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Bayerische Verhältnisse in Sachsen?

Noch vor Beginn des neuen Semesters brodelt es an den sächsischen Hochschulen. Das Reizwort: Studiengebühren. Entgegen bisherigen Erklärungen sollen jetzt Studierende, die ihre Regelstudienzeit überschreiten, zur Kasse gebeten werden.

Von Claudia Altmann | 14.09.2012
    Noch vor Beginn des neuen Semesters brodelt es an den sächsischen Hochschulen. Das Reizwort: Studiengebühren. Entgegen bisherigen Erklärungen sollen jetzt Studierende, die ihre Regelstudienzeit überschreiten, zur Kasse gebeten werden. So will es die Regierungskoalition von CDU und FDP im neuen Hochschulgesetz festlegen.
    "Wir glauben, dass es richtig ist, ein Signal zu setzen dahin, dass ein Studium nicht ewig dauern darf. Kein Studium ist kostenlos, sondern die Frage ist nur, wer es bezahlt. Und gegenüber dem Steuerzahler ist es nur gerecht und billig, wenn man von den Studierenden verlangt, ihr Studium in angemessener Zeit abzuschließen. Wir glauben ein Plus von vier Semestern also zwei Jahren zur Regelzeit plus eventuelle Ausnahmen, das müsste eigentlich reichen."

    ... begründet Geert Mackenroth, der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion die geplanten Neuerungen. Aber Studenten und Opposition bringt im Gesetzentwurf noch mehr auf die Palme. Wer sich an einer sächsischen Hochschule einschreibt, ist bislang automatisch auch Mitglied in der verfassten Studierendenschaft. Für etwa 6 Euro hat damit jeder Anspruch auf Beratung, Rechtsbeistand und im Härtefall auch finanzielle Unterstützung. Auch das soll sich ändern. Die Mitgliedschaft soll nach dem ersten Semester freiwillig sein. Die studentischen Gremien würden damit mehr Legitimation erhalten, sagt Mackenroth.

    "Mir geht’s um das Wahlrecht. Mir geht es darum, den Studierenden Freiheiten einzuräumen. Ich glaube, dass die Arbeit, die die Studentenräte, genauso wie die Studentenwerke geleistet haben unheimlich gut ist, wichtig ist. So soll es auch bleiben, wenn es nach mir geht. Ich würde mich freuen, wenn auch künftig möglich viele unserer 70.000 Studierenden im Freistaat Mitglieder in der Studentenschaft blieben. Allerdings – und das ist mir wichtig – nicht mehr durch Zwang, sondern künftig auf freiwilliger Basis."

    Die Studentenvertretungen aber schlagen Alarm. Es ginge eigentlich darum, ihnen die Flügel zu stutzen und das würde weniger Demokratie bedeuten. Dabei sei gerade die Mitbestimmung Grundlage ihrer Arbeit, kontert Adelheid Noack vom StuRa der Universität Leipzig.

    "Jeder Studierende kann sich einbringen, kann mitwirken, kann Kritik üben."

    Weniger Mitglieder, das würde einen tief greifenden Einschnitt bedeuten.

    "Das wäre das Worst-Case-Szenario für uns. Es würde natürlich eine größere Belastung auf das Studentenwerk zukommen gerade was soziale Beratung angeht."

    Nach Meinung von Annekatrin Klepsch von den Linken wären aber auch die Studentenwerke überfordert.

    "Viele Angebote, die über die Studentenvertretungen laufen wie Beratung und auch Bildungssachen, die würde man nie wieder für so wenig Geld bekommen als Freistaat. Und die Studentenwerke können das nicht abfedern, weil, die sind genauso unterfinanziert in Sachsen."

    Und sie macht auf ein weiteres Problem aufmerksam. An die Mitgliedschaft in verfassten Studierendenschaft ist in Sachsen zugleich der günstige Erwerb eines Semestertickets gekoppelt. Auch das würde wegbrechen.

    "Bisher konnten die Studierenden und die Studentenwerke ja gegenüber den Verkehrszweckverbünden damit punkten, dass es aufgrund der Masse der Studierenden ein Semesterticket preiswert für alle gibt. Wenn nur noch ein Teil Mitgliedsbeitrag zahlt in die Studentenschaft ist es natürlich auch nicht mehr so einfach, das Semesterticket bei dem Preis zu halten."

    Auch bei den Hochschulleitungen sorgen die Pläne für Unverständnis. So hat sich der Senat der Universität Leipzig in einer Resolution ausdrücklich zur verfassten Studierendenschaft bekannt und den Studenten seine Unterstützung zugesagt. Das ist auch die Position des Rektorats, betont Claus Altmayr Prorektor für Bildung und Internationales. Die Änderungen kämen zudem völlig überraschend, trotz bisher langer und intensiver Debatte über die Gesetzesnovelle.

    "An den Hochschulen wurden Stellungnahmen eingeholt. Es wurden Stellungnahmen der Landesrektorenkonferenz eingeholt. Es war bisher noch nicht davon die Rede, dass an dieser Stelle was gedreht werden soll. Insofern hat man schon den Eindruck, dass das jetzt so eine Nacht- und Nebelaktion ist. Da wird jetzt was durchgepeitscht. Und da hab ich eher den Eindruck, wo ist eigentlich das, was Demokratie ausmacht, nämlich der Diskurs. Es gab zu diesem ganzen Thema bisher keinerlei hochschulpolitische Diskussion."

    Die Hochschulen haben zudem derzeit genug andere Sorgen. Erinnert sei nur an den Hochschulentwicklungsplan, der den Abbau von 1000 Stellen bis zum Jahr 2020 vorschreibt.

    "Insofern sehe ich jetzt nicht, warum man ohne Not und eigentlich ohne erkennbaren Anlass einen zusätzlichen Konflikt in die Hochschulen reinträgt. Das halte ich für wenig hilfreich, um nicht zu sagen für total kontraproduktiv."

    Aber zu ändern ist da wohl nichts mehr. Die Koalition will das neue Gesetz noch vor Beginn der Vorlesungszeit im Oktober im Landtag durchbringen.