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Bayerischer Innenminister
"Die Grenzkontrollen sind sehr wirksam"

Die Entscheidung des Bundesinnenministers, die Kontrollen an der Grenze zu Österreich zu verlängern, hält Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) für richtig. Sie dienten nicht nur der Eindämmung illegaler Migration, es würden auch tausende Straftäter festgenommen.

Joachim Herrmann im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 01.10.2019
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) (picture alliance/ ZUMA Wire/ Sachelle Babba)
Rund 6.000 Personen seien von der Bundespolizei im vergangenen Jahr an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen worden, so Herrmann. Angesichts der Nachrichten, dass wieder mehr Flüchtlinge beispielsweise über die Türkei nach Griechenland kämen, wäre es das falsche Signal, die Grenzkontrollen wieder abzuschaffen.
Herrmann betonte, er sei Anhänger des Schengen-Abkommens, also von einem Europa ohne Binnengrenzen. Dies setze aber einen funktionierenden Außengrenzschutz voraus, der derzeit in einigen EU-Mitgliedsländern offensichtlich nicht gegeben sei. Zudem sei es besser, Straftäter schon an der Grenze zu stoppen. Die Polizei nehme dort auch tausende Drogendealer, Waffenschmuggler und andere Straftäter fest. Die Wirksamkeit der Grenzkontrollen sei unbestreitbar.

Das Interview in voller Länge:
Tobias Armbrüster: Horst Seehofer von der CSU, der Bundesinnenminister, der hat in den letzten Wochen für einige Schlagzeilen gesorgt - mit der überraschenden Ankündigung, dass Deutschland künftig ein Viertel aller Flüchtlinge aufnehmen wird, die von privaten Hilfsorganisationen aus dem Mittelmeer gerettet werden. Viele haben gesagt, Seehofer hat sich jetzt geändert. Der Hardliner in der Migrationspolitik, der wird auf einmal zum Menschenfreund. Jetzt kommt aber schon wieder die nächste Volte aus dem Innenministerium. Deutschland verlängert nämlich wieder die Kontrollen an der Grenze zu Österreich und Horst Seehofer will außerdem die Schleierfahndung ausweiten, die Suche nach illegalen Einwanderern im Hinterland der Grenze.
Das wollen wir genauer wissen. Am Telefon ist Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister, außerdem CSU-Parteifreund von Horst Seehofer. Schönen guten Morgen, Herr Herrmann!
Joachim Herrmann: Guten Morgen und grüß Gott, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Herr Herrmann, werden Sie aus dem Bundesinnenminister noch schlau?
Herrmann: Diese Entscheidung, die Grenzkontrollen zu Österreich zu verlängern, halte ich für absolut richtig. Ich habe mich schon im Vorfeld nachdrücklich dafür ausgesprochen. Denn wir haben auf der einen Seite ja beachtliche Aufgriffe beziehungsweise auch Zurückweisungen von Leuten, die nicht einreisen durften. Allein die Bundespolizei hat im vergangenen Jahr an der deutsch-österreichischen Grenze rund 6000 Personen zurückgewiesen.
Auf der anderen Seite hören wir die Nachrichten, dass die Situation der Flüchtlinge beispielsweise von der Türkei nach Griechenland, aber auch in anderen Bereichen des Mittelmeeres ja eher wieder zunimmt, wir da jedenfalls gewisse Risiken haben, und da wäre ein Signal, dass wir jetzt die Grenzkontrollen abschaffen, das absolut falsche gewesen. Ich freue mich sehr, dass Horst Seehofer so entschieden hat.
"Kontrollen an den Außengrenzen funktionieren nicht richtig"
Armbrüster: War das dann mit den offenen Grenzen in Europa eine schlechte Idee?
Herrmann: Nein! Ich bin ein Anhänger des Schengen-Abkommens. Das war ich immer! Aber das Schengen-Abkommen beruht im Kern darauf, dass man die Binnen-Grenzkontrollen zwischen den europäischen Ländern abschafft und dafür der Außengrenzschutz außen herum umso besser funktioniert. Das hat in den ersten Jahren vor über 20 Jahren, wie das eingeführt worden ist, auch hervorragend funktioniert.
Inzwischen haben wir ganz offensichtlich ein paar Mitgliedsländer dabei, bei denen die Grenzkontrollen nicht richtig funktionieren, und davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. Ich bin dafür, dass wir diese Grenzkontrollen wieder entfallen lassen können, zwischen Österreich und Bayern beispielsweise, sobald der Außengrenzschutz der EU ordentlich funktioniert.
Da braucht es mehr Beamte bei den Frontex-Einheiten, der europäischen Grenzschutz- und Küstenwach-Organisation, und dann müssen andere Dinge noch verbessert werden bei einigen Mitgliedsländern. Aber solange es so ist, wie es jetzt ist, können wir dem nicht einfach tatenlos zusehen.
Armbrüster: Was schätzen Sie denn? Wie lange wird das noch dauern mit diesen Grenzkontrollen?
Herrmann: Das kann ich heute noch nicht verlässlich prognostizieren, weil das ganz wesentlich davon abhängt, wie sich die anderen europäischen Länder verhalten. Das Problem ist da ja auch nicht Österreich. Österreich hat selbst Grenzkontrollen zu Slowenien, was ich für richtig halte.
Ich bin relativ sicher, dass auch der künftige neue wiedergewählte österreichische Bundeskanzler Kurz die fortsetzen wird. Es haben andere europäische Länder auch Grenzkontrollen. Frankreich hat massive Grenzkontrollen zu Italien. Es ist ja nicht so, dass wir hier da alleine stehen in Europa, sondern dass einige andere europäische Länder auch die Notwendigkeit gesehen haben, hier auf Zeit solche Kontrollen wieder einzuführen.
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Armbrüster: Jetzt ist gerade diese Grenze zwischen Deutschland und Österreich ja sehr lang. Können Sie denn wirklich garantieren, dass da alle Grenz-, alle Übergangsstellen tatsächlich kontrolliert werden von der Bundespolizei? Lässt sich das garantieren?
Herrmann: Der Schwerpunkt insgesamt rein zahlenmäßig von Kontrollen liegt natürlich an den großen Autobahnen, liegt natürlich auch auf den Eisenbahnstrecken. Auf den Staatsstraßen und Bundesstraßen wird temporär kontrolliert. Das ist aber insgesamt schon sehr wirksam, wenn Sie diese Gesamtzahlen sehen: rund 6000, die zurückgewiesen wurden.
Gleichzeitig sind ja noch viel mehr tausende von Straftätern festgenommen worden, Personen, nach denen schon lange mit Haftbefehl gesucht wurde. Es sind Drogen-Dealer festgenommen worden, Waffenschmuggler, vieles andere mehr. Das heißt, es dient insgesamt nicht nur der Eindämmung illegaler Migration, sondern auch der Bekämpfung von Kriminalität. Es dient der Sicherheit.
Und wenn ich sehe, dass da Straftäter einreisen wollen, dann muss doch eigentlich jeder sagen, es ist doch besser, wenn ich einen Straftäter schon an der Grenze stoppe und nicht ihn erst quer durch Deutschland reisen lasse.
"Grenzkontrollen sind wirksam, das ist unbestreitbar"
Armbrüster: Aber die Straftäter und auch die illegalen Einwanderer, nehme ich mal an, die wissen irgendwann, dass sie sich möglichst nicht über die großen Kontrollstellen in Richtung Deutschland bewegen sollten, sondern eher über die kleinen Landstraßen, so wie Sie es gerade geschildert haben. Da wird nicht besonders kontrolliert.
Herrmann: Da wird auch kontrolliert. Da wird nicht jeden Tag rund um die Uhr kontrolliert. Aber die Tatsache, dass wir mit diesen Kontrollen, und zwar einerseits die Bundespolizei, die dies als Hauptauftrag hat, und ergänzend dazu auch die bayerische Grenzpolizei, dass wir Tausende von Aufgriffen hatten auch im vergangenen Jahr, dass das auch in diesem Jahr sich genauso fortgesetzt hat, zeigt doch, dass es erfolgreich ist.
Das war vor 30 Jahren, wie es die alten Grenzkontrollen gab, sicherlich auch so, dass da oder dort auch ein illegaler Grenzübertritt nicht erkannt wurde. Auch damals wurde nicht lückenlos jeder kontrolliert. Das machen wir auch weiterhin nicht, das Ganze. Wir wollen auch nicht unbedingt, dass da 30 Kilometer Stau stehen, wenn die großen Urlauber-Reisewellen unterwegs sind.
Aber dass diese Grenzkontrollen wirksam sind, dass sie erfolgreich sind, das ist unbestreitbar, und deshalb hat Horst Seehofer auch recht, wenn er jetzt die Schleierfahndung verstärken will an den anderen Außengrenzen Deutschlands.
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Armbrüster: Um aber noch mal zurückzukommen auf diese durchaus lückenhaften Grenzkontrollen. Woher wissen Sie denn, dass die erfolgreich sind? Sie kennen ja nur ein paar tausend aufgegriffene Personen, kennen diese Zahlen, aber Sie wissen gar nicht, wer der Polizei, wer den Grenzschützern alles entgeht.
Herrmann: Wir haben ja immer wieder dann auch die Schleierfahndung, auch entlang der österreichischen Grenze, und wir haben von daher natürlich Erkenntnisse, wenn wir dort wieder entsprechend ein paar Stunden kontrollieren, wie viele uns da noch ins Netz gehen. Und das zeigt immer wieder, belegt eindeutig: Der Hauptübergang ist tatsächlich über die großen Autobahnen.
Das kann Ihnen jetzt nicht logisch erscheinen, aber die faktische Feststellung der Polizei - und da differieren die Feststellungen der bayerischen Polizei überhaupt nicht von denen der Bundespolizei - ist nun mal, dass ein allergrößter Teil auch des illegalen Grenzübertritts und der Straftäter in der Tat über die großen Autobahnen und über die Eisenbahnstrecken kommen. Deshalb ist dort auch der Schwerpunkt der Kontrollen.
"Die Bundespolizei wird personell massiv verstärkt"
Armbrüster: Jetzt werden diese Kontrollen verlängert, über den 11. November hinaus. Und wir haben es schon mehrfach angesprochen: Auch die Schleierfahndung soll ausgeweitet werden, die Kontrollen im Hinterland der Grenze durch die Bundespolizei. Da kriegen Sie und auch der Bundesinnenminister jetzt zu hören, unter anderem auch von der Opposition, das alles endet in einer völligen Überlastung der Bundespolizei. Die sei darauf gar nicht vorbereitet. Was sagen Sie dazu?
Herrmann: Nun, der Bund hat ja entschieden, dass die Bundespolizei personell massiv verstärkt wird. Die Bundespolizei hat jetzt verstärkt Nachwuchs eingestellt, der zum Teil noch ausgebildet wird. Die personelle Verstärkung wird sich schon im nächsten und übernächsten Jahr deutlich bemerkbar machen. Der Bundesinnenminister hat jetzt entschieden, dass ein erheblicher Teil dieses personellen Aufwuchses gezielt für eine Verstärkung der Schleierfahndung verwendet wird.
Ich halte das für absolut richtig, angesichts dessen, wie sich das ganze Geschehen letztendlich deutschlandweit darstellt. Es ist eher nicht so, dass einerseits illegale Migranten und andererseits Straftäter nur über die bayerischen Grenzen kämen, sondern das gilt natürlich genauso an den Grenzen zu Polen oder das gilt an den Grenzen zu Frankreich. Deshalb ist es schon richtig, dass dort auch verstärkte Schleierfahndung betrieben wird, und die werden noch weiter verstärkt werden können, je mehr die Bundespolizei personellen Aufwuchs in den nächsten Jahren erhalten wird, wie er im Prinzip vom Bund, von Bundestag und Bundesregierung schon beschlossen ist.
Armbrüster: Was ist denn Ihr Eindruck, Herr Herrmann? Sind die Kollegen in den anderen Grenzländern ähnlich aktiv wie Sie in Bayern?
Herrmann: Es ist in den anderen Bundesländern nicht so, dass es dort eine eigene Grenzpolizei des jeweiligen Landes gäbe. Aber natürlich ist das auch eine Herausforderung für die entsprechenden Landespolizeien, die auch Schleierfahndung betreiben. Im Prinzip machen das die meisten Länder. In Nordrhein-Westfalen hat das einen anderen Namen.
Aber alle, denke ich, die allermeisten Länder haben inzwischen erkannt, dass wir mit Schleierfahndung (auch etwas, was wir in Bayern vor über 20 Jahren als erstes Land entwickelt haben) sehr erfolgreich sind und damit in der Tat vor allen Dingen viele Straftäter aufgreifen können, und das dient damit der Sicherheit der Menschen in unserem Land. Deshalb kenne ich in der normalen Bevölkerung nahezu niemand, der da etwas dagegen hätte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.