieder vom Meer überflutet wurden. Da ist diese natürliche Dynamik nicht mehr möglich. "

    Der Deutsche Peter Hahn erlebt, was das bedeutet: Ihm rutscht im mittelportugiesischen Strandort Areia Branca sein Grundstück ins Meer. Er hat sich ein völlig legal gebautes Haus auf einer Klippe gekauft:

    " Sehen Sie da den letzten Pfeiler? Und da vorne war noch einer gewesen. Und jetzt müssen Sie sich eine Luftlinie vorstellen, einmal hier rüber, die sich dann mit dem Ding trifft da vorne. Das heißt also, dieses ganze Stück, das hier ist, das sind zirka 250, 300 Quadratmeter, die sind vor meinen Augen runtergegangen. "

    Peter Hahns Garten wird immer kleiner, bald dürfte auch das Haus einsturzgefährdet sein. Einerseits nagt das Meer an der Klippe, weil der Strand immer kürzer wird. Andererseits höhlt der Abwasserabfluss des Ortes, der immer größer wurde, sie aus. Und Areia Branca ist kein Einzelfall: Im Nachbarstädtchen Peniche kamen im vergangenen Jahr zwei Spaziergänger ums Leben, als eine der bis zu 30 Meter hohen Klippen abrutschte. 40 Kilometer weiter nördlich, in dem erst vor 15 Jahren gebauten Strandort Pedra d'Ouro, sind bereits mehrere Villen einsturzbedroht, musste sogar der Strand teilweise gesperrt werden. Im Norden sind ganze Ortschaften akut überflutungsgefährdet. Ohne, dass noch viel getan werden kann, versichert Erosionsfachmann Francisco Veloso Gomes:

    " In einigen Fällen erreichen wir die Grenzen des technisch Machbaren. Da wurden schon Wellenbrecher verstärkt und Deiche so weit wie möglich erhöht. Einige Orte werden in nicht allzu ferner Zukunft umgesiedelt werden müssen. "

    Schon in 15 bis 20 Jahren könnte es so weit sein, fürchtet Velos Gomes, denn der Meeresspiegel steige ständig und immer schneller. Peter Hahn, der Mann mit dem Haus auf der Klippe im Badeörtchen Areia Branca ist noch pessimistischer:

    " Diese Spitze, die ja abgesackt ist, und das, was danach kommt, ist der natürliche Schutz für unseren Strand. Ist diese Spitze weg, und das sage ich Ihnen, dauert nicht mehr lange, ein Jahr vielleicht, oder anderthalb, ich weiß nicht. Jedenfalls: Ist die Spitze weg, kommen die Wellen in unseren Strand rein und spülen erst mal die Jugendherberge weg, die Cafés weg und dann ist es aus mit Areia Branca als Strand. Das war's dann. "