Carl Fieger hat an zahlreichen Bauten mitgewirkt, die heute zum modernen Weltkulturerbe in Deutschland gehören: am Fagus-Werk in Alsfeld zum Beispiel oder am Bauhaus-Gebäude in Dessau, in dem auch diese Ausstellung zu sehen ist. Allein: Sein Name taucht nirgends auf, denn Fieger war Mitarbeiter bei Walter Gropius, der für diese Bauten als Architekt angegeben wird. Fieger war Zeichner und Entwerfer und als solcher ein brillanter Umsetzer der Kernideen, die Gropius und das Bauhaus groß machten: Die Standardisierung von Bautypen – zugleich eine der umstrittensten Fragen in der modernen Architektur. Wolfgang Thöner, Sammlungsleiter der Stiftung Bauhaus Dessau:
"Ist das das Ende der Architektur als Kunst, oder muss sich der Architekt neu darauf einstellen? Das war die Werkbunddebatte, holzschnittartig vereinfacht, da gab's dann also die eine Fraktion, van de Velde, die dann gesagt hat, die Rolle des Architekten als Künstler bleibt auch bei Typisierung und Normierung bestehen, und dann gab's 'ne andere, Hermann Muthesius, der gesagt hat, also das wird in Zukunft sehr einheitlich, also wird auch das künstlerische Element von Architektur erfassen."
Standardisierung der Architektur als Herausforderung
Carl Fieger hat jede dieser beiden Seiten, sozusagen das Wohl und Wehe der Standardisierung in der Architektur kennengelernt. Seinen geradezu virtuosen Umgang mit der Idee des architektonischen Bausatzes erkennt man in den zwanziger Jahren, als er in Dessau sein eigenes Wohnhaus entwirft, das sehr geschickt Rundungen und Farben zu fast skulpturaler Verdichtung bringt und sich als Gesamtkunstwerk mit eigens entworfenen Möbeln verstand. Ähnlich die von ihm entworfene Dessauer Gaststätte Kornhaus an der Elbe.
1933 erhielt Fieger Berufsverbot, seine Bauten und Entwürfe galten, wie das ganze Bauhaus, als undeutsch und "kulturbolschewistisch", 1936 jedoch holte ihn sein Kollege Werner March in sein Team, das gerade die Bauten für das Olympische Dorf bei Berlin plante. Für die Zeit bis 1945 blieb Fieger dann in einer Art inneren Emigration in Deutschland. Nur wenige Entwürfe aus diesen Jahren sind heute bekannt. Dass er nach Kriegsende 1945 in die sowjetisch besetzte Zone ging, hatte im Wesentlichen damit zu tun, dass er arbeiten wollte – und musste – und man ihm diese Möglichkeit in Dessau angeboten hatte. Dort gab es zwar das Bauhaus nicht mehr, aber die Stadtverwaltung benötigte Fachleute für den Wiederaufbau.
Pragmatischer Plattenbau für die DDR
Fiegers Nachkriegskarriere stand nunmehr im Zeichen einer anderen, weniger künstlerischen Art von architektonischer Standardisierung. So baute er 1953 in Ost-Berlin den ersten Plattenbau der DDR, der freilich nicht nach Bauhaus aussehen durfte. Denn Fiegers Bauhaus-Ästhetik war in der frühen DDR verpönt, wie Kuratorin Uta Katrin Schmitt erklärt:
"Wenn er dort arbeiten wollte in der DDR, dann musste er eben diese DDR-Staatsdoktrin auf sich nehmen und sozusagen dieses Gebäude verkleiden mit den klassizistischen Formelementen wie Rosetten und Palmetten, Lisenen und so weiter. Also unter diesen Lisenen zum Beispiel verbergen sich ja die Stoßkanten der einzelnen Platten, das waren ja drei Tonnen schwere, genormte Platten, es gab, glaube ich 16 verschiedene Teile, und daraus wurde dieser Bau zusammengesetzt."
Viele Unterlagen zu Fiegers Leben und Werk schlummerten seit Jahrzehnten im Archiv des Dessauer Bauhauses und wurden erst von Uta Katrin Schmitt für ihre Disseration ausgewertet. Andere, persönliche Unterlagen Fiegers erhielten die Ausstellungsmacher in einem Koffer vom Speicher von einstigen Verwandten des Architekten – über den so nun wenigstens etwas mehr bekannt wird als bisher und den man künftig zwar nicht zu den prominentesten, aber zu den interessantesten Dessauer Bauhäuslern wird zählen müssen.