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Bayern drängt es nach Brüssel

Kennen Sie die Stauner Gabriele aus Wolfratshausen? Hätte mich auch gewundert. Den Kastler Martin aus Nürnberg kennen Sie wahrscheinlich auch nicht, und den Dess Albert aus Berngau in der Oberpfalz. Das sind lauter Europaabgeordnete, die für die bayerische CSU in Brüssel sitzen. Die passen auf, dass da nichts anbrennt.

Von Alois Berger, freier Journalist in Brüssel |
    Aber wer kennt schon Europaabgeordnete. Zur Frau Stauner fällt mir mein Onkel ein, der auch in Wolfratshausen wohnt und der mir von einem Bekannten erzählt hat, der in den achtziger Jahren immer ins Europaparlament gefahren ist. Ins Europaparlament, hat er gesagt, mein Onkel, und dann hat er gefragt: Gibt es des eigentlich noch?

    So schaut es aus, in Brüssel können die CSU-Abgeordneten noch so viel Wind machen, daheim merkt es keiner. Das Europaparlament wird einfach nicht wahr genommen. Vor ein paar Monaten hat ein CSU-Abgeordneter sein Europamandat zurückgegeben, weil er lieber im bayerischen Landtag in München sitzt. Ausgerechnet im bayerischen Landtag. Es gehört zu den großen Geheimnissen des 21. Jahrhunderts: Was macht der bayerische Landtag eigentlich so?

    Die Hohlmeier Monika kennen Sie aber schon. Die war bis 2005 Schulministerin in Bayern. Wegen einer gewissen Verdichtung politischer Affären musste sie dann zurücktreten. Aber jetzt hat sie der derzeitige bayerische Ministerpräsident und Parteivorsitzende Seehofer persönlich aus dem politischen Verletzungspause zurückgeholt. Sie soll auf der CSU-Liste für die Europawahlen kandidieren. Denn die Hohlmeier Monika ist die Tochter vom Franz-Joseph Strauß, und so was merken sich die Leute. Wenn sie bei der Europawahl den Namen zwischen lauter Unbekannten sehen, dann machen sie bei der CSU ihr Kreuzchen. Glaubt der Seehofer.

    Früher hat man gesagt: Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa. Das hat sich inzwischen geändert. Aber jetzt gibt es in der CSU einen neuen Trend: Wenn jemand in Bayern nicht mehr auszuhalten ist, dann glaubt man, er wäre gerade richtig für Europa. Der Stoiber ist schon da, und jetzt soll auch die Hohlmeier kommen. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass man in Bayern Politiker mag, die auf den Putz hauen, am besten bei denen da droben.

    Immerhin hat Frau Hohlmeier Schwung in die Bude gebracht. Konkurrenz belebt das Geschäft. Jetzt kennt man in Bayern sogar den Herrn Ferber ein bisschen. Der sitzt zwar seit 14 Jahren für die CSU im Europaparlament, aber außerhalb von Brüssel hat das kaum jemand mitgekriegt. Seit ihn die Hohlmeierin vom ersten Platz der CSU-Liste für die Europawahlen verdrängen wollte, sieht es anders aus. Der Ferber hat sich gewehrt, protestiert und am Ende durchgesetzt. Seither redet man in Bayern auch über Markus Ferber.

    Den meisten Menschen ist Europapolitik einfach zu kompliziert. Ich möchte es gar nicht wissen, das hört man in jedem Biergarten. Aber wenn's um Personalpolitik geht, kann jeder mitreden und schon wird's spannend. Für die Europäische Union und die Europawahlen ist so ein Streit gar nicht schlecht, weil die Leute endlich mal hingucken.

    Ob's für Bayern was bringt, das ist eine andere Frage. Die CSU-Abgeordneten im Europaparlament machen seit zehn, zwanzig, einer sogar seit dreißig Jahren kontinuierlich Politik für Bayern, auch wenn es keiner merkt. Dagegen ist der Stoiber Edmund, der mit viel Trara als EU-Bürokratie-Aufräumer antrat, nach einem Jahr in Brüssel auf ein sehr handliches Format geschrumpft. Die anderen sind auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen, wie man in Wolfratshausen sagt. Es war eben nicht so, wie der Stoiber gedacht hatte, dass sie in Brüssel ohne ihn nicht wüssten, wie's geht.

    Jetzt macht sich Frau Hohlmeier daran, über den bayerischen Tellerrand zu klettern. Schaun' mer mal.