"Die Arbeit an Architektur ist ja die Arbeit an Welterkenntnis. Indem ich mich den Dingen zuwende, entdecke ich doch, was unsere Welt ist, was unser soziales Gefüge ist, was ein alter Mensch ist, wenn ich ein Altersheim baue. Und so entdecke ich die Vielfalt unserer Welt. Und beantworte sie mit meinem Bauwerk."
Er ist der bedeutendste deutsche Architekt in der zweiten hälfte des 20. Jahrhunderts - keiner hat wie er das Bild der westdeutschen Republik im In- und Ausland so geprägt wie Günter Behnisch. und keiner verkörpert so mit seinem Werk - und mit seiner Biografie - diese deutsche Republik.
Geboren 1922 nahe Dresden, wuchs er auf in der Weimarer Republik, erlebte als Jugendlicher den Nationalsozialismus, wurde eingezogen in den Krieg und jüngster U-Boot-Kommandant, geriet in britische Gefangenschaft, begann dort, in der Lageruniversität, Architektur zu studieren - übrigens unter Berndt Coesters, einem ehemaligen Assistenten des NS-Architekten Paul Schmitthenner.
Zurückgekehrt nach Deutschland, beginnt Behnisch in Stuttgart das Architekturstudium, sichtlich geprägt von den Auseinandersetzungen zwischen Traditionalisten und der aufkommenden Zweiten Moderne, zu deren wichtigstem Vertreter Behnisch werden sollte. Geprägt von seinem Mentor Rolf Gutbrod - dessen Stuttgarter Liederhalle heute noch von den Qualitäten der Nachkriegsmoderne kündet -, macht sich Behnisch bald selbstständig und wird, zusammen mit seinem Kompagnon Bruno Lambart, zum Vorreiter des industriellen Bauens im Adenauer-Deutschland, das mit standardisierten Bauteilen eine anspruchsvolle Architektur realisiert - etwa in der Hochschule für Gestaltung in Ulm.
"Ja, dann später haben wir allerdings gemerkt, dass die Industrie in diesem Verfahren einen großen Einfluss bekam und dann von uns verlangte, dass wir produktionsgerecht entwerfen. Wir sagten immer: 'Nein, Ihr müsst entwurfsgerecht produzieren.' Da hatten sich plötzlich die Kraftverhältnisse umgekehrt, und die Architektur erstarrte bald, und da sind wir wieder davon weggegangen."
Und während die Republik unter Erhard, Kiesinger und Brandt sich liberalisiert, wirft das im Wirtschaftswunder wachsende Büro Behnisch die Eierschalen der Fertigbauteil-Architektur ab und wird souveräner, freier - am deutlichsten im Entwurf für das Olympiagelände in München, das 1972 der Welt die heiteren, offenen Spiele präsentiert: unter Stadionüberdachungen, die wie leichte Segel das Gelände überspannen - Behnisch avancierte unter den Architekten, wie es damals hieß, zur Nummer eins der Bonner Republik.
Mittlerweile Professor in Darmstadt, nimmt er auch an den Debatten der Zunft wesentlich Anteil, wird zum Vordenker einer demokratischen, prinzipiell offenen Architektur:
"Offenheit heißt: Eingehen auf die Wünsche anderer, die Wünsche des Schwächeren, schwächere Gruppen nicht unterdrücken und so weiter. Das ist ja ein Prinzip, das unserer Demokratie zugrunde liegt. Und das lässt sich auf Architektur übertragen. Wir planen zurzeit den Plenarsaal neu. Und es muss der Neubau offen sein, der vorhandenen Situation gegenüber. Er muss auch offen sein dem Bürger gegenüber. Das heißt also nicht, dass man überall reinlaufen kann, aber dass es nichts verbirgt, sich nichts erhebt, nicht größer wird, nicht mächtiger wird und so weiter."
Mit seinen Schulbauten - vor allem das Ensemble im württembergischen Lorch ist da zu nennen - setzt er Maßstäbe, mit seinem dekonstruktivistischen Hysolar-Gebäude für die Universität Stuttgart wird er zur Reibungsfläche, mit dem Post- (heute Kommunikations-) Museum am Frankfurter Mainufer demonstriert er, wie bescheiden sich zeitgenössische Architektur zurücknehmen kann - und mit dem Neubau des Plenarsaals für den Deutschen Bundestag schafft er, nach einem über 20-jährigen Hindernislauf, in Bonn das modernste Parlamentsgebäude der Welt: ein gläserner Pavillon, dem Behnisch eine kreisförmige, zutiefst demokratische Sitzanordnung einschreibt, ein Bau, der bei aller formalen Spielerei eine "Disziplin der Offenheit" aufweist, wie Gert Kähler es formulierte. Diese "Werkhalle der Demokratie" machte Behnisch im öffentlichen Bewusstsein endgültig zum "Übervater der deutschen Architektur", zum "Baumeister der rheinischen Republik", wie Kritiker lobten.
Behnisch, streitbar wie umstritten, plante und plant weiter, zuletzt für Berlin, wo der Sturkopf den Berliner Behörden am Pariser Platz einen Neubau für die Akademie der Künste einzeichnete, den sie eigentlich dort nie sehen wollten, hatte Günter der Große doch das Natursteinfassaden-Dogma an der Spree mit seiner Glasfassade besiegt. Dass er, der diesen Bau zusammen mit Werner Durth plante, dass er die Fertigstellung noch erleben konnte, war nicht selbstverständlich, litt Behnisch doch in den letzten Jahren zunehmend an den Beschwernissen des Alters.
Der wichtigste Architekt Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist tot. In seinen Bauwerken, in seinen Schriften, in seinen zahllosen Schülerinnen und Schülern lebt ein Werk weiter, dessen Hauptwort, dessen zentraler Raum der Freiraum war und ist:
"Da kann ich nur auf Adorno hinweisen - 'Ästhetische Theorie' -, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass es gilt, in der Realität die Zwänge der empirischen Realität zurückzuweisen, um Freiraum für Kunst zu schaffen. Das ist im Bauen genau so."
Er ist der bedeutendste deutsche Architekt in der zweiten hälfte des 20. Jahrhunderts - keiner hat wie er das Bild der westdeutschen Republik im In- und Ausland so geprägt wie Günter Behnisch. und keiner verkörpert so mit seinem Werk - und mit seiner Biografie - diese deutsche Republik.
Geboren 1922 nahe Dresden, wuchs er auf in der Weimarer Republik, erlebte als Jugendlicher den Nationalsozialismus, wurde eingezogen in den Krieg und jüngster U-Boot-Kommandant, geriet in britische Gefangenschaft, begann dort, in der Lageruniversität, Architektur zu studieren - übrigens unter Berndt Coesters, einem ehemaligen Assistenten des NS-Architekten Paul Schmitthenner.
Zurückgekehrt nach Deutschland, beginnt Behnisch in Stuttgart das Architekturstudium, sichtlich geprägt von den Auseinandersetzungen zwischen Traditionalisten und der aufkommenden Zweiten Moderne, zu deren wichtigstem Vertreter Behnisch werden sollte. Geprägt von seinem Mentor Rolf Gutbrod - dessen Stuttgarter Liederhalle heute noch von den Qualitäten der Nachkriegsmoderne kündet -, macht sich Behnisch bald selbstständig und wird, zusammen mit seinem Kompagnon Bruno Lambart, zum Vorreiter des industriellen Bauens im Adenauer-Deutschland, das mit standardisierten Bauteilen eine anspruchsvolle Architektur realisiert - etwa in der Hochschule für Gestaltung in Ulm.
"Ja, dann später haben wir allerdings gemerkt, dass die Industrie in diesem Verfahren einen großen Einfluss bekam und dann von uns verlangte, dass wir produktionsgerecht entwerfen. Wir sagten immer: 'Nein, Ihr müsst entwurfsgerecht produzieren.' Da hatten sich plötzlich die Kraftverhältnisse umgekehrt, und die Architektur erstarrte bald, und da sind wir wieder davon weggegangen."
Und während die Republik unter Erhard, Kiesinger und Brandt sich liberalisiert, wirft das im Wirtschaftswunder wachsende Büro Behnisch die Eierschalen der Fertigbauteil-Architektur ab und wird souveräner, freier - am deutlichsten im Entwurf für das Olympiagelände in München, das 1972 der Welt die heiteren, offenen Spiele präsentiert: unter Stadionüberdachungen, die wie leichte Segel das Gelände überspannen - Behnisch avancierte unter den Architekten, wie es damals hieß, zur Nummer eins der Bonner Republik.
Mittlerweile Professor in Darmstadt, nimmt er auch an den Debatten der Zunft wesentlich Anteil, wird zum Vordenker einer demokratischen, prinzipiell offenen Architektur:
"Offenheit heißt: Eingehen auf die Wünsche anderer, die Wünsche des Schwächeren, schwächere Gruppen nicht unterdrücken und so weiter. Das ist ja ein Prinzip, das unserer Demokratie zugrunde liegt. Und das lässt sich auf Architektur übertragen. Wir planen zurzeit den Plenarsaal neu. Und es muss der Neubau offen sein, der vorhandenen Situation gegenüber. Er muss auch offen sein dem Bürger gegenüber. Das heißt also nicht, dass man überall reinlaufen kann, aber dass es nichts verbirgt, sich nichts erhebt, nicht größer wird, nicht mächtiger wird und so weiter."
Mit seinen Schulbauten - vor allem das Ensemble im württembergischen Lorch ist da zu nennen - setzt er Maßstäbe, mit seinem dekonstruktivistischen Hysolar-Gebäude für die Universität Stuttgart wird er zur Reibungsfläche, mit dem Post- (heute Kommunikations-) Museum am Frankfurter Mainufer demonstriert er, wie bescheiden sich zeitgenössische Architektur zurücknehmen kann - und mit dem Neubau des Plenarsaals für den Deutschen Bundestag schafft er, nach einem über 20-jährigen Hindernislauf, in Bonn das modernste Parlamentsgebäude der Welt: ein gläserner Pavillon, dem Behnisch eine kreisförmige, zutiefst demokratische Sitzanordnung einschreibt, ein Bau, der bei aller formalen Spielerei eine "Disziplin der Offenheit" aufweist, wie Gert Kähler es formulierte. Diese "Werkhalle der Demokratie" machte Behnisch im öffentlichen Bewusstsein endgültig zum "Übervater der deutschen Architektur", zum "Baumeister der rheinischen Republik", wie Kritiker lobten.
Behnisch, streitbar wie umstritten, plante und plant weiter, zuletzt für Berlin, wo der Sturkopf den Berliner Behörden am Pariser Platz einen Neubau für die Akademie der Künste einzeichnete, den sie eigentlich dort nie sehen wollten, hatte Günter der Große doch das Natursteinfassaden-Dogma an der Spree mit seiner Glasfassade besiegt. Dass er, der diesen Bau zusammen mit Werner Durth plante, dass er die Fertigstellung noch erleben konnte, war nicht selbstverständlich, litt Behnisch doch in den letzten Jahren zunehmend an den Beschwernissen des Alters.
Der wichtigste Architekt Deutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist tot. In seinen Bauwerken, in seinen Schriften, in seinen zahllosen Schülerinnen und Schülern lebt ein Werk weiter, dessen Hauptwort, dessen zentraler Raum der Freiraum war und ist:
"Da kann ich nur auf Adorno hinweisen - 'Ästhetische Theorie' -, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass es gilt, in der Realität die Zwänge der empirischen Realität zurückzuweisen, um Freiraum für Kunst zu schaffen. Das ist im Bauen genau so."