Archiv


Bauch auf zwei Beinen

Für die meisten Teenager bricht mit einer Schwangerschaft eine Welt zusammen. Die Pubertät mit ihren Belastungen, Selbstzweifeln und Identitätsproblemen ist ohnehin eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Drei neue Romane und ein Ratgeber betrachten das Thema Teenager-Schwangerschaft aus zum Teil neuen Perspektiven.

Von Sylvia Schwab |
    "Jessica kriegt kaum noch Luft. Das Rauschen in ihrem Kopf wächst zu einem Donnern heran. Ihr ist klar, dass der Strich auf dem Teststreifen nicht wieder verschwinden wird. Und ihr ist klar, was sie schon vorher wusste, was ihr Körper längst begriffen hat und was das Gehirn nicht begreifen wollte. Sie ist schwanger. Es ist Freitag, vier Uhr morgens. Jessica ist fünfzehn Jahre alt. Sie hat ein einziges Mal in ihrem Leben ungeschützten Sex gehabt und sie ist schwanger."

    Eine Wunsch-Schwangerschaft kann das größte Glück bedeuten. Aber eine ungeplante Schwangerschaft mit 14, 15 oder 16 Jahren – was bedeutet das? Einfach nur ein lästiges Problem? Einen vermeidbaren Konflikt? Emotionales Chaos? Oder sogar die große Katastrophe?

    "Ich bin ein Bauch. Ein Bauch und sonst nichts. Ein Bauch auf zwei Beinen. Kein Kopf, kein Mädchen namens Donna. Ich bin ein Bauch... . In meinem Bauch ist etwas Fremdes. Alle wollen wissen, wie es dem Fremden geht. Es ist Winter und ich bin im sechsten Monat. Niemand fragt nach mir."

    Für die meisten Teenager bricht mit einer Schwangerschaft erst einmal eine Welt zusammen. Die Pubertät mit ihren üblichen Belastungen, ihren Selbstzweifeln und Identitätsproblemen, erster stürmischer Verliebtheit und Stress mit den Eltern ist ohnehin eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Doch wenn sie schwanger werden, droht der Wagen junger Mädchen – um im Bild zu bleiben – während eines rasenden Loopings aus den Schienen zu springen. Alles dreht sich, der Kopf ist leer, da ist nur noch eines: Angst.

    "Erst mal die Frage, wem kann ich es sagen, wie kann ich es sagen. Wer hält zu mir, was sagen meine Eltern, was sagt mein Freund? Verlässt er mich, macht er mit mir Schluss, werfen meine Eltern mich raus? Vielleicht weniger, aber sind sie enttäuscht, halten sie zu mir, zu welcher Entscheidung versuchen sie, mich zu überreden? Und: Ist es ne Katastrophe? Damit rechnet ja keiner!"

    Die Jugendbuchautorin Christine Fehér ist sozusagen Spezialistin für's Thema – und das aus verschiedenen Gründen. Sie hat an der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema "Schwanger unter 20" mitgearbeitet. Außerdem hat sie aber in den Jahren 2005 und 2008 zwei Bücher zum Thema Teenager-Schwangerschaft veröffentlicht. Ihre Romane "Elfte Woche" und "Vincent, 17, Vater", erzählten von Carolin, Nina und Vincent. Beide Mädchen werden schwanger, doch während Carolin sich nach langen Kämpfen mit sich selbst entschließt, das Kind abtreiben zu lassen, ist es für Nina keine Frage, dass sie es behalten will. Besonders an diesen beiden Büchern ist nicht nur, dass in beiden Fällen Vincent der werdende Vater ist. Ungewöhnlich ist auch ihre Erzählperspektive: Erzählt Christine Fehér doch im ersten Buch abwechselnd aus Carolins und Vincents Sicht und im zweiten sogar nur aus der Sicht des jungen Vaters. Das hat es vorher kaum gegeben: Schwangerschaft war ein Mädchenproblem, und Bücher zum Thema Schwangerschaft waren Mädchenbücher. Heute ist das anders, nicht nur bei Christine Fehér. Zum Beispiel auch bei Per Nilsson

    "Jeder einigermaßen normal begabte Mensch hätte natürlich schon längst alles kapiert. Sogar ein richtiger Dummkopf hätte das Rätsel (...) gelöst. Ohne Probleme. Aber ich begriff es erst in dieser Nacht (...). Ich bin derjenige welcher. So muss es sein. Vater. Siebzehn Jahre alt und Vater. Für den Rest des Lebens Vater."

    Drei gerade erschienene Jugendromane zum Thema Schwangerschaft wollen wir vorstellen. Sie erzählen von drei jungen Menschen. Von drei ganz eigenen Wegen, mit dieser großen Herausforderung umzugehen: Jessica in Katarina von Bredows Roman "Wie ich es will" hält mit 15 ihren positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Donna, im sechsten Monat schwanger, nur noch Bauch. Sie ist die Protagonistin von Helga Gunerius Eriksens Jugendbuch "Von ihm für immer". Und schließlich ist da noch der namenlose 17-Jährige aus Per Nilssons "Nie wieder lonely", der einfach nicht glauben kann, was er da entdeckt: Er ist Vater. Ja, er ist Vater, nicht: er wird Vater. Denn sein Kind ist längst geboren.

    "Du Bist nicht allein!",

    lautet die Botschaft eines Ratgebers für Jugendliche aus dem vergangenen Jahr. Sein Titel: "Schwanger!?" - mit einem dicken Ausrufezeichen und einem ebenso dicken Fragezeichen dahinter. Dieses Büchlein – es bildet eine Art Kontrapunkt zu den vorgestellten Romanen und bietet zugleich die fachliche Ergänzung. Sylvia Schneider, Gesundheitsfachfrau und Jugendsachbuchautorin, spricht darin alle nur denkbaren Fragen und Themen an. Am wichtigsten ist ihr, wie sie im Vorwort schreibt:

    "DU BIST NICHT ALLEIN! Und für jedes Problem gibt es eine Lösung. Gut, sie ist vielleicht nicht immer der bequemste Weg für dich, durchs Leben zu gehen. Doch sollte bei Dir niemals der Eindruck entstehen, eine ungewollte Schwangerschaft sei eine ausweglose Situation."

    Ein guter Einstieg und ein gutes Konzept! Sylvia Schneider macht Mut, mahnt zur Ruhe und steuert erst einmal Panik und kopflosen Entscheidungen entgegen.

    Denn Panik befällt nicht nur die jungen Mädchen, die möglicherweise Hilfe suchen bei einem Ratgeber, sondern auch Jessica in Katarina von Bredows "Wie ich es will":

    "Sie hat sich selber in diese Situation gebracht und jetzt ist da dieser kleine Mensch. Ein neues Leben, ein Kind, ihr Kind. (Es geht nicht nur darum, sich zu überlegen, ob man mit sechzehn Jahren ein Kind zeugen will oder nicht. Das Kind ist bereits gezeugt, weil sie nicht aufgepasst haben. Jetzt geht es um was anderes.) Es geht darum, wer sie sein will. Oder, weil sie das nicht so genau sagen kann, vielleicht besser, wer sie nicht sein will. Sie will nicht eine Frau sein, die ihr Kind getötet hat."

    "Wie ich es will", der neue Roman der bekannten schwedischen Jugendbuchautorin Katarina von Bredow, katapultiert seine jungen Leser mitten hinein in Jessicas Dilemma. So nah an das junge Mädchen heran, dass man sich unmittelbar mit ihr identifizieren kann. Seit Wochen ist Jessica total verliebt in Arvid. Bei einer Party trinken sie zu viel, tanzen, knutschen und landen schließlich im Ehebett der Gastgeber. Es ist für Jessica das erste Mal, und nach ein paar Wochen stellt sich heraus, dass sie schwanger ist. Dass Jessica und Arvid nicht verhütet haben, man kann es eigentlich gar nicht glauben.

    "Weil sie nicht vorbereitet sind",

    sagt die Jugendbuchautorin Christine Fehér.

    "Also viele Mädchen schlafen mit den Jungen aus Angst, ihn zu verlieren. Das ist immer noch häufig so. Oder aber wenn Alkohol im Spiel ist und sie sind enthemmt, wenn sie auf ner Party was getrunken haben, sich verliebt haben an dem Abend oder vorher schon, und dem Jungen näher gekommen sind. Oder aus ner ungeplanten Situation heraus, dass es einfach passiert ist."

    Wochenlang trägt Jessica ihr Gefühlschaos einsam mit sich herum. Ganz langsam reift in ihr der Entschluss, das Kind zu behalten. Doch leichter wird dadurch vorerst gar nichts: Die Freundin hat keinerlei Verständnis und Jessicas Mutter, fordert den Schwangerschaftsabbruch. Arve zieht sich überfordert zurück und seine Eltern argumentieren kühl juristisch. Nur eine Hebamme hört Jessica wirklich zu und macht ihr Mut zu einer eigenständigen Entscheidung. Was soll sie tun? Das Kind bekommen, es abtreiben oder es vielleicht doch zur Adoption freigeben?

    "Würde sie es schaffen, das Kind wegzugeben, wenn es erst einmal da ist, ein Kind, das Teil von ihr ist, in ihrem Körper gewachsen? Aber wenn die einzige Alternative ist, es jetzt zu töten? Jessica dreht sich hastig zur Wand und drückt sich das Kissen über den Kopf. Ihr Inneres ist zum Schlachtfeld geworden. Das ist eine Nummer zu groß für sie. Sie hat das Gefühl, zu zerbersten."

    Gut recherchiert, sensibel erzählt und lebensnah ist dieser Roman. Jessicas Einsamkeit und Selbstzweifel, ihre Panik und das langsame Reifen ihrer Entscheidung für das Kind – Katarina von Bredow schildert diesen seelischen Prozess ebenso einfühlsam wie eindringlich. Und sie begleitet Jessica überall hin: Zur Beratungsstelle und zum Arzt, zur Gymnastik und zur Geburt. Gerade dieses Ineinander von psychischer und körperlicher Entwicklung überzeugt!

    "Du musst am Ende ganz allein mit deiner Entscheidung zurechtkommen",

    macht auch die Sachbuchautorin Sylvia Schneider ihren Leserinnen klar in ihrem Ratgeber "Schwanger?!".

    "Bei deiner persönlichen Entscheidung für oder gegen ein Kind musst du ja auch deine Wünsche und Träume, deine beruflichen und privaten Vorstellungen berücksichtigen. Denn die Entscheidung, die du jetzt treffen musst, gilt deine nächsten 25 Jahre. Das ist eine längere Zeit, als du jetzt selbst auf der Welt bist."

    "Wie ich es will" – das ist also nicht nur ein Romantitel, sondern ein Motto, das über dem ganzen Thema Teenagerschwangerschaft stehen könnte – und stehen sollte. Aber auch, wie Sylvia Schneider zeigt, über dem ganzen Thema Sexualität. Die Autorin liefert die dazugehörenden Informationen. Außerdem Entscheidungshilfen und Adressen, und damit ein sehr wichtiges Kompendium mit Meinungen und Anregungen für jeden, der beziehungsweise die sich mit Schwangerschaft beschäftigen möchte.

    Hätte Per Nilssons junger Erzähler Sylvia Schneiders Ratgeber gelesen, wenn er gewusst hätte, was Sache ist?

    "Ann-Katrin schwieg. Ich versuchte zu sehen, was sie dachte. Aber ihr Gesicht war leer, blank. "Wer ist Loves Vater?" "Er hat keinen Vater", antwortete Ann-Katrin rasch. Ihre Stimme war ein dünnes Flüstern. "Alle haben einen Vater", sagte ich. "Love nicht." "Ich bin's, oder?"
    Keine Antwort. "Bin ich es?" Ein tiefer Seufzer. Sie schloss die Augen, als sie antwortete. Jetzt klang ihre Stimme ein wenig scharf, müde aber scharf. "Hast Du nicht gehört, was ich gesagt hab? Er hat keinen Vater. Drinnen in der Wohnung hab ich es schriftlich. Vater unbekannt." "Alle haben einen Vater", sagte ich."


    Sehr emotional, aber locker im Ton, tritt "Nie wieder lonely" auf, der neue Roman des schwedischen Jugendbuchautors Per Nilsson. Ich-Erzähler ist ein junger Mann, leider namenlos, 17 Jahre alt, sensibel, zärtlich, verletzlich und auch ein wenig naiv. Er erzählt von zwölf Tagen, die sein Leben grundlegend verändert haben. Von seinem Versuch, Ann-Katrin wiederzufinden, seinen geliebten "Herztrost" – wie er sie nannte. Ein Jahr zuvor hatte sie ihn unerwartet verlassen. Von seinem Versuch zu verstehen, warum sie sich ihm entzog. Und vor allem: warum auf so kaltschnäuzige Art und Weise.

    "Ich denke, dass auch in dem Jungen ganz viel vorgeht. Er weiß, dass von ihm ein Kind unterwegs ist und erfährt sehr schnell, dass er kein Mitspracherecht hat. Das entscheidet die Freundin alleine. Ob sie das Kind bekommen will oder nicht. Er kann ne Meinung dazu haben, er kann versuchen, seine Freundin zu beeinflussen, aber mit entscheiden darf er nicht. Das liegt ganz alleine bei dem Mädchen. Und ich denke, dass das den Jungen schon sehr beeinflusst. Weil auch Jungen ne Meinung und Gefühle haben, wenn sie wissen, da ist ein Kind unterwegs ... auch ein Junge ist sehr berührt davon."

    Seine Freundin ist schwanger geworden, hat das Baby bekommen, und der Erzähler erfährt es erst, als der kleine Love schon vier Monate alt ist. Voller Wut ist er, voller Sehnsucht, ohne zu verstehen, warum es auf ihn nicht ankommt. Warum er im Weg ist oder vielleicht einfach nur verschont werden soll. Warum der Vater vom Sohn und der Sohn vom Vater nichts wissen darf. Aber da gibt es auch die andere Erfahrung, das große Glück über diesen kleinen Menschen, "das Äffchen", wie er seinen Sohn nennt, sprühende Lebensfreude und eine naive Zuversicht.

    "Also, ich meine, wenn wir uns nicht darum scheren, was die Leute denken und was allgemein üblich ist, und wenn uns alle Regeln egal sind, dann können wir vielleicht gemeinsam etwas beschließen. Uns gegenseitig helfen und einen Weg finden, der für uns richtig ist und gut für Love. Das ist die Hauptsache. Dass es für Love gut wird. So werden wir das machen. Ja."

    Pubertät heißt häufig Problem pur. Eine Schwangerschaft allerdings toppt die Probleme noch einmal. Ein bisschen schwanger gibt es nicht, es gibt nur ein ganz neues Leben mit Kind, die Adoption oder den Abbruch. Das Leben danach sieht anders aus, für Mädchen wie für Jungen – egal, was für ein Entschluss getroffen wurde. Doch je komplizierter die seelische Situation der Protagonisten, desto interessanter ist sie für den Schriftsteller. Die großen Romane der Weltliteratur beweisen das ebenso wie diese Jugendbücher. Dabei kommt Per Nilssons tagebuchartiger Bericht, den der Erzähler an seinen Sohn adressiert, besonders authentisch rüber. So könnte ein sensibler junger Mann wirklich an sein Kind schreiben, schwankend zwischen Traurigkeit und Glück, Enttäuschung und Staunen. Fast depressiv, dann wieder federnd leicht, voller Witz und Selbstironie. Wobei sich schon die Frage stellt, wie viele Jungen diese Bücher lesen würden. Sind Romane mit dem Thema Schwangerschaft noch immer Mädchenbücher, auch wenn sie aus Jungensicht erzählt werden? Christine Fehér hat mit ihrem Buch "Vincent, 17, Vater" ihre eigenen Erfahrungen gemacht

    "Das ist ja auch etwas Heikles, Intimes, das ist auch durch das Cover bedingt,... Vincent ist da vorne drauf, nen Jungengesicht, ne Fotografie, auf den rieseln lauter Schnuller runter. Und damit setzt sich kein 17-Jähriger in die U-Bahn, würde ich sagen. Aber ich kann mir vorstellen, dass die das neugierig in die Hand nehmen, wenn das bei der Freundin auf dem Nachttisch liegt oder dass der eine oder andere es von der Mutter geschenkt bekommt: 'Hier, lies mal! Du mit Deiner da, wie sieht es denn bei Euch aus?' Oder es wird in Schulen gelesen."

    "Die liegen mir nicht sehr, diese drei Worte. Sie bieten Widerstand, sind widerborstig. Fühlen sich falsch an, affektiert, wie einstudiert. Eine Sprechblase. Zuckerwatte. Ich weiß nicht, diese Worte liegen mir nicht sehr. Sie sind noch nie ein Teil meiner selbst gewesen. Bis jetzt. Bis heute Abend. Jetzt kann ich sie aussprechen und sie auch so meinen. Ohne Zögern, ohne Sicherheitsnetz – Love, meinem Sohn, einem neuen kleinen Leben. Ich liebe Dich."

    "Nach einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Familienberatungsstelle pro familia werden derzeit acht bis neun von 1000 aller 15- bis 17-jährigen Mädchen schwanger. Etwa fünf von ihnen entscheiden sich für einen Abbruch der Schwangerschaft."

    Sylvia Schneider liefert in ihrem Ratgeber eine Menge guter Ratschläge, die allerdings nie als Schläge rüber kommen. Dazu viele interessante Fakten. Nur jedes dritte Mädchen verhütet zum Beispiel beim ersten Mal, außerdem brauchen schwangere Mädchen unter 16 für einen Abbruch meist die Zustimmung beider Eltern. Jedes dritte Kind in Deutschland kommt inzwischen unehelich zur Welt, dazu steigt das Risiko, schwanger zu werden, in dem Maß, wie das Bildungsniveau sinkt. Womit sich die Frage stellt, ob nicht gerade diejenigen, für die dieses Buch besonders hilfreich wäre, es nicht in die Hände bekommen werden.

    Donna allerdings hätte Sylvia Schneiders Ratgeber wohl nie gelesen.

    "Die Erinnerung an den gut aussehenden, herzlichen, braun gebrannten, fröhlichen Jungen an dem weißen Strand will ich ganz für mich behalten, bis ans Ende meiner Tage. Niemand wird jemals etwas von José erfahren, nicht einmal sein Kind. Nein! Das fremde Wesen wird immer fremd bleiben. Das fremde Wesen wird nie wissen, wer sein Vater oder wer seine Mutter ist. Das fremde Wesen wird von fremden Menschen adoptiert werden und nichts erfahren."
    Ist es ein Zufall, dass auch die dritte literarische Neuerscheinung zum Thema Schwangerschaft in diesem Jahr aus Skandinavien kommt: "Von ihm für immer" von der norwegischen Jugendbuchautorin Helga Gunerius Eriksen? Sie erzählt von Donna, die wie Jessica und Ann-Katrin in einer tiefen Krise steckt. Vehement, ja verzweifelt ringt sie um einen letzten Rest an Selbstachtung. Hin- und hergerissen zwischen Scham- und Schuldgefühlen, Sehnsucht nach dem geliebten José und dem festen Vorsatz, niemals zu verraten, dass er der Vater ihres Kindes ist. Wütend schleudert Donna den Lesern ihre Monologe entgegen, in den stoßweisen Wiederholungen spürt man eine tiefe Einsamkeit. Doch gleich darauf, in ihren Erinnerungen an die zwei Sommerwochen auf Mallorca, wechselt Donna den Ton. Bitterkeit und Zynismus weichen Wärme und Zärtlichkeit, lichte Passagen und poetische Bilder erzählen von einem sehr großen und sehr kurzen Glück.

    "Wir wurden mitgezogen, wie der Mond das Meer zu Flut und Ebbe zieht,
    wie die Wolken über den Himmel ziehen, zwischen Hochdruck und Tiefdruck, wie die Erde ihre Bahn um die Sonne zieht. Es gab nichts zu sagen, wir konnten uns nicht wehren, wir haben es einfach getan, ohne an die Konsequenzen zu denken. Wir haben nie darüber gesprochen, wir haben uns einfach nur geliebt, jede Nacht, und konnten damit nicht aufhören."


    Doch niemals wirkt dieser hochemotionale Roman pathetisch oder sentimental. Dazu ist er viel zu aufgebracht in seiner Erzählhaltung, viel zu lebendig durch das permanente Pendeln zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Helga Gunerius Eriksens eindringliche Sprache entwickelt einen Sog, der den Leser mitzieht in eine sehr harte Geschichte. Denn Donna wohnt allein, der Vater ist alkoholabhängig und gewalttätig, die Mutter lebt in einer psychiatrischen Anstalt, der Bruder nimmt Drogen und nur eine alte Tante kümmert sich um sie. So bleibt die Schwangerschaft viel zu lange unbemerkt, eine Abtreibung steht schon gar nicht mehr zur Debatte. Doch das deprimierende soziale Umfeld, die Schilderung der Schwangerschaft, ja sogar die Frage, warum Donna das Baby bekommt, alles spielt nur eine Nebenrolle. Im Mittelpunkt steht Donnas Liebe zu José, die sie bewahren möchte, und ihr Hass auf das fremde Leben in ihrem Körper, das sie so schnell wie möglich durch die Freigabe zur Adoption loswerden will.

    "Ich glaube, das ist auch noch mal so ein Tabu-Thema, das Kind zu bekommen und dann wegzugeben",

    meint Christine Fehér.

    "Es gibt ja auch diese Baby-Klappen, aber das passiert ja viel zu oft, dass die neugeborenen Babys nicht einmal da abgegeben werden. Ich glaube, dass das in Fällen ist, wo die Schwangerschaft durch eine absolut unmögliche oder verbotenen Beziehung zustande gekommen ist oder durch ein sexuelles Erlebnis, das nicht sein darf und wo keiner wissen darf, wer der Vater ist und die Mutter einfach verzweifelt ist."

    Donna will nicht, dass José etwas von dem Kind erfährt - wie Ann-Katrin in "Nie wieder lonely". Es ist fast spiegelbildlich die gleiche Situation, dieses Mal allerdings aus Mädchensicht erzählt. Nur - Donna bleibt allein und José bleibt eine Erinnerung. Ihre seelischen Nöte schreien geradezu danach, endlich ausgesprochen werden zu dürfen. Am Schluss, mit der Geburt ihrer kleinen Tochter, macht sie allerdings noch einmal eine ganz neue beglückende Erfahrung.
    "Den meisten werdenden Müttern hilft es, wenn der Vater bei der Geburt dabei ist", schreibt Sylvia Schneider am Schluss ihres Ratgebers.

    "Ist das Kind heil und gesund auf die Welt gekommen, wird die Freude groß sein. Die meisten Frauen sagen, dass das der schönste Moment in ihrem Leben war."

    Sylvia Schneider hat einen sehr gut lesbaren Ratgeber für Jugendliche geschrieben. Wie eine ältere Freundin geht sie auf alle Fragen ein, die junge Mädchen im Zusammenhang mit dem Thema Schwangerschaft haben können: mal lässig-locker, dann wieder ernsthaft warnend. Aufklärung ist ihr Ziel, Information, aber auch Hilfe bei möglicherweise schwierigen Entscheidungen. Und – das wichtigste – die Vermittlung von Selbstvertrauen zu einer eigenen Entscheidung, die zu den eigenen Wünschen und Wertvorstellungen passt.

    Erstaunlich ist es schon, dass Jessica, Ann-Katrin und Donna ihr Kind nicht abtreiben lassen. Gerade in Deutschland, das mit seiner Geburtenrate zum Schlusslicht in der EU geworden ist, wo junge Leute sich nur in Doku-Soaps wie "Erwachsen auf Probe" nach Babys sehnen, gerade hier muss das verwundern. Vielleicht spiegeln diese Jugendbücher ja einen skandinavischen Trend wieder, schwangere junge Mädchen intensiver zu unterstützen. Was ein schönes Beispiel dafür wäre, dass Literatur zwar nicht die Welt verändert, aber doch sehr flexibel auf Weltveränderung reagieren kann. Eine Botschaft – im Sinne von: es ist besser, das Kind auszutragen als es abzutreiben – transportieren diese Bücher aber auf keinen Fall. Dafür sind sie viel zu sehr literarischer Text. Wie das Glück plötzlich ins Unglück kippen kann und wieder zurück – Bücher über Teenagerschwangerschaften können bewegende literarische Beispiele dafür sein.

    "Aber ist ein glückliches Ende immer das Beste?",

    fragt Per Nilssons junger Vater in dem Tagebuch für seinen Sohn. Wer wünscht sich kein Happy End in der Wirklichkeit? Gerade dann, wenn eine Zeit voller Konflikte und Komplikationen zu bewältigen war? Aber wie lange hält es denn überhaupt, so ein Happy End? Gibt es im Leben überhaupt eines? Und in der Literatur?

    "So ist es nicht, das wissen alle. Und alle wissen, warum. Ein glückliches Ende lässt sich immer voraussagen. Ein glückliches Ende, das gibt es bloß in Märchen und Hollywoodfilmen. Ein glückliches Ende, das ist, wie wenn man eine Türe schließt, dann braucht man keine einzige Sekunde seines Lebens mehr darauf zu verwenden, braucht nie mehr an dieses Buch oder an jenen Film zu denken. So ist das, und das wissen alle."

    Katarina von Bredow: "Wie ich es will", aus dem Schwedischen von Maike Dörries, Verlag Beltz & Gelberg 2009
    Helga Gunerius Eriksen: "Von ihm für immer", Oetinger Verlag 2009,

    Per Nilsson: "Nie wieder lonely", Deutsch von Birgitta Kicherer, Oetinger Verlag 2009

    Sylvia Schneider: "Schwanger?!", Überreuther Verlag 2008 (Ratgeber)