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Baumeister und Architekturtheoretiker

Wenn heute ein Fernsehkorrespondent vor dem Weißen Haus in Washington seinen Kommentar in die Kamera spricht, so ist die Kulisse einem italienischen Architekten zu verdanken, der heute vor 500 Jahren in Padua geboren wurde. Andrea Palladio lieferte das Vorbild für die Tempelfront des Weißen Hauses und diente Architekten bis ins frühe 20. Jahrhundert als Leitbild.

Von Falk Jaeger | 30.11.2008
    Es gibt Fixsterne am Himmel der Architekturgeschichte, die ganzen Stilepochen zur Orientierung dienten. Andrea die Pietro della Gondola war einer deren hellsten. Am 30. November 1508 in Padua als Sohn eines Müllers geboren, erlernte er zunächst das Steinmetzhandwerk.

    Als er 28 Jahre alt war, nahm sich der Diplomat, Universalgelehrte und Mäzen Graf Giangiorgio Trissino seiner an, förderte ihn und verhalf ihm zu gesellschaftlichem Aufstieg. Er war es auch, der ihm den Künstlernamen Palladio gab. Trissino unternahm mit ihm Bildungsreisen nach Rom und animierte ihn zum Studium der antiken Bauwerke.

    Als Vorbilder für die eigene Arbeit ließ Andrea Palladio nur den römischen Architekturtraktatschreiber Vitruv und den Renaissancebaumeister Leon Battista Alberti gelten. Quattro Libri dell Architettura, die "Vier Bücher zur Baukunst", hieß denn auch in Anlehnung an Vitruvs "Zehn Bücher über die Baukunst" Palladios eigenes Traktat, in dem er dem Leser seine Begeisterung für die damals noch wenig erforschte römische Baukunst vermittelte.

    "Als ich die Eigenschaften dieser römischen Tugenden näher betrachtete, wurde ich aufs Äußerste erregt und in Begeisterung versetzt. Und da ich hoffnungsvoll all meine Gedanken auf sie verwandt hatte, nahm ich mir vor, die Ratschläge niederzuschreiben, die von allen begabten und verständigen Menschen beachtet werden müssen, die gut und anmutig bauen wollen", "

    schreibt er durchaus unbescheiden und führt Zeichnungen von all seinen eigenen Bauten als Idealbilder vor. Das Werk wurde zur Bibel für ganze Generationen von Baukünstlern.

    Wie alle erfolgreichen Architekten zu allen Zeiten beherrschte Palladio nicht nur seine Kunst, sondern agierte auch geschickt als Organisator und Promotor. In seiner Heimatstadt Vicenza schuf er die berühmte Basilica, das Teatro Olimpico und einige

    Stadtpaläste, in Venedig die zwei schönsten Kirchen Il Redentore und San Giorgio Maggiore. Zudem wurde er zum gefragten Architekten der oberitalienischen Gesellschaft, die er für seine architektonischen Idealvorstellungen zu begeistern verstand.

    " "Man muss nach Möglichkeit auf den Stand des Bauherrn sehen, aber nicht so sehr auf sein Vermögen als auf die Baugattung, die ihm ansteht. Dann wählt man das Raumprogramm und ordnet alles so, dass die Teile zum Ganzen und zueinander passen; schließlich bringt man den Schmuck an, der sich zu schicken scheint."

    Repräsentativ, aber immer noch "schicklich angemessen", so baute er mehrere Dutzend Villen im Veneto, darunter die berühmte Villa Rotonda in Vicenza, ein Rundbau nach dem Vorbild des Pantheons in Rom, freilich mit gleich vier Tempelfronten in alle vier Himmelsrichtungen.

    Mit den schlossähnlichen Villen, deren Herrschaftshäuser mit Nebengebäuden für die Bewirtschaftung der Landgüter zu eindrucksvollen Gesamtanlagen komponiert sind, schuf er einen ganz neuen Bautypus.

    Und noch eine Neuerung mit ungeahnten Folgen führte er ein. Die Tempelfront mit Säulen und Dreiecksgiebel, bis dahin ein sakrales Motiv, benutzte er bei seinen Privatvillen als Würdeform. Ob das Schloss in Wörlitz, das Mausoleum auf dem Württemberg bei Stuttgart, ob das Weiße Haus in Washington oder die Baumwollranch in Texas - sie alle sind ohne Palladios Vorbild nicht denkbar.

    Sein systematisches Verständnis von Architektur, das auf Zierrat und Bemalung weitgehend verzichtete und statt dessen mit mathematischen Proportionssystemen arbeitete, vermittelte er durch seine Bücher.

    "Palladianismus" nennt man den Stil, der sich in Mittel- und Nordeuropa ebenso verbreitete wie in Nordamerika. In England ersetzte Palladios Version des Klassizismus sogar den Barock, denn auf der Insel war Versailles kein Thema, dort hatten die prunkverliebten Barockbaumeister aus Paris, Rom oder Wien keine Chance, Fuß zu fassen.

    Dass Bauherren für die höheren Einsichten des Architekten nicht immer ein offenes Ohr besitzen, hat Palladio schon damals beklagt:
    "Freilich muss sich der Architekt mehr dem Willen dessen beugen, der bezahlt, als dem, was sich eigentlich gehört."