Dienstag, 07. Mai 2024

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Bauernverband Sachsen-Anhalt zu BSE

In der Generaldebatte des Bundestages forderte der Bundeskanzler gestern einen Wandel in der Agrarwirtschaft. Ziel sei es, so Schröder wörtlich, "von den Agrarfabriken wegzukommen und eine Perspektive für eine verbraucherfreundliche Landwirtschaft zu entwickeln". In den ostdeutschen Bauernverbänden mit den vielen großen Agrargenossenschaften stößt diese Forderung auf Empörung. Für die BSE-Krise sieht man in aller erster Linie die zögerliche EU-Politik in Sachen Tiermehl und Fleischimport-Verboten verantwortlich.

von Anke Petermann | 30.11.2000
    Der Beratungssaal beim Magdeburger Landesbauernverband kocht. "Panikmache" zischeln die einen, "von keiner Sachkenntnis getrübt" murmeln die anderen. Gemeint sind die von Politik und Medien immer wieder vorgebrachten Forderungen, dass die krisenbehaftete Landwirtschaft nun umsteuern müsse - weg von der "industrialisierten Massentierhaltung". Völliger Unsinn, schimpft Karl Friedrich Kaufmann, Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt, artgerechte Tierhaltung sei keine Frage der Betriebsgröße. Auch Eckhardt Nebe, Leiter einer Landwirtschaftlichen Genossenschaft in Königerode, bestreitet einen Zusammenhang zwischen BSE und großen Tierbeständen:

    "Das ist grundfalsch , die bislang aufgetauchten BSE-Fälle wurden eher in kleinen und mittelständischen Betrieben festgestellt, und in den großen wird mindestens ebenso umfassend, wenn nicht sogar strenger kontrolliert."

    Ob auch Sachsen-Anhalt einen BSE-Fall hat, ist noch nicht 100%ig geklärt, die Identität des auf den Azoren erkrankten Rindes steht noch nicht zweifelsfrei fest. Sollte es jedoch das vor zwei Jahren aus der Altmark exportierte Tier sein, dann stammt es tatsächlich aus einem mittelständischen Familienbetrieb, dem nach akribischen Kontrollen "gute landwirtschaftliche Praxis" bescheinigt wird. Umsteuern müssten die Politik und die Verbraucher, die endlich reelle Preise für sichere Ware zahlen sollten - darüber sind sich Sachsen-Anhalts Bauern mehrheitlich einig. Selbstkritische Töne sind die Ausnahme. Bernd Günther, Leiter einer Agrargenossenschaft im Kreis Sangerhausen, spricht vom verbreiteten "Milchhochleistungsfetischismus", der auch dazu führe, dass fragwürdige Komponenten ins Futter gemischt würden:

    "Die Futterhersteller greifen ja auch nicht nur auf eigene Mittel zurück hier werden Produkte aus der Lebensmittelindustrie, Backwaren etc. eingearbeitet. Wir sind in der Beweispflicht, dass wir mit guter landwirtschaftlicher Praxis produzieren."

    Futtermittel-Stichproben öffentlich zugänglich machen - das hält Bernd Günther für eine vertrauensbildende Maßnahme, und Eckhardt Nebe empfiehlt, die Lieferanten genauestens auf Seriosität und Zuverlässigkeit zu überprüfen. Auf eine Diskussion über die Vertrauenskrise gegenüber der Futtermittelindustrie mag sich Günther Klotzsche von der Querfurter Getreide- und Kraftfutter GmbH nicht so richtig einlassen. Um so ausführlicher spricht er über die Konsequenzen des Tiermehlverbots:

    "Für uns bedeutet das, dass wir am Montag die Rezepturen ersetzen müssen, und zwar nicht 1:1, sondern so dass das Futter den gleichen Nährwert hat wie mit Tiermehl."

    Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Aloys Altmann verspricht unterdessen, dass sich das Land bei der Europäischen Union für eine Änderung der Beihilfen- und Stillegungspolitik einsetzt, damit der Anbau von Lupine, Luzerne und anderen heimischen Eiweißlieferanten zumindest teilweise die durchs Tiermehlverbot gerissene Lücke schließen kann:

    "Wir wissen, dass Sachsen-Anhalt wegen guter Böden und geringer Niederschläge für diese Produktion gut geeignet ist."

    Am Abend treffen die SPD-Ministerpräsidenten mit dem Kanzler zusammen. Ob Sachsen-Anhalts Regierungschef Höppner gegen Schröders Schmähung von Großbetrieben protestiert, steht noch nicht fest, wohl aber, dass er sich energisch für eine Beteiligung des Bundes an den Kosten für den Ausstieg aus der Tiermehlverfütterung einsetzt. Falls der Bund sich verweigert, könnte das Tiermehlverbot morgen im Bundesrat von den Ländern blockiert werden.