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Bauen für Bürgerlichkeit

Karl Friedrich Schinkel gehört zu den wichtigsten Baumeistern des 19. Jahrhunderts. Seine klassizistischen Bauten prägen bis heute den historischen Kern Berlins. Am 13. März 1781, heute vor 225 Jahren, wurde er geboren. Seine Arbeit als Architekt folgte einer zutiefst idealistischen Maxime.

Von Anette Schneider | 13.03.2006
    "Das wundervolle langersehnte Rom!... Ich spreche kein Wort von der Stadt, weil ich nicht weiß, den Anfang zu finden, und hätte ich diesen, so fürchte ich das Ende zu erreichen","

    schreibt Karl Friedrich Schinkel einem Freund. Zwei Jahre reist Schinkel kreuz und quer durch Italien. Als der 24-jährige 1805 wieder in Berlin eintrifft, hat er das Fundament gelegt, das ihn zu dem berühmtesten deutschen Baumeister seiner Zeit machen wird: Er hatte die Bauwerke der Antike studiert, Hunderte Zeichnungen gemacht, das Bauen mit Natur- und Backstein entdeckt - und er wusste:

    ""Ich möchte alle menschlichen Verhältnisse veredeln!"

    Sein Leben lang wird Karl Friedrich Schinkel dieser idealistischen Maxime treu bleiben. Schinkel, am 13. März 1781 in dem märkischen Städtchen Neuruppin geboren, wuchs in Berlin auf, und nachdem er Entwürfe des fortschrittlichen Architekten Friedrich Gilly gesehen hatte, verließ er das Gymnasium, um bei Gillys Vater in die Lehre zu gehen.

    Nach der Italienreise erlebt Schinkel in Berlin eine Zeit tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen: Der Französischen Revolution folgend fordert auch das deutsche Bürgertum mehr politische und wirtschaftliche Macht, eine Entwicklung, die der junge Architekt durch ästhetische Erziehung vorantreiben will.

    "Es wäre vielleicht die höchste Blüte einer neuen Handlungsweise der Welt, wenn die schöne Kunst vorangehen und als ein eigentümliches Element der neuen Zeit angesehen werden kann."

    Ob in seiner Malerei, seinen Bühnenbildern, seiner Innenarchitektur oder in seinen großen Bauwerken: Schinkel greift dafür auf die Formensprache der Antike zurück. Mit ihren klaren, strengen Formen gilt sie als bürgerliches Gegenprogramm zum Feudalismus, da sie Sinnbild ist für die Sehnsucht nach einem vollkommenen Menschsein. Dieses Programm kann Schinkel, der gern als freier Architekt gearbeitet hätte, nur dort umsetzen, wo das Geld ist: in feudalen Staatsdiensten. Protegiert durch Wilhelm von Humboldt erhält er 1810 seine erste Stelle, bis 1830 wird er zum Oberbaudirektor Preußens aufgestiegen sein. In diesen 20 Jahren entwirft er auf zum Teil noch sumpfigem und brachliegendem Gelände das, was heute als historisches Zentrum Berlins gilt: In der Nähe des Stadtschlosses entsteht die Neue Wache. Es folgten die Schlossbrücke, die den Boulevard "Unter den Linden" mit dem Lustgarten verbindet, das Schauspielhaus, die backsteinerne Friedrichwerdersche Kirche, die Vorbild werden wird für die Kirchenarchitektur des 19. Jahrhunderts, und dann ist da noch

    "die Front gegen den Lustgarten hin. Sie hat eine so ausgezeichnete Lage, man könnte sagen die schönste in Berlin, dass dafür auch etwas ganz Besonderes getan werden müsste."
    Jahrelang kämpft Schinkel für seine Pläne. 1823 gibt Friedrich Wilhelm III. nach: Im Herzen der Stadt entsteht das Alte Museum, das erste, allen zugängliche Kunstmuseum in deutschen Landen - und einer der schönsten Museumsbauten seiner Zeit.

    "Eine einfache Säulenhalle in einem großartigen Stil und mit dem bedeutenden Platze im Verhältnis stehend wird dem Gebäude am sichersten Charakter und schöne Wirkung geben."

    Wie in allen seinen großen Bauten nutzt Schinkel auch hier klassizistische Formen. Sie sind repräsentativ und befriedigen die Wünsche des Königs nach Herrschaftsarchitektur - gleichzeitig tragen sie bürgerlich-fortschrittliche Ideen in sich. Dieses Programm sieht Schinkel in Frage gestellt, als er 1826 durch England reist und völlig Neues sieht.

    "In Manchester sind 400 neue große Fabriken für Baumwollspinnerei entstanden, unter denen mehrere Gebäudeanlagen von der Größe des Königlichen Schlosses zu Berlin stehen!"

    Schinkel erkennt: Das bürgerliche und kapitalistische Zeitalter erfordert andere, neue Formen.

    "Jede Hauptzeit hat ihren Stil hinterlassen in der Baukunst - warum wollen wir nicht versuchen, ob sich nicht auch für die unsrige ein Stil auffinden lässt? - Warum sollen wir immer nur nach dem Stil einer anderen Zeit bauen?"

    Schinkel entwirft die Bauakademie. Der sachliche, dreistöckige Kubus aus Backstein, ebenso funktional wie formal ausgewogen, stößt auf allgemeines Unverständnis. Mit der Idee einer neuen, modernen Architektur ist der große Baumeister des Spätklassizismus seiner Zeit zu weit voraus. Stattdessen zwingt ihn der Kronprinz, fantastisch-irreale Schlossanlagen zu entwerfen.

    ""Mit Bekümmernis fühle ich, das ich unter anderen Verhältnissen noch mehr hätte leisten können, dass ich aber innerlich zerrissen werde durch Arbeiten, zu denen ich die Zeit meiner eigentlichen Bestimmung entziehen muss","

    klagt Schinkel. 1841 stirbt der Architekt, der mit dem Rückgriff auf die Antike seiner Zeit vorauseilen wollte, um eine bessere Gesellschaft zu schaffen.