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Bauindustrie
Die Schattenseiten des Baubooms

Die deutsche Bauindustrie vermeldet bei ihrer Jahrespressekonferenz positive Nachrichten: Die Konjunktur läuft noch besser als zu Jahresanfang erwartet. Dennoch gehen viele Unternehmen pleite. Ein Grund dafür ist die steigende Zahl von "Pfusch am Bau"-Fällen.

Von Anja Nehls | 31.05.2017
    Baugerätschaften stehen auf einem Grundstück hinter dem Einkaufszentrum "Mall of Berlin" in Berlin.
    Ewige Baustelle der "Mall of Berlin": Der Generalunternehmer des neuen Einkaufszentrums ist zahlungsunfähig. (dpa/Bernd von Jutrczenka)
    "Zum Lohnbetrug bei der Mall of Berlin ..." - Seit über zwei Jahren kämpfen rumänische Bauarbeiter um ihren Lohn für ihre Arbeit an Berlins Shoppingtempel Mall of Berlin. Ein Subunternehmer hatte sie seinerzeit nach Berlin gelockt und dann nicht bezahlt. Der Generalunternehmer weist jede Verantwortung von sich.
    Kein Einzelfall auf Baustellen in Deutschland. Weil Kräfte, vor allem Fachkräfte, fehlen, wird die Kette der Subunternehmer auf den Baustellen immer länger, sagt Florian Becker vom gemeinnützigen Verein Bauherren-Schutzbund aus Berlin: "Einfach weil die Verfügbarkeit von Fachkräften und auf der anderen Seite die hohe Auftragslage schon dazu führt, dass man mehr Firmen braucht. Und das erfordert auf jeden Fall für den Unternehmer einen höheren Koordinationsaufwand. Das heißt, also die Bauleitung hat mehr Verantwortung, muss hier wesentlich mehr leisten und hat aber parallel dazu möglicherweise mehr Baustellen zu betreuen, was dann wiederum dazu führt im Ergebnis, dass eben nicht alles so reibungslos läuft."
    Bauen wird teurer
    Für den Bauherren bedeutet das zum Teil immense zeitliche Verzögerungen und damit auch steigende Kosten. Bauen wird teurer. Weder die Firmen noch die am Bau beteiligten Ämter kommen da noch hinterher. In Berlin sorgt ein dramatischer Personalmangel in Bauämtern, Stadtplanungsämtern, Hoch- und Tiefbauämtern, Denkmalschutz und Liegenschaftsämtern für Verzögerung. Ein Jahr brauchte der Architekt Tobias Nöfer für einen Bauherren, um nach dem Bauantrag eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus mit dringend benötigten Mietwohnungen zu bekommen:
    "Das ist ein dramatischer Fall vor allem vor dem Hintergrund gewesen, dass der Bauherr ja die gesamte Zeit die Grundstückskosten, die Planungskosten vorhalten musste. Er konnte nicht anfangen zu bauen ohne die Baugenehmigung, und die war einfach nicht erreichbar, auch offen vom Amt kommuniziert, wegen Personalmängeln. Und es ist sozusagen in der letzten Sekunde gelungen mit viel Druck und viel Bearbeitung, die Genehmigung zu erwirken. Und das war wirklich ein Zeitpunkt, wo der Bauherr kurz vor der Pleite war."
    Der Druck steigt damit auch auf die Baufirmen. Schwarzarbeit sei laut Florian Becker vom Bauherren-Schutzbund kein zunehmendes Problem, wohl aber die steigende Zahl von "Pfusch am Bau"-Fällen - und zwar nicht nur bei privaten Bauherren, sondern auch bei öffentlichen Prestigebauten. Neben dem Flughafen BER ist auch das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Deutschen Bundestags betroffen oder die Akademie der Künste am Potsdamer Platz.
    Neues Bauvertragsrecht kommt 2018
    Mit dafür verantwortlich sei die Tatsache, dass es gerade in Ballungsgebieten kaum noch bebaubare Grundstücke gibt, sagt Florian Becker. Die Bauherren weichen also auf schwierigere Bauplätze aus, was die Bauten auch anspruchsvoller mache: "Also wenn ich mehr in feuchten Untergründen baue oder vorbelasteten Untergründen, dann muss ich eben einen höheren Aufwand auch betreiben, um zum Beispiel den Keller dicht zu bekommen oder die Standfestigkeit des Hauses zu garantieren. Das sind alles Dinge, die den Bau komplexer machen und wenn ich dann unter Zeitdruck stehe, dann ist die Fehlerhäufigkeit und die Auswirkung der Fehler natürlich gravierender."
    Und dann müssen die Mängel wieder beseitigt werden, was Zeit und Geld kostet. Einen Anspruch auf einen konkreten Fertigstellungstermin hat ein Bauherr in Deutschland noch nicht, das kommt erst mit dem neuen Bauvertragsrecht 2018. Das nützt einem allerdings nichts, wenn die Baufirma pleite geht - und das kommt häufig vor. 2015 gingen knapp 3.900 Baubetriebe pleite - das waren 16,5 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen in Deutschland.