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Bauernmeierei
Biobauern produzieren regional

Nach dem Ende der Milchquote gibt es viel zu viel Milch auf dem Markt und die Preise purzeln in den Keller. Weniger als 30 Cent pro Kilo zahlen die großen Molkereien momentan noch. Das deckt oft nicht einmal die Produktionskosten. Eine Gruppe von Bauern aus Schleswig-Holstein möchte das nicht glauben - und entwickelt eine erfolgreiche Alternative.

Von Dietrich Mohaupt | 01.09.2015
    Rind aus Kunststoff mit den Deutschlandfarben angemalt und der Aufschrift: "Die faire Milch"
    Rind aus Kunststoff mit den Deutschlandfarben angemalt und der Aufschrift: "Die faire Milch" (Imago / CHROMORANGE)
    140 Milchkühe stehen bei Biolandwirt Johannes Tams im Stall beziehungsweise meistens auf der Weide – rund 850.000 Kilogramm Milch produzieren die pro Jahr. Die sollen künftig in Mühlenrade in der Bauernmeierei verarbeitet werden. Johannes Tams ist aber nicht nur Rohstofflieferant für die Meierei – sondern auch Anteilseigner des Betriebs, der pro Jahr etwa elf Millionen Liter Rohmilch verarbeiten soll. Das ist nur ein Bruchteil der Kapazitäten großer Konzerne – aber es geht bei uns eben nicht vorrangig um die Menge, betont Johannes Tams:
    "Es geht darum, dass wir nicht anonym produzieren und dass ich meine Mitbewerber oder Mitproduzenten kenne – das hat was mit gegenseitigem Vertrauen zu tun. Eine Vertrauensgrundlage, die wir transportieren können an den Verbraucher."
    Weil sich die Lieferanten alle kennen, können sie auch voll hinter den Produkten der Meierei stehen – Bioqualität eben ohne Wenn und Aber. Die natürlich auch ihren Preis hat – ca. 1, 30 Euro pro Liter! Beim Discounter um die Ecke gibt es den Liter konventionelle Milch schon für rund 50 Cent. Aber:
    "Wir produzieren ein Produkt in einer Umwelt, die wir erhalten – ressourcenschonend, und wir machen nichts kaputt. Diese Leistung muss der Verbraucher auch mit bezahlen – denn er lebt in der gleichen Umwelt."
    Genau darin steckt das Risiko der Meierei-Neugründung – ist der Verbraucher wirklich bereit, deutlich mehr für ein regionales Bioprodukt zu bezahlen? Schleswig-Holsteins grüner Landwirtschaftsminister Robert Habeck scheint davon jedenfalls überzeugt zu sein – immerhin hat die Landesregierung das Projekt mit etwa 1,8 Millionen Euro gefördert, und zwar...
    "Weil es geradezu idealtypisch umsetzt, wovon viele Leute immer reden und ich auch immer rede: Es sind regionale Strukturen aufgebaut worden, Bauern haben selbst ihre Zukunft in die eigene Hand genommen. Es gibt eine Bauerngemeinschaft, die die Meierei trägt – es gibt keine externen Großinvestoren – und es ist Bio-Milch, und dadurch wird auch ein Absatz für die Produktionsweise gesichert, die uns besonders am Herzen liegt, weil sie eben natur-, umwelt- und tierschonend ist."
    Darum hat der Minister auch mit vollem Einsatz – und bewaffnet mit einem scharfen Messer – bei der Eröffnung der Meierei das symbolische Band durchschnitten.
    "Was für ein Messer. Einmal festhalten, bitte – festhalten!! Eröffnet – Glückwunsch!"
    Anschließend ließ Minister Habeck sich dann noch vom Meierei-Geschäftsführer Janosch Raymann bei einem Rundgang durch einen speziellen Besucherbereich den rund 11 Millionen Euro teuren Neubau zeigen – und fragte dabei neugierig nach einigen Details.
    "Die Befüllung der Milch findet hier drin statt? Das sind die Kartons, dann gehen sie hier rein und oben fallen die Deckel durch – ist das richtig?
    Genau – die hier werden hier drin aufgefaltet im vorderen Bereich, dann wird der Deckel eingesetzt und im hinteren Bereich werden die befüllt.
    Wie viele Liter Milch werden das dann pro Tag werden?
    Also – momentan ist es so, dass wir rund 40.000 Liter am Tag verarbeiten, momentan aber noch nicht an jedem Tag."
    Die gerade frisch gegründete Meierei ist also noch längst nicht an ihrer Leistungsgrenze – weitere Biobauern als Kommanditisten sind willkommen, betont Geschäftsführer Raymann. Es gibt allerdings ein wichtiges Kriterium:
    "Also – es ist bei uns so, dass alle Betriebe aus einem Radius von maximal 150 Kilometer kommen sollen – und das soll auch so bleiben. Und das ist auch das Gebiet, in dem wir uns – oder auf das wir uns mit unseren Absatzanstrengungen konzentrieren wollen. Das heißt: Wir wollen uns wirklich regional ausrichten und auch aufstellen."
    Die Produkte der Bauernmeierei, von der Frischmilch über die länger haltbare Vollmilch bis hin zur eigenen Sauerrahm-Butter, sind deshalb auch nur im Naturkost-Fachhandel und im Lebensmitteleinzelhandel zu finden – es gibt sie nicht bei den Discountern, die mit ihren Niedrigstpreisen gerade mal wieder den konventionellen Milchbauern das Leben so richtig schwer machen.
    Die bekommen derzeit für ihre Milch rund 27 Cent pro Liter - Biobauern dagegen etwa 47 Cent, rechnet Landwirtschaftsminister Robert Habeck vor.
    "Die Preise sind stabil geblieben, es gibt jede Menge staatliche Unterstützung für Biobauer zu sein, der sollte jetzt die Chance ergreifen. Jetzt ist der Moment, die Bedingungen sind wunderbar, und jede Meierei – auch außerhalb von Schleswig-Holstein – die Bio-Milch produziert, sagt mir: Ich brauche Bauern!!!"