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Bauernverband kritisiert Gentechnik-Gesetz der Bundesregierung

Ehring: Herr Sonnleitner, die Internationale Grüne Woche steht in diesem Jahr unter dem Zeichen der Osterweiterung der Europäischen Union, doch das Thema in der Diskussion ist im Moment die ‚grüne’ Gentechnik. Genveränderte Sorten dürfen ja demnächst in Deutschland angebaut werden. Herr Sonnleitner, Sie sind Schweinezüchter, werden Sie Ihre Tiere damit füttern?

    Sonnleitner: Ich werde auf meinem Betrieb momentan keine gentechnisch veränderten Pflanzen säen oder pflanzen, weil die Maissorten und die Getreidesorten, die bei uns auf dem Markt sind, meinen Anforderungen voll genügen.

    Ehring: Nun wird es ja demnächst erlaubt, so etwas anzubauen. Können Sie den Landwirten in Deutschland denn empfehlen, von der Möglichkeit, die jetzt eröffnet wird, Gebrauch zu machen?

    Sonnleitner: So, wie Frau Künast bei ihren Reden oder Pressekonferenzen jetzt das Gentechnik-Gesetz vorgestellt hat, könnte ich wegen der für uns Bauern unannehmbaren Haftungsfrage den Bauern nicht empfehlen, gentechnisch verändertes Saatgut anzusäen. Wir Bauern und der Bauernverband haben immer für eine echte Koexistenz plädiert, für eine Wahlfreiheit, sowohl für den Verbraucher wie für den Bauern. Aber Koexistenz bedeutet, dass dann eine echte Koexistenz ist. Wie Frau Künast das jetzt macht - ohne praktische Erfahrung, ohne praktische Begleitung –, wird gute fachliche Praxis jetzt in ein Gesetz gegossen. Und dann kommt in der Haftungsfrage das Nachbarschaftsrecht, das heißt gesamtschuldnerische, schuldensunabhängige Haftung. Und keine Versicherung in Deutschland will dann einen gentechnisch anbauenden Bauern versichern. Aus diesen Gründen müssen wir momentan die Bauern davor warnen.

    Ehring: Aber irgendwer muss ja haften, wenn ein Bauer, zum Beispiel ein Ökobauer, seine Produkte nicht mehr zu entsprechenden Preisen als Ökoprodukte verkaufen kann. Wer soll haften Ihrer Meinung nach?

    Sonnleitner: Es geht nicht nur um den Ökobauern, sondern auch um konventionelle Bauern, die sehr gute Märkte haben für absolut gentechnikfreie Produkte. Aber deswegen haben wir als Deutscher Bauernverband immer wieder gefordert: Wir brauchen aufgrund unserer Struktur, unseres Klimas, unserer ländlichen Räume einen praktischen Erprobungsanbau. Aus einem praktischen Erprobungsanbau unter Begleitung von Wissenschaft, von Politik, von Öffentlichkeit hätten wir die Abstandsregeln dann gesehen, wir hätten Erfahrung gesammelt und hätten dies dann in ein Gesetz – gute fachliche Praxis – dann festgezurrt und beschlossen. Und damit wäre Sicherheit gegeben worden, und wir hätten dann nur die allgemeine Schuldhaftungsfrage, wie sie im Gesetz steht.

    Ehring: Was sollte denn Ihrer Meinung nach jetzt passieren? Müsste man diesen Erprobungsanbau sozusagen nachholen?

    Sonnleitner: Nach wie vor brauchen wir diesen Erprobungsanbau, um dann zu echten Fakten und zu einer echten Sicherheit für beide Beteiligten – pro und kontra – zu kommen. Ich fühle mich für beide Teile verantwortlich, für den, der Gentechnik nicht will, aber auch für den, für den sich in irgendeinem Bereich von gentechnisch veränderten Pflanzen Chancen im Markt auftun würden.

    Ehring: Wo stehen Sie denn mit dem Herzen?

    Sonnleitner: Mit dem Herzen stehe ich dafür, dass wir die Option von Gentechnik brauchen. Wir akzeptieren ja Gentechnik im medizinischen Bereich, wenn es uns hilft, wenn es Nutzen für unsere Gesundheit bringt. Und ich bin mir sicher, dass zeitversetzt auch bei der grünen Gentechnik Nutzen für den Verbraucher, für die Bevölkerung rauskommt, besonders im Umweltbereich, aber auch im Non-Food-Bereich der nachwachsenden Rohstoffe. Und wenn wir schon immer von Elite, von innovativen Produkten reden, müssen wir uns wegen der Herausforderung der weltweiten Märkte diese Option offenhalten.

    Ehring: Sie sagen, Sie respektieren die Bedenken der Verbraucher, aber Sie teilen sie eigentlich nicht.

    Sonnleitner: Die teile ich schon, weil wir als Bauernverband immer wieder für die Kennzeichnung waren, damit eben der Verbraucher sieht: Dort ist gentechnisch veränderte Produktion betrieben worden, das will ich oder das will ich nicht. Das heißt, gerade weil wir so stark für die Kennzeichnung waren, sind wir doch offen dem Verbraucher gegenüber.

    Ehring: Können Sie kurz sagen, wo die Chancen der Gentechnik liegen in der Landwirtschaft?

    Sonnleitner: Die Chancen der Gentechnik können darin liegen, dass wir umweltfreundlicher produzieren, dass wir gesündere Pflanzen haben, dass wir Pflanzen mit mehr Inhaltsstoffen haben. Und dies ist sicher auch aus ethischen Gesichtspunkten dann zu bejahen, dass wir Gentechnik betreiben.

    Ehring: Ein zweites großes – ungeplantes – Thema dieser Internationalen Grünen Woche ist wieder BSE. Es hat sich gezeigt, dass Hunderte von Schlachtungen ohne Tests durchgeführt worden sind. Hat das Testsystem versagt Ihrer Meinung nach?

    Sonnleitner: Nein, es ist genau das Gegenteil der Fall. Es hat bewiesen, dass unsere Sicherungssysteme stehen. Jeder einzelne Verstoß konnte bei unserer Rinderdatenbank nachvollzogen werden. Der Fehler lag noch im System der Abgleichung zwischen Rinderdatenbank und Tests. Und man muss auch die Zahlen vergegenwärtigen. Es wurden im Jahr 2003 2,9 Millionen BSE-Tests gemacht, und nur bei einigen Hunderten wurden jetzt echte Unstimmigkeiten festgestellt. Das sind 0,02 Prozent. Das ist ein hervorragendes Ergebnis. Wir arbeiten daran, auch diese 0,02 Prozent zu vermindern und runter zu führen. Aber da sind die Behörden und die staatliche Überwachung gefordert. In dem System von Bauern-Rinderdatenbank stehen alle Fakten fest, aber dann bei der Abgleichung BSE-Tests gab es noch Lücken. Und diese so kleinen Lücken müssen geschlossen werden.

    Ehring: Das heißt, Sie hätten erwartet, dass es viel größere Lücken gibt?

    Sonnleitner: Ich habe nicht größere Lücken erwartet. Ich bin sehr froh, dass wir auf Seiten der Landwirtschaft mit der Rinder-Datenbank keine Lücken haben, dass hier jeder Verstoß, jedes Tier nachvollziehbar war. Aber wie gesagt, am Schlachthof, bei den Schlachtungen, bei den behördlichen Überwachungen gab es scheinbar noch Fehler, dass Geburtstage falsch gelesen worden sind. Man darf auch nicht vergessen, dass ein großer Teil jetzt der ungetesteten Tiere wegen des juristischen Streits auf der Liste stehen, ob man das Geburtsdatum prüfen muss oder nicht. Das heißt, es ist ein sehr effizientes System. Und das Signal an die Verbraucher ist: Zum einen nehmen wir die Ängste ernst, und zum anderen: Wir hatten eine extrem niedrige Fehlerquote, und auch die wird noch minimiert.

    Ehring: Renate Künast, die Bundesverbraucherministerin, schlägt jetzt eine gemeinsame Schwachstellenanalyse vor von Bund und Ländern. Ist das der richtige Weg?

    Sonnleitner: Ja, aber das ist Aufgabe eben der Behörden, weil es in dem Bereich der Abgleichung noch Fehler gab.

    Ehring: Könnte man denn die BSE-Tests auf 30 Monat hoch setzen, wie es in anderen Ländern gemacht wird, oder hätten Sie da Bedenken?

    Sonnleitner: Die Wissenschaftler machen immer mehr und mehr darauf aufmerksam, dass es keinen Sinn bringt, unter 30 Monaten zu testen. Aber diese Diskussion würde im Moment zum falschen Zeitpunkt geführt. Wir müssen zuerst die Unstimmigkeit bei der Abgleichung noch in Ordnung bringen, und dann können wir das nächste Thema diskutieren.

    Ehring: Der Schwerpunkt der Grünen Woche ist ja in diesem Jahr die Osterweiterung mit ihren Chancen. Viele Bauern sehen vor allem Gefahren. Arbeiten die deutschen Bauern schlechter als ihre Kollegen aus Polen, aus Ungarn oder aus Tschechien?

    Sonnleitner: Nein, wir sind sehr wettbewerbs- und marktorientiert, und das haben wir in den letzten Jahren ja bewiesen. Unser Export in diese Länder ist gestiegen. Es ist natürlich, dass viele Menschen und auch Bauern, aber auch Mittelstand aus Handwerk und Gewerbe viele Ängste vor der Osterweiterung haben – aufgrund der riesigen Flächen, aufgrund des Arbeitskräftepotentials, aufgrund der niedrigen Löhne –, und auch in Richtung Landwirtschaft, weil natürlich in diesen Ländern die hohen Standards für Verbraucherschutz, Gesundheit, Tier- und Umweltschutz nicht herrschen und dadurch Wettbewerbsverzerrungen eintreten können. Aber nochmals: Insgesamt in der Landwirtschaft sehen wir mehr die Chancen und bemühen uns auch, diese Chancen für uns zu nutzen.

    Ehring: Wo liegen die Chancen?

    Sonnleitner: Darin, dass gerade Polen, Ungarn, Tschechien ein sehr starkes Wirtschaftswachstum haben, und wir prognostizieren, dass dies bis 2010 anhalten wird. Das heißt aber dann, dass insgesamt das Pro-Kopf-Einkommen steigt, dass die Nachfrage nach hoch veredelten Produkten und Premiumware ansteigt und wir damit diese Märkte noch besser beschicken und besetzen können. Dies ist aus der Erfahrung der letzten Jahre heraus.

    Ehring: Wie kann denn die Politik dabei unterstützend wirken, neue Märkte für deutsche Agrarprodukte auch in den Beitrittsländern zu erobern?

    Sonnleitner: Dass sie zum einen in Deutschland nicht ständig neue Erschwernisse und Behinderungen in die deutsche Produktion am deutschen Standort politisch beschließt, und zum andern auch, dass von Deutschland aus Politik die deutschen Nahrungsmittel so bewertet und öffentlich darstellt, wie wir im Ausland gesehen werden. Im Ausland werden wir immer als Premium-Produzent gesehen, der, der die höchstwertigen und sichersten Produkte produziert. Und zu Hause werden wir von vielen Politikern in der Produktion eher runtergezogen und eher abgewertet. Dies muss auch einmal geändert werden.

    Ehring: Was wird falsch dargestellt an den deutschen Produkten, und wer stellt sie falsch dar? Ist das die Politik?

    Sonnleitner: Ich brauche nur den einen Ausspruch hernehmen: ‚Klasse statt Masse’. Überall in der Welt werden wir als Klasse gesehen. Wir haben selbst im BSE-Jahr zweistellige Zuwachsraten im Export unserer hochveredelten Nahrungsmittel gehabt, das heißt, wir haben höchste Anerkennenswerte in der übrigen Welt bei unseren Exporten. Und diese hohen Anerkennenswerte würde ich mir auch von heimischen Politikern wünschen.

    Ehring: Klasse statt Masse – das war ja der Slogan sozusagen nach Beginn der BSE-Krise. Jetzt sagen Sie, die deutschen Landwirte haben immer schon Klasse produziert. Wo ist dann der Sinn?

    Sonnleitner: Dieser Spruch ist auch nicht von mir gekommen, sondern von einer anderen politischen Seite. Da bitte ich Sie dann, diese politische Seite zu befragen.

    Ehring: Den Verbrauchern wird die Europäische Union, auch die erweiterte Europäische Union ja schmackhaft gemacht mit der Aussicht auf niedrigere Preise für alle möglichen Produkte. Zumindest im Hinblick auf die Nahrungsmittelpreise scheint sich das ja auch zu erfüllen, allerdings zu Lasten der Bauern. Sie kritisieren immer die ‚Schnäppchenmentalität’ der Verbraucher. Ist das aussichtsreich, auf diese Weise wieder zu höheren Preisen zu kommen?

    Sonnleitner: Wir brauchen höhere Preise für die deutschen Bauern. Wenn man unsere Kostenstrukturen sieht – die Löhne, die Lohnnebenkosten, die Standortfaktorenkosten, die Besteuerung der deutschen Produktion und Arbeit schlechthin –, dann brauchen wir, um Agrarproduktion in Deutschland aufrecht zu erhalten, wieder höhere Preise. Aber da muss jetzt der Verbraucher noch nicht Angst haben. Von dem Anteil, was ein Verbraucher für Nahrungsmittel ausgibt, ist der Anteil des Rohstoffproduzenten, sprich des Bauern, nur 25 Prozent, so dass, wenn bei uns der Rohstoff ein bisschen teuerer wird, damit wir im Markt überleben können, der Verbraucher das im Endausbau fast überhaupt nicht spürt.

    Ehring: Wie wollen Sie da denn gegensteuern, mit den Appellen – das scheint ja nicht zu wirken?

    Sonnleitner: Appelle sind immer schwierig. Aber wir müssen sicherlich die Öffentlichkeit wachrütteln, wir müssen auf die hohe Wertigkeit unserer Nahrungsmittel aufmerksam machen. Wir müssen aber auch versuchen, unsere Angebotsstruktur gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel zu verbessern und zu verstärken. 80 bis 90 Prozent unserer Nahrungsmittel werden ja über ungefähr zehn Einkaufskontore des Lebensmitteleinzelhandels bewirtschaftet. Hier ist ein so ungleiches Kräfteverhältnis, dass unbedingt unsere Strukturen beim Angebot gestärkt werden müssen. Da sind wir zum einen Teil selbst gefordert, aber wir brauchen auch noch die Unterstützung der Politik, um hier zu anderen Einheiten zu kommen.

    Ehring: Es gibt da ja Initiativen in der Milchwirtschaft, dass Sie da stärkere Kooperationen machen, um die Preise zu stärken. Wie soll das laufen?

    Sonnleitner: Wir sind jetzt in Abklärungs- und Abstimmungsgesprächen, wie wir den § 28 des Wettbewerbsrechts, der Verkaufskontore erlaubt, wie wir das dann zusammenführen und wie wir das umsetzen.

    Ehring: Die Qualitätsoffensive, die ja nach Beginn der BSE-Krise versprochen wurde, hat ja zu einem ganz konkreten Ergebnis geführt, nämlich dem Siegen ‚Q + S’ – Qualität und Sicherheit –, vor allem in der Fleischproduktion, demnächst aber auch in anderen Bereichen. Jetzt gibt es die Kritik, das reiche gar nicht über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Was halten Sie davon?

    Sonnleitner: Es geht ja bei dem ‚Q + S’ um Sicherung, um Rückverfolgbarkeit, um Nachvollziehbarkeit. Das heißt, wir geben ja hier nicht Qualitätsstandards vor, das entscheidet der Markt, das entscheiden die Unternehmungen, das entscheidet der Verbraucher. Aber wir prüfen, dass das, was versprochen ist, dass dies auch stimmig ist. Und für 2005 brauchen wir ja sowieso die Rückverfolgbarkeit aller unserer Produkte, und deswegen müssen wir so ein Sicherungssystem aufbauen.

    Ehring: Das heißt, es ist ganz klar, das soll auch gar nicht über die gesetzlichen Angaben hinausgehen. Es geht nur um Rückverfolgbarkeit und nicht um zusätzliche Sicherheitsversprechen?

    Sonnleitner: Genau. Das, was versprochen ist, was gesetzlich vorgeschrieben ist, dass dies auch in der Produktion dokumentiert und rückverfolgbar ist. Das ist doch ein entscheidender Fortschritt gegenüber früher, wo nichts rückverfolgbar war, wo nichts kontrolliert werden konnte. Und wir bauen hier ein durchgängiges Sicherungssystem zum Nutzen der Verbraucher auf.

    Ehring: Nun könnte man ja meinen als Verbraucher: Die Bauern produzieren eigentlich schon immer gute Waren. Warum dann diese zusätzliche Rückverfolgbarkeit?

    Sonnleitner: Weil es immer wieder im System Schwachstellen gibt. Die Menschen machen Fehler. Und um dies einzugrenzen, haben wir dies in Eigenverantwortung der Agrarwirtschaft aufgebaut.

    Ehring: Der Preisverfall beschleunigt ja sicher den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Ist das möglicherweise auch ein erfreuliches Ergebnis, dass wir später eine Landwirtschaft haben, die besser dasteht und auch mit weniger Subventionen auskommt?

    Sonnleitner: Wir haben immer schon einen Strukturwandel gehabt und werden ihn auch in der Zukunft haben. Unsere Aufgabe als Bauernverband ist es natürlich, so viel wie möglich Agrarproduktion und damit Bauernhöfe und Wertschöpfung in den ländlichen Räumen aufrecht zu erhalten. Und weil wir sehen, dass die Menschen nicht mehr essen und dass der Nahrungsmittelabsatz an gewisse Grenzen stößt, haben wir uns ja auch als Bauernverband so stark für das erneuerbare Energiegesetz stark gemacht, haben uns hier politisch eingebracht. Und so werden in Deutschland jetzt schon von 18 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche eine Million Hektar in diesem Sektor bewirtschaftet. Das heißt, hier marschieren wir vorwärts. Wir versuchen, über innovative Produkte und über neue Märkte insgesamt das Geschäftsfeld unserer Bauern zu erweitern. Allein die Strategie Strukturwandel – das ist nicht die Zukunft. Die Zukunft ist neue Märkte, mehr Wertschöpfung.

    Ehring: Die Lebensmittel bei uns sind relativ billig, aber die Landwirtschaft ist teuer. Der Agraretat der Europäischen Union liegt bei 40 Milliarden Euro. Das ist ja ungefähr der halbe Etat der gesamten Europäischen Union. Diese Agrarförderung wird zur Zeit umgekrempelt, um sie auf dem Weltmarkt akzeptabler zu machen und auch gegenüber den Bürgern zu rechtfertigen. Wie sehen Sie diesen Weg?

    Sonnleitner: Die Kosten der Agrarpolitik, der europäischen Agrarpolitik, ist äußerst günstig angelegtes Geld mit einer hohen Verzinsung für unsere Mitbürger und Verbraucher. Durch diese gemeinsame europäische Agrarpolitik sind die Kosten für Ernährung in Deutschland auf 12,1 Prozent gesunken. Und damit wurde Kaufkraft frei für Freizeit, Erholung, Auto, Möbel und Wohnung. Dies ist eine unwahrscheinliche Leistung dem Verbraucher gegenüber, und das war nur mit der europäischen Agrarpolitik möglich. Und deswegen sind die Kosten, die Sie jetzt in der Gesamtheit aufrechnen, eben minimale Kosten, wenn wir dies in Vergleich setzen zum Vorteil unseren Verbrauchern gegenüber. Und Sie dürfen nie vergessen: Dieser Agrarteil ist der einzige vergemeinschaftete Teil in Europa. Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Verteidigungspolitik – nichts ist vergemeinschaftet. Würden wir alle Politikbereiche vergemeinschaften, dann wäre dieser Anteil der 40 Milliarden, die Sie genannt haben, auch nur zwei oder drei Prozent des Gesamthaushaltes.

    Ehring: Nun ja immer weniger produktionsabhängig gezahlt werden und immer mehr flächenabhängig oder nach anderen Kriterien. Gehen Sie den Weg mit?

    Sonnleitner: Dieser Weg ist beschlossen worden, dies war das Kernstück der Luxemburger Beschlüsse, das heißt der letzten Agrarreform von 2003. Der Hintergrund waren die laufenden WTU-Verhandlungen, bei denen vorgeschrieben ist, dass direkte Produktsubventionen oder Ausgleichszahlungen abgebaut werden müssen. Und deswegen wurde ja eine Reform gemacht, dass entkoppelt werden muss. Und dieser Aufgabe haben wir uns zu stellen, und da sind wir gefordert, dies so umzusetzen, dass unsere Bauern auch im Markt und in der Wirtschaft im Wettbewerb in Zukunft bestehen können.

    Ehring: Das läuft in Deutschland auf eine reine Flächenprämie raus. Das ist so die Tendenz, dass die Subventionen also in Abhängigkeit von der Fläche gezahlt werden. Da haben Sie Bedenken geäußert. Warum?

    Sonnleitner: Weil die Ausgleichszahlungen, die jetzt ein Betrieb bekommt, aufgrund von extremen Preisabsenkungen in seinem Produktionsbereich gewährt werden. Diese Betriebe haben aber im Vertrauen auf die Zukunft investiert, haben ihren Betrieb ausgerichtet. Wenn wir jetzt zu einer einheitlichen Flächenprämie kommen, wird gerade diesen Betrieben, die für den Markt, für die Zukunft investiert haben, denen wird was weggenommen. Andere, die äußerst extensiv sind oder schon auslaufen oder nicht mehr viel produzieren, würden dann plötzlich zusätzliche Prämien bekommen. Das heißt, die, die äußerst extensiv wirtschaften und eigentlich fast nicht mehr von der Landwirtschaft leben, würden zusätzliches Geld bekommen, und die, die in einem harten Wettbewerb leben und stark von der Landwirtschaft leben, würden geschwächt. Das würde für Deutschland bedeuten, dass in vielen Bereichen enorme Produktionseinbrüche stattfinden würden. Unsere Firmen, die auf dem Fleischsektor tätig sind, sagen, das würde einen Rückgang der Rinderproduktion um 30 Prozent bedeuten. Und damit würden wir nicht nur die Bauern schwächen, sondern auch den vor- und nachgelagerten Bereich und insbesondere würde es sehr viele Arbeitsplätze vernichten – weil nämlich die anderen Länder um uns alle das betriebsindividuelle Modell wählen. Das heißt, die Betriebe, die jetzt schon in der Produktion drinnen sind, denen das Ausgleichsvolumen zu erhalten, um sie fit zu machen für die Zukunft.

    Ehring: Aber das heißt doch dann, dass die Betriebe die Subventionen weiter gezahlt bekommen, unabhängig davon, wie sie sich weiter entwickeln?

    Sonnleitner: Zum einen müssen wir ja die Zeithorizonte sehen, dass die Zahlungen jetzt generell nur bis 2012 geplant sind. Und unsere Bauern haben ja ihre Höfe sehr langfristig aufgebaut und investiert, so dass wir denen auch Zeitvorgaben machen müssen, dass sie mit Entwicklungen generell zurecht kommen.

    Ehring: Die Landwirtschaft wird verstärkt mit Auflagen versehen. Die Landwirte sollen die Tiere und die Umwelt schonen, sie sollen die Landschaft erhalten, sonst werden die Subventionen gestrichen. Das ist auch in den Brüsseler Agrarbeschlüssen festgelegt, und das setzt sich dann auch hier um. Sie haben da Bedenken geäußert. Stimmen die Preise nicht, werden sie dafür zu wenig bezahlt? Oder wo liegen die Bedenken?

    Sonnleitner: Ich habe keine Probleme mit den Kriterien. Wenn Sie nämlich in Deutschland die Parameter für Wasser, für Boden, für Biodiversität hernehmen, haben wir in allen Bereichen Verbesserungen. Wenn Sie die strengen deutschen Fachgesetze hernehmen, dann erfüllen wir die Anforderungen der Gesellschaft in Verantwortung für die Natur, Tierschutz und Verbraucherschutz in einem äußerst hohen Maße. Wo wir Probleme sehen, wenn diese europäischen Kriterien bei der Umsetzung von Cross-Compliance, das heißt Umwelt- und Tierschutzregeln, wenn hier national noch eins draufgesetzt wird, das heißt zusätzliche Erschwernisse, Behinderungen und damit Kostensteigerungen auf uns zukommen.

    Ehring: Wenn die Gesellschaft das will, müsste es bezahlt werden. Noch einmal die Frage: Stimmen die Preise dafür nicht, wird das zu wenig entschädigt?

    Sonnleitner: Die Gesellschaft bezahlt das nicht. Und wenn die Gesellschaft es nicht bezahlt, dann wird Produktion von den Standorten verschwinden, die die höchsten Kosten und Auflagen haben und wird dann gerade in jene Länder wandern, die keine Auflagen haben und damit niedrige Kosten. Damit ist zwar niemandem gedient, aber dies wäre der Effekt dieser politischen Umsetzung.

    Ehring: Stichwort ‚Ökolandwirtschaft’. Frau Künast hat gefordert: 20 Prozent Marktanteil für den Ökolandbau bis zum Jahr 2010. Wie ist Ihre Prognose?

    Sonnleitner: Ich gebe doch keine Prognose ab, sondern – Umkehrschluss: Wenn unsere Verbraucher Ökoprodukte nachfragen, werden wir deutsche Landwirte sie produzieren. Ich kann doch nicht dem Verbraucher, dem mündigen Bürger befehlen, was er essen soll, sondern er hat die vollkommene Wahlfreiheit, und wir werden uns danach richten. Darum habe ich diese Vorgabe 20 Prozent immer für falsch empfunden, sondern wir bieten dem Verbraucher an, zu produzieren was er will.

    Ehring: Wird die Ökolandwirtschaft in Deutschland zu stark gefördert?

    Sonnleitner: Die Ökolandwirtschaft wird besonders und wird stärker gefördert, aber da bin ich jetzt nicht neidisch, sondern wir können allen, die in der Aufbauphase sind, am Anfang in der Startphase mehr Unterstützung geben.

    Ehring: Die Bundesministerin Renate Künast ist vor drei Jahren angetreten ein bisschen als Retterin in der BSE-Krise. Wie ist jetzt Ihr Verhältnis dazu?

    Sonnleitner: Bei Sicherheitspolitik und Verbraucherfragen arbeiten wir mit Frau Künast eng zusammen. Aber bei der Umsetzung der Agrarreform, wenn es um marktorientierte Landwirtschaft geht, da haben wir sicher Schwierigkeiten miteinander.

    Ehring: Das heißt, Sie wünschen sich irgendwann eine andere Ministerin/einen anderen Minister in dem Amt?

    Sonnleitner: Ich wünsche mir eine Politik, die der Landwirtschaft ermöglicht, im ökonomischen Wettbewerb zu bestehen. Das ist die entscheidende Vorgabe.

    Ehring: Die Landwirtschaft sucht ja derzeit ihre Stellung im Wirtschaftsgefüge auch in neuen Bereichen. Welche Rolle spielen die neuen Felder ‚der Landwirt als Energiewirt’, ‚nachwachsende Rohstoffe’ oder ‚Tourismus’?

    Sonnleitner: Diese Geschäftsfelder haben wir sukzessive ausgebaut. Wir sind führend in Europa bei ‚Urlaub auf dem Bauernhof’ – direkter Umsatz auf unseren Bauernhöfen schon 500 Millionen Euro. Wenn ich die Umwegrentabilität noch dazurechne, kommen nochmals 500 Millionen Euro für die ländlichen Räume dazu. Dann haben wir eine Million Hektar nachwachsende Rohstoffe – Energiemärkte, die wir dank Erneuerbarem Energiegesetz und Stromeinspeisungsgesetz noch ausbauen werden. Auch hier sind wir führend in Europa. Das bedeutet aber auch, dass wir zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben, dass wir auch in Teilen der Dienstleistungen sehr starke Zuwächse haben. Und wir werden diese Geschäftsfelder in der Zukunft noch stärker ausbauen.

    Ehring: Haben Sie da keine Befürchtungen, dass der Landwirt die Nahrungsmittel-produktion, sozusagen die originäre Aufgabe, zu stark vernachlässigt, dass die Landwirtschaft da zu sehr an den Rand gedrängt wird?

    Sonnleitner: Nein, weil der Schwerpunkt nach wie vor noch Nahrungsmittelproduktion bleiben wird. Aber je mehr innovative Produkte wir kriegen und auf den Markt bringen, desto mehr Chancen bieten sich für alle Landwirte, und desto mehr Entfaltungs-möglichkeiten und Wachstumsmöglichkeiten haben wir in allen Bereichen innerhalb der Landwirtschaft.

    Ehring: Wie sieht der Bauernhof der Zukunft aus, sagen wir mal in 10-20 Jahren? Ist es eine Agrarfabrik oder ist es ein Ökohof? Oder was ist es?

    Sonnleitner: Es ist ein nach Marktgesichtspunkten in Verantwortung dem Verbraucher, Tier und Umwelt gegenüber produzierender Landwirt, der die technischen Entwicklungen aufgreift, der die gesellschaftlichen Anforderungen aufgreift und der sich natürlich im Wettbewerb behaupten muss.

    Ehring: Herr Sonnleitner, vielen Dank für das Gespräch.