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BAUERNPROTESTE GEGEN VERSTEIGERUNGEN

Wir haben die Million-Stadt Rosario verlassen und fahren durch die Pampa. Am Steuer des Wagens sitzt die Bäuerin Ema Curzio Gründerin der Bewegung ?Frauen im Kampf?. Seit Monaten, so die Bäuerin, verfaulen ihre Mohrrüben auf dem Feld, die Supermärkte nehmen kaum noch etwas ab. Die Regierung fror die Bankguthaben ein, pro Monat kann nur ein bestimmter Betrag abgehoben werden. Niemand hat mehr Geld in der Tasche, auch nicht die Glücklichen, die noch einen Arbeitsplatz haben.

von: Gaby Weber |
    Wir haben die Million-Stadt Rosario verlassen und fahren durch die Pampa. Am Steuer des Wagens sitzt die Bäuerin Ema Curzio Gründerin der Bewegung ?Frauen im Kampf?. Seit Monaten, so die Bäuerin, verfaulen ihre Mohrrüben auf dem Feld, die Supermärkte nehmen kaum noch etwas ab. Die Regierung fror die Bankguthaben ein, pro Monat kann nur ein bestimmter Betrag abgehoben werden. Niemand hat mehr Geld in der Tasche, auch nicht die Glücklichen, die noch einen Arbeitsplatz haben.

    Rechts und links Weizenfelder soweit das Auge reicht. Rosario liegt im Herzen der Feuchten Pampa mit ihrer Humusschicht von bis zu zwei Metern. Landgüter mit tausend Hektar sind keine Seltenheit, der Grundbesitz ist Millionen wert. Kleinbauern und Pächter sind nur in unmittelbarer Stadtnähe zu finden. Früher wurde hier der Reichtum Argentiniens produziert: Weizen, Soja, Rindfleisch. Produziert wird immer noch, aber die Kosten für Steuern, Treibstoff und Saatgut sind zu hoch. Heute werden die hoch verschuldeten Estancien zwangsversteigert und landen in den Portefeuilles internationaler Fondsgesellschaften. Der Finanzmogul George Soros soll hier glänzende Geschäfte gemacht haben, als er Anfang der Neunziger Jahre Land erwarb und dieses später für den dreifachen Hektarpreis weiterverkaufte.

    Das Fahrtziel von Ema Curzio heißt Villa Mugueta . In dem Dorf soll ein Hof versteigert werden. Dort angekommen versperrt Ema Curzio mit ihrem Auto den Dorfeingang. Nachbarn eilen herbei.

    Ein BMW rollt an die Sperre. Am Steuer ein Vierzigjähriger in Anzug und Krawatte, auf dem Rücksitz eine Aktentasche.

    Die Demonstranten zwingen den BMW zur Umkehr. Ema Curzio hält den Rechtsanwalt für den Strohmann eines potentiellen Käufers. Das sind häufig Fondsgesellschaften. Sie verfügen über billiges Geld. Ein argentinischer Landwirt hingegen zahlt bei seiner Hausbank für einen Kredit über 25 Prozent Zinsen. Die Banken begründen dies mit dem hohen Länderrisiko Argentiniens. Darunter versteht man die Einschätzung privater Agenturen, ob das Land seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.

    Es war der Internationale Währungsfonds, der in den letzten Jahren die Privatisierung der Staatsbetriebe gefordert hatte. Und die peronistische Regierung unter Carlos Menem hatte die Wünsche brav erfüllt und die Erdölvorkommen, die Telekommunikation, das Wasserwerk und die Stromgesellschaft verkauft. Jetzt verlangt der IWF das Herzstück des argentinischen Reichtums: die Feuchte Pampa. Denn der Fonds fordert für frische Kredite die Privatisierung der staatlichen Banco de Nación. Bei ihr sind neunzig Prozent aller argentinischen Grundbesitzer verschuldet. Wer sich die Bank einverleibt, erhält ihre Schuldtitel und kann die Bürgschaften einklagen.

    Zurück nach Villa Mugeta. Vor dem Bauernhof taucht plötzlich ein Streifenwagen auf. Die Frauen sollen die Straße räumen.

    ''Was würden Sie machen'', fragt Ema Curzio die Uniformierten, "wenn Ihr Haus versteigert wird?" Der Polizist will keinen Ärger, bittet um Verständnis für seine Lage. Er müsse Befehle befolgen.

    ''Der Richter ist da'', heißt es plötzlich, am anderen Ortseingang. Der Gemeinderichter sitzt im Auto, umringt von aufgebrachten Nachbarn.

    Ich vertage die Versteigerung, weil ich sie nicht mit der gebotenen Sicherheit durchführen kann. Den Termin für die nächste Auktion bestimmt das Gericht.

    Am Amtsgericht wartet Lázaro, dessen Hof unter den Hammer sollte, aufgelöst, mit Schweißperlen auf der Stirn, seine Enkeltochter an der Hand. Heute ist der Kelch an ihm vorbeigegangen. Die 53 Hektar sind sein einziger Besitz:

    Ich hatte 16.000 Dollar Schulden, und die Bank forderte für die Umschuldung eine Bürgschaft: meinen Grundbesitz. Niemand kann die astronomischen Zinsen mit Ackerbau aufbringen. Heute wurde der Verkauf für sechs Monate ausgesetzt. Dann sehen wir weiter. Im Senat schlummert ein Gesetzesvorschlag, der die Zwangsversteigerung von Höfen verbietet. Ich hoffe, dass seine Verabschiedung nicht allzu lange dauert. Aber bei den Politikern weiß man ja nie. Wenn ich meinen Hof verliere? Dann jage ich mir eine Kugel in den Kopf. Vorher erschieße ich ein paar andere, so viele wie möglich, und wenn hohe Tiere darunter sind, umso besser. Gott wird mir beistehen.

    Die Menge klatscht Beifall: '' Das vereinte Volk wird nie besiegt'', so die Parole.