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Bayern
Ausbildung für irakische Flüchtlinge

Die Firma Betz Chrom in der Nähe von München bildet derzeit zwei irakische Flüchtlinge aus. Sie steht damit nicht allein: Viele bayerische Unternehmen sind an einem entsprechenden Ausbildungsprogramm interessiert - die Asylbestimmungen wirken auf viele Ausbilder jedoch abschreckend.

Von Susanne Lettenbauer | 07.10.2014
    Eine Schülerin mit Kopftuch aus der Türkei meldet sich im Unterricht am 10.06.2013 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen)
    Der ausbildungsbegleitende Blockunterricht findet in Baden-Württemberg statt. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Auf dem Tisch von Miriam Betz liegen zwei Personalordner. Die Namen auf den Aktendeckeln - irakisch:
    "Ich habe zwei junge Männer aus dem Irak, der eine hat einen kurdischen Hintergrund, der andere ist Jeside. Also sie haben beide guten Grund, dass sie den Irak unbedingt verlassen wollten. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, das, was ich sehr angenehm empfinde, dass der Umgang mit Älteren sehr respektvoll ist. Also, zum Beispiel, wo ich hier öfters bei Leuten aus dem eigenen Dorf, erst mal so: "Entschuldigung, können Sie noch mal rausgehen und wieder reinkommen und guten Morgen sagen." Das habe ich da nicht."
    Miriam Betz gehört die kleine mittelständische Firma Betz Chrom in der Nähe von München. Rund um die Uhr werden in ihren Fabrikhallen Metallteile verchromt und vernickelt. Die Unternehmerin bildet pro Jahr drei Lehrlinge aus, zu Schlossern, Schleiftechniker und Oberflächenbeschichtern, darunter die zwei Iraker, einer heißt Rewing Obaid:
    "Ich heiße Rewing Obaid, Abdulrahman ist mein Nachname, ich komme aus dem Irak."
    Abdulrahman kam als unbegleiteter Minderjähriger allein nach Deutschland, besuchte die Schule, machte den Hauptschulabschluss. Mit Beginn der Lehre bei Betz Chrom ist er vor der Abschiebung vorerst geschützt. Alle sechs Monate muss er sich bei der Ausländerbehörde melden und hoffen, dass seine Aufenthaltsgenehmigung verlängert wird.
    "Also mir geht es in der Firma super. Muss ich sagen, ehrlich. Die Arbeitszeiten sind super. Ich habe hier Fitness oben, nach der Arbeit trainiere ich, vor der Arbeit trainiere ich daheim oder im Fitnessstudio, im Kickbox-Verein bin ich. Oben trainiere ich noch nach der Arbeit."
    Lästig sind nur die Gänge zum Jugendamt und der Ausländerbehörde
    Vor vier Jahren wurde die Firmenchef Miriam Betz zum ersten Mal von der Münchner Industrie- und Handelskammer angesprochen, ob sie nicht unbegleitete Flüchtlinge ausbilden könnte. Sie stellte auf Probe ein Wochenpraktikum zur Verfügung, war positiv überrascht und bot danach gleich einen Ausbildungsplatz an. Ihr Grund:
    "Man muss diese Auszubildenden nicht durchs Leben pampern. Die haben schon so viel Energie aufgewendet, hier herzukommen durchgemacht, die haben einen Willen, die Ausbildung gut abzuschließen und die haben auch eine gewisse Kraft, zum Beispiel, präsent zu sein."
    Die Schulausbildung, die die Flüchtlinge mitbringen sei bei ihr eher zweitrangig, sagt Miriam Betz. Lästig seien nur die Gänge zum Jugendamt, dem Sozialamt und der Ausländerbehörde. Denn der Blockunterricht in Baden-Württemberg während der Lehre kollidiert eigentlich mit der Residenzpflicht. Die Münchner Behörde machte eine Ausnahme:
    "Genau. Wir haben ein Schreiben verfasst, der junge Mann ist mit seinen Papieren vorstellig geworden, das ist sehr harmonisch gegangen."
    Rund 3.500 unbegleitete Minderjährige wurden im August in Bayern gezählt, sie alle könnten eine Ausbildung bekommen, denn rund 25.000 Lehrstellen wären derzeit frei, sagt Hubert Schöffmann. Der Leiter des Bereichs Berufsbildung der Münchner Industrie- und Handelskammer ist Ansprechpartner für die Firmen bei der Suche nach Auszubildenden. Das Interesse, minderjährige Flüchtlinge auszubilden sei groß, abschreckend wären aber die Asylbestimmungen, da müsste jetzt die Politik handeln, so Schöffmann:
    "Wenn sie sich während des laufenden Ausbildungsvertrages im Duldungsrecht sich in aller Regelmäßigkeit alle drei Wochen beim Kreisverwaltungsreferat melden müssen, um diese Duldung zu verlängern, dann ist das mit Blick auf eine Ausbildungsdauer von drei Jahren ein sehr mühsamer Prozess. Ich glaube, wenn man einen sehr guten Weg gefunden hat für die Integration in diese Gesellschaft, für Qualifizierung, dann muss man das nicht zusätzlich erschweren, für beide Parteien, weil die Firmen sich sagen: Wir machen dieses Investment, das ist wichtig, das ist auch ein Stück Daseinsvorsorge für uns, aber wir müssen das nicht - und gerade bei Wohlverhalten der Jugendlichen - das noch mal zusätzlich erschweren."