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Bayerische Staatsoper
Tolle Musik, schwache Bilder

"Die Sache Makropulos": So heißt eine Oper des tschechischen Komponisten Leoš Janáček nach der gleichnamigen Komödie von Karel Capek. Die Bayerische Staatsoper präsentiert das Werk als Neuproduktion - mit fantastischer Musik, aber in nichtssagenden Bildern.

Von Jörn Florian Fuchs | 20.10.2014
    Saal der Bayerischen Staatsoper in München
    Saal und Bühne der Bayerischen Staatsoper in München. (dpa / picture alliance / Marc Müller)
    Leoš Janáček machte aus der Komödienvorlage seines Landsmanns Karel Čapek eine zwischen Tragödie und sanftem Augenzwinkern changierende Oper, die seit geraumer Zeit landauf, landab neu inszeniert wird, weil sie angeblich sehr heutige Thematiken wie Lebensverlängerungssucht und Ennui aufspießt.
    Das trifft aber nur bedingt zu, denn das Stück besitzt aufgrund seiner eigenwilligen dramaturgischen Form und der oft uneindeutig zwischen Tragik und Komik oszillierenden Musik hohe Autonomie.
    Wunderbar verwebt Janáček schmeichelnde Streicherflächen mit volksliedhaften Melodiefetzen, herrliche Walzerklänge werden durch kraftvolle Tuba-Einsätze konterkariert, zart kolorierte Zigeunerweisen treffen auf mächtigen Lust- und Frustgesang.
    Am Pult des Bayerischen Staatsorchesters steht mit Tomáš Hanus ein absoluter Janáček-Fachmann, der für diese Aufführung eigens eine neue kritische Ausgabe der Partitur erstellte.
    Mit Nadja Michaels sehr körperbewusst agierender Emilia Marty ist die Titelpartie hervorragend besetzt, Michael tobt und robbt in enger schwarzer Hose, weißem Top und kurzer Lederjacke über die Bühne, dann wieder zieht sie sich melancholisch sinnierend zurück und kann sich dabei völlig auf ihre mühelos die höchsten Spitzen erreichende Stimme verlassen.
    Pavel Černoch gibt den ums Erbe kämpfenden Albert Gregor mit sattem, präzisen Tenor, Tara Erraught verleiht der jungen, Emilia bewundernden Sängerin Krista große Präsenz.
    Wie häufig stimmt also die musikalische Seite in München. Wie zu oft hapert es hingegen bei der Regie. Der ungarische Theatermacher Árpád Schilling rettete sich bei seinem Staatsopern-Debüt mit Giuseppe Verdis "Rigoletto" vor zwei Jahren in statische Abstraktion.
    Das Publikum dankte es mit einem überwältigenden Buhsturm, der angesichts einiger durchaus spannender Ideen doch etwas ungerecht war. "Die Sache Makropulos" allerdings ging szenisch so richtig daneben. Das beginnt schon mit den Spielorten. Am Boden liegt Schnee. Ein drehbares Bühnenungetüm zeigt anfangs einen Haufen übereinander geschichteter Stühle.
    Möglicherweise handelt es um all jene Sitzgelegenheiten, auf denen Emilia Marty während gut drei Jahrhunderten Platz genommen hat. Ein anderer Raum ist fast leer, ein dritter besteht aus einer riesigen, rissigen Wand, die aussieht, als hätte hier jemand mit Kreide und Fettresten herum geschmiert.
    Emilias Verehrer sind allesamt Trottel mit Ticks und Marotten, Nachwuchs-Sängerin Krista schwebt erst als Insekt vom Bühnenhimmel herab, um zum Schluss - mit einem Pelzmantel bekleidet - in eine plötzlich auftauchende Pappmaschee-Winterlandschaft abzutauchen, während Emilia in einem Käfig von vier barbrüstigen Männern im Zeitlupentempo ausgepeitscht wird.
    Diese finale Bildidee wirkt völlig losgelöst von der vorher konsequent konventionellen Nacherzählung der Geschichte, mit - immerhin - einigen Momenten intensiver Personenführung. Wie schafft man es in München nur immer wieder, fantastische musikalische Leistungen mit völlig blödsinnigen Inszenierungen zu koppeln? Und wo ist ein Dramaturg, der einem Regisseur zumindest bei dem gröbsten Unfug mal kraftvoll auf die Finger klopft?