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Bayerische Fischzüchterin gegen Bundeswehr

Großer Medienauflauf heute Vormittag in Kothen, einem 600-Seelendort im nordbayerischen Landkreis Bad Kissingen: Aus den Teichen von Soraya Knoll sollen ab 9 Uhr Fischproben entnommen und zur Untersuchung eingeschickt werden. Das Institut für Fischpathologie der Universität München soll klären, ob Sprengstoffrückstände im Wasser zu Verwachsungen und Geschwüren bei Forellen und Karpfen geführt haben. Die Teiche werden von der "Kleinen Sinn" gespeist - einem Bach, der im Zielgebiet des Truppenübungsplatzes Wildflecken entspringt. Vor gut zwei Jahren wurden darin erstmals Spuren von Sprengstoffen festgestellt. Seitdem führt Soraya Knoll einen verbitterten Kampf gegen Bundeswehr und Behörden.

von Anke Gundelach |
    Hexogene und Octogene - so heißen die Sprengstoffe, die über die Kleine Sinn in die Fischteiche von Kothen gespült werden. Und deren Abbauprodukte gelten als krebserregend. Für Soraya Knoll und ihren Lebensgefährten Felix Boban ist das die Erklärung dafür, das immer wieder Fische in ihren Teichen erkrankten. Aber auch augenscheinlich gesunde Forellen würden sie niemals verkaufen. Das Risiko wäre ihnen zu groß, und die Teichforellen sind inzwischen ohnehin zu alt zum verzehren.

    Felix Boban: "Wenn sich unsere Befürchtungen bestätigen, dann werden die wohl als Sondermüll entsorgt werden müssen...."

    Gegen das Landratsamt Bad Kissingen erheben Soraya Knoll und Felix Boban schwere Vorwürfe. Andere Teichwirte, meinen Sie, seien nicht auf das Risiko aufmerksam und mit der gleichen Verantwortung belastet worden. Außerdem hätte die Behörde viel zu lange tatenlos zugesehen, wie die Bundeswehr Untersuchungen des Schießgeländes immer wieder hinauszögerte.

    Felix Boban: "Alles in allem scheinen die Behörden hier wieder mal die bekannte BSE-Taktik anzuwenden, niemand hat was gewusst, niemand hat was gesehen, den Landwirt hat man gewarnt und damit die Verantwortung weiter gegeben!"


    Soraya Knoll: "Dieses Mal, und wenn ich eine eidesstattliche Erklärung abgebe, dieses Mal wird's nicht wieder liegengelassen und auf meinen Rücken abgewälzt!"

    Gegen die Vorwürfe wehrt sich Hubert Weiß vom Landratsamt Bad Kissingen energisch. Er ist im Landkreis zuständig für den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Alle betroffenen Fischzüchter, meint er, seien damals gleichermaßen informiert worden. Für alle gelten dieselben Regeln. Und untätig sei man schon gar nicht gewesen:

    Hubert Weiß: "Was in unseren Möglichkeiten steht, das haben wir bisher getan. Ich habe sämtliche Institute befragt. Und durch die Gutachten ist uns eindeutig gesagt worden, die Konzentrationen dieser Abbauprodukte sei derart gering, dass wir die Fische freigeben können als Lebensmittel!"

    Über ihren Anwalt Wolfgang Baumann haben Soraya Knoll und Felix Boban vergangene Woche das Bundesverteidigungsministerium aufgefordert, den Schießbetrieb auf dem nahen Truppenübungsplatz Wildflecken sofort einzustellen. Als Eigentümerin des militärischen Geländes, habe die Bundeswehr auch dafür zu haften:

    Wolfgang Baumann: "Weil aus dem Gelände der Bundeswehr Schadstoffe in die weitere Umgebung transportiert werden, werden Menschen an ihrem Eigentum, nicht nur an ihrer Gesundheit geschädigt. Selbstverständlich werden auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Das kann sich im sechsstelligen Bereich bewegen pro Fischzuchtbetrieb."

    Inzwischen haben sich noch mindestens drei weitere Fischteichbesitzer gemeldet, die Verkrüppelungen bei ihren Fischen festgestellt haben. Darunter Hans Strott aus dem hessischen Weichersbach:

    Hans Strott: "Wir haben auch schon seit längerem festgestellt, dass Verformungen bei den Fischen vorhanden sind, also im Kiemenbereich, auch im Rückenbereich und Verformungen der Schwanzflossen. Da wollen wir wissen, was los ist!"

    Woher die Verkrüppelungen stammen, darüber kann auch Peter Wondrak, der Fischereifachberater beim Bezirk Unterfranken bisher nur spekulieren. Verwachsungen und Geschwüre bei Forellen und Karpfen, meint er, könnten zum Beispiel auch durch Parasiten entstehen:

    Peter Wondrak: "Ich hab aber auch gehört, dass die Karpfen dort Geschwüre haben sollen, und das würde eher darauf hindeuten, dass eine chronische bakterielle Erkrankung, die sogenannte Bauchwassersucht vorliegt."

    Im Dorf begegnet man der Fischteichbesitzerin Soraya Knoll mit offenem Misstrauen - vermutet, sie könnte nur auf Geld aussein:

    Bürger 1: "Wenn man sich den Betrieb anschaut - das kann nie ein ordentlicher Fischzuchtbetrieb werden. Dafür ist die ganze Anlage nicht gepflegt genug und sonstiges."

    Bürger 2: "Das ist ein Saustall. Lassen Sie doch mal die Seen dort drüben ab. Dann sehen Sie, wie es da unten drin ausschaut. Die sind doch verdreckt und verschlammt. An den Ufergestaden wächst doch sämtliches Unkraut und was so kreucht und fleucht. Es verschlodert alles...."

    Wenigstens in einem Punkt herrscht zwischen der Teichbesitzerin, ihren Nachbarn und dem Fischereifachberater Einigkeit: Sprengstoffrückstände haben in der kleinen Sinn nichts zu suchen, und die Bundeswehr müsste die betroffenen Gelände dringend sanieren. Dann könnte auch Soraya Knoll endlich in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen. Seit sie vor sieben Jahren nach Kothen zog, hat sie noch nicht einen einzigen Fisch vermarktet.