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Baumdiagnose per Schalltomographie

Noch herrscht vielerorts ruhiges Spätsommerwetter, doch schon bald werden die ersten Herbststürme übers Land fegen. Dann müssen Kommunen, Behörden und auch Privatleute wieder um ihre Bäume bangen. Vor allem dann, wenn ein Baum bei einem Sturm umstürzt. Dann nämlich können die Besitzer für entstandene Schäden haftbar gemacht werden. Denn sie sind für die so genannte Verkehrssicherheit" ihrer Bäume zuständig. Und dazu gehört auch, dass man die Bäume regelmäßig auf ihre Standsicherheit untersuchen lässt. Dafür reicht meistens die Sichtkontrolle - das heißt, ein Fachmann schaut sich die Bäume an. Was aber, wenn sich dabei Hinweise auf Pilzbefall oder Fäulnis im Stamm ergeben? In der Vergangenheit wurden dann die Bohrer geholt und Holzproben aus dem Baum entnommen. Ein langwieriges Verfahren, das den Baum stark verletzte und trotzdem nur begrenzte Aussagen über den Zustand des Stamms zuließ. Seit einigen Jahren nun etabliert sich ein anderes Diagnose-Verfahren: die Schalltomographie. Ihr Vorteil: Die Baumdiagnose geht schnell, vermittelt ein zulässiges Bild des gesamten Stammquerschnitts und verletzt den Baum so gut wie gar nicht.

Von Lutz Weihe |
    Der "Patient" des Bremer Baumsachverständigen Andreas Block-Daniel ist 20 Meter hoch und hat einen Stammumfang von rund 3 Metern: eine stattliche Eiche auf dem Gelände eines Bremer Altenheims. Von außen wirkt der Baum gesund. Trotz seines Alters von 180 Jahren ist er gut belaubt und trägt nur wenig abgestorbenes Totholz in der Krone. Doch der Stamm der Eiche ist wahrscheinlich stark geschädigt, vermutet der vereidigte Baumsachverständige:

    " Wenn wir uns diesen Stamm angucken, haben wir hier am Stammfuß drei richtig schwefelgelbe Pilzfruchtkörper, das ist der sog. Schwefelpohrling. Dieser Pilz verursacht eine Kernfäule. Kernfäule heißt, dass der Stamm innen hohl sein könnte."

    Denn erst wenn der Pilz dort keine Nahrung mehr findet, erklärt Block-Daniel, wird sein Fruchtkörper außen sichtbar. Gewöhnlich dauert das 10 - 15 Jahre. Wie weit die Fäulnis im Stamm dann schon fortgeschritten ist, lässt sich mit dem Schalltomographen genau ermitteln:

    " Es wird die Schalllaufzeit im Holz gemessen. Das heißt: Wenn ich gesundes Holz habe, habe ich eine hohe Schalllaufzeit. Habe ich geschädigtes Holz, habe ich eine verlangsamte Schalllaufzeit. Habe ich einen Hohlraum, kann der vom Schall nicht übersprungen werden."

    Gemessen werden die Schallaufzeiten entlang einer so genannten Messstrecke. Sie besteht aus 10 kleinen Edelstahlnägeln, die der Baumsachverständige mit einem Hammer kreisförmig durch die Baumrinde treibt:

    " Man hört jetzt, da hat sich der Klang verändert. Und das heißt: Ich bin jetzt durch die Borke durch und bin auf dem äußeren Jahresring. Und jetzt geh' ich weiter, einmal um den Baum herum. Alle 30 Zentimeter setzten wir wieder einen Nagel."

    Nun befestigt Block-Daniel kleine elektronische Bauteile - die eigentlichen Schallsensoren - am Baum und verbindet sie mit der Messtrecke:

    " Unter dem Schallsensor kommt ein Kabel raus mit einem Magnet. Dieser Magnet wird auf den Nagel aufgesetzt. Und diese Schallsensoren sind alle miteinander verbunden, so dass ich nachher wirklich ein ringförmiges Gebilde habe."

    Die Sensoren sind über eine Schnittstelle zusätzlich mit einem Laptop verbunden. Und nachdem die Diagnose-Software gestartet ist kann die Schall-Messung beginnen:

    " Es wird ein leichter Schlag mit dem Metallhammer aufgebracht . Die nette Dame am Computer hilft mir . Das möchte sie dreimal haben und beim dritten Mal, wenn jetzt alles in Ordnung ist."

    Dieses Prozedur führt Block-Daniel nacheinander an allen 10 Schallsensoren durch. Bei jedem Schlag werden die erzeugten Schallwellen von den anderen Sensoren aufgezeichnet. Das Computerprogramm errechnet daraus ein zweidimensionales, mehrfarbiges Bild des Stammquerschnitts:

    " Diese beiden Brauntöne heißen, dass wir gesundes, statisch sicheres Holz haben. Grün ist angegriffenes Holz, das ist nicht mehr ganz fest aber auch noch nicht in dem schlechten Bereich. Dann haben wir Violett. Das ist Holz, dass mit Fäulnisse, mit Holzzersetzung im Sinne von dem Pilz jetzt, befallen ist. Dann haben wir Blau. Das deutet auf einen Hohlraum hin, bzw. auf komplett zersetztes Holz."

    Eine weitere Berechnung ergibt: Bezogen auf die Fläche, ist knapp die Hälfte des Eichenstamms geschädigt. Prozentual gesehen gilt der Baum damit noch als bruchsicher. Doch weil sich der Hohlraum am Rand befindet, sind die gesunden Restwände an manchen Stellen nur noch wenige Zentimeter breit:

    " Er ist nicht mehr bruchsicher. Er ist auch nicht mehr verkehrssicher. Eigentlich könnte er gefällt werden. Andererseits gibt es aber noch eine Maßnahme um die Fällung herauszuziehen: Wenn wir die Krone in ihrem Volumen um zehn Prozent reduzieren, können wir den Winddruck um 30-40 Prozent verringern, und unter diesem Gesichtspunkt kann der Baum, natürlich abhängig davon wie die Fäulnis fortschreitet, bestimmt noch fünf bis acht Jahre stehen bleiben."