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Bauer contra Tierarzt

Damit ein großer landwirtschaftlicher Betrieb gut läuft, braucht man nicht nur moderne Bewirtschaftungsmethoden, gut überlegte Investitionen oder gar die berühmte Bauernschläue. Landwirte sind oft zusätzlich auf weitere Fachleute angewiesen; Berater oder Vertrauenspersonen. Wie den Tierarzt zum Beispiel. Auf ihn muss Verlass sein, damit es den Tieren gut geht. Was passieren kann, wenn ein Veterinär sein Handwerk nicht versteht, zeigt ein Beispiel aus Behlendorf im Süden Schleswig-Holsteins. Hier soll ein Tiermediziner die Zuchtschweine eines Landwirts falsch behandelt haben - mit fatalen Folgen für den Zuchtbetrieb. Seit vier Jahren prozessieren die Betroffenen jetzt schon. Michael Wieczorek hat den betroffenen Bauern auf seinem Hof besucht.

Von Michael Wieczorek | 29.12.2004
    Wenn Hubert Hümme täglich über den Hof zu seinen Schweinen geht, dann schallt ihm ein munteres Grunzen entgegen. Die 150 Zuchtsauen in der offenen Bestallung fühlen sich pudelwohl. Auch die beheizte Stallanlage bietet ein idyllisches Bild. Hier die ruhenden Sauen, dort die quicklebendigen Ferkel unter roten Heizlampen. Heute geht es den über 3000 Schweinen auf ihren 500 Mastplätzen gut. Das war nicht immer so. Vor einigen Jahren spielten sich in den Mastabteilungen ganz andere Szenen ab, erzählt Hümme:

    In den Jahren 1995/96, 97/98 - da schlichen sich doch vermehrt Krankheiten in meinen Bestand ein. Mal waren es Hustenerkrankungen in der Mast, aber auch Durchfallerkrankungen in der Ferkelaufzucht, erhöhte Umrauschquoten, d.h. Sauen, die nicht tragend wurden und dadurch natürlich auch weniger Ferkel gebären konnten.

    Doch zunächst waren es nur Einzelfälle, die eher sporadisch auftraten. So etwas könne eben in jedem Betrieb mal vorkommen, so der 49-jährige. Seine Schweine wähnte er bei Tierarzt Eckardt Beck-Broichsitter in guten Händen. Seit Anfang der 90er Jahre schon betreute der Veterinär die Tiere:

    Er ist mir als guter Tierarzt für Schweinekrankheiten empfohlen worden. Das war ganz normale routinemäßige tierärztliche Praxis, die hier gebraucht wurde, z.B. bestimmte Impfungen und es musste Blut gezogen werden und diese musste eingeschickt werden zur Untersuchung und es waren sonst ganz normale Routinearbeiten.

    Die der Tierarzt zunächst auch zufrieden stellend erledigte. Dabei setzte er vor allem auf massiven Einsatz von Medikamenten. Deren ständig steigende Mengen trieben außerdem die Kosten in die Höhe. Doch trotz intensiver Betreuung stieg die Anzahl erkrankter Tiere dramatisch. An manchen Tagen trug Hubert Hümme gar reihenweise tote Ferkel aus den Mastabteilen heraus. Die lapidare Erklärung des Veterinärs: Die Tiere litten an einer Immunschwächekrankheit, die medikamentös nicht zu behandeln sei. Die Tiere müssten eigene Abwehrkräfte bilden. Allmählich aber schwand das Vertrauen zum Tierarzt:

    Die Immundepression durch diese übermäßige medikamentöse Behandlung war wahrscheinlich schon der Auslöser der Schwäche meines Tierbestandes schlechthin, was dann immer wieder zu neuem Aufflammen von Krankheiten führte.

    Privat in Auftrag gegebene Gutachten anderer Tierärzte bestätigten seinen Vermutung: Die übertrieben hohe Medikation sei schuld an den Erkrankungen und damit an den Einbrüchen in der Produktion. Die Verluste beliefen sich für den Vater dreier Söhne auf mehr als 250.000 Euro. Im September 2000 reichte er deshalb beim Landgericht Lübeck Klage ein. Die Einigung durch eine Vergleichszahlung von 100.000 Euro lehnte Hubert Hümme ab. Grund: Die Verluste seien viel höher und die Schulden bei den Banken erdrückend, gar Existenz bedrohend. Inzwischen verweigern die Banken sämtliche Kredite. Noch ausstehende Hypotheken zu tilgen zehrt an der Substanz:

    Ich musste sie zurückzahlen. Ich konnte sie nur zurückzahlen, indem ich Teile meines Betriebsvermögens veräußert habe, d.h. ich habe Land verkaufen müssen, um meinen Betrieb vor der Insolvenz zu retten, sag ich mal so.

    Was anfangs nach einem gewöhnlichen Haftungsfall aussah, dauert inzwischen vier Jahre. Ein baldiges Prozessende ist nicht absehbar, der Ausgang immer noch offen. Die Gegenseite hat es abgelehnt, sich öffentlich zu äußern. Torsten Fürter ist mittlerweile der dritte in diesem Fall zuständige Richter beim Lübecker Landgericht. Für ihn zählt in diesem komplizierten Fall in erster Linie Gründlichkeit - insbesondere was unabhängige tierärztliche Gutachten angeht:

    Ich kann als Richter nicht ohne weiteres einfach ein Privatgutachten übernehmen, weil ja die andere Seite völlig zurecht behaupten würde, dass der Gutachter ja eben nur von einer Partei gestellt wurde. Das ist beim Gerichtlichen Gutachter anders, der wird ja vom Gericht mit der Sache beauftragt.

    Kurzum, man befinde sich also noch immer in der Phase der Beweisaufnahme. Derweil belastet der Schuldenberg Hubert Hümmes Mastbetrieb weiter, auch wenn die Tiere heute gesund sind und die Produktion gut läuft. Der Schweinezüchter betreibt nebenbei auch eine Biogasanlage. Um dem finanziellen Druck zu entkommen, plant er den Bau einer Trockenkompostierungsanlage, in der aus pflanzlichen Abfällen Energie gewonnen werden kann. Hier hat er wiederum mit dem Widerstand der Gemeinde zu tun. Ob der Tüchtige, aber auch streitbare Landwirt zu seinem Recht kommt, bleibt abzuwarten. Den eigenen Tierarzt wird er sich jedenfalls künftig mit großer Vorsicht aussuchen.