
Bayern will mit dieser Maßnahme den Medikamentenmangel bekämpfen. Der bayerische Gesundheitsminister Holetschek hatte mitgeteilt, die Einfuhr von Medikamenten zu gestatten, die in Deutschland eigentlich nicht zugelassen oder registriert sind. Da der Bund jüngst offiziell einen "Versorgungsmangel" festgestellt habe, sei es möglich, vorübergehend vom Arzneimittelgesetz abzuweichen. Lauterbach schrieb auf Twitter, die bayerische Aktion sei richtig. Genau für solche unbürokratischen Aktionen gegen Antibiotika-Lieferengpässe seien Voraussetzungen geschaffen worden.Holetschek hat zudem die Krankenkassen aufgerufen, vorerst keine Zuschläge und Erstattungen zu verweigern, wenn Apotheker einen verschriebenen, aber nicht verfügbaren antibiotischen Saft durch ein selbst hergestelltes Arzneimittel ersetzten.
Brandbrief der Kinder- und Jugendärzte
Gestern hatten Kinder-und Jugendärzte in Europa die Gesundheitsminister zum entschiedeneren Handeln aufgerufen. Es müsse für die Industrie wieder ausreichend attraktiv sein, die Medikamente vor Ort zu produzieren, hieß es. Die Engpässe der vergangenen Monate führten dazu, dass weder kindgerechte noch an Therapierichtlinien ausgerichtete Behandlungen möglich seien. Die Ärzte sehen die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen dadurch nachhaltig gefährdet. Nach Angaben des Präsidenten des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Fischbach, fehlt es derzeit unter anderem an Fieber- und Schmerzmedikamenten in kindgerechter Darreichungsform wie Säften. Auch Penicillin gebe es momentan nicht, sagte Fischbach der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Die Ärztekammer wies darauf hin, dass es auch bei anderen Medikamenten Engpässe gibt.
Reformpläne der EU-Kommission
Das Problem ist nicht auf Deutschland beschränkt. Die EU-Kommision hatte Mitte der Woche Vorschläge für eine bessere europaweite Versorgung mit Medikamenten vorgelegt. Geplant ist unter anderem, bei besonders wichtigen Präparaten Schwachstellen in den Lieferketten zu beseitigen. Zudem sollen Pharmafirmen dafür belohnt werden, dass sie neue Medikamente in der gesamten EU und nicht nur in großen Ländern wie Deutschland auf den Markt bringen. Der Schutz vor Konkurrenz durch günstige Nachahmerprodukte soll sich in diesem Fall um zwei Jahre verlängern. Außerdem soll es Anreize für Unternehmen geben, etwa für die Entwicklung neuer Antibiotika.
Gesetzesreform in Deutschland
In Deutschland hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für eine stärkere Absicherung von Medikamentenlieferungen auf den Weg gebracht. Um Engpässe bei wichtigen Präparaten zu vermeiden, plant Bundesgesundheitsminister Lauterbach neue Preisregeln, die Lieferungen nach Deutschland für Hersteller attraktiver machen sollen. Außerdem sollen europäische Produzenten generell stärker zum Zuge kommen und Bevorratungen als Sicherheitspuffer geregelt werden.
Der Spitzenverband der Krankenkassen rügte, so würden nur die Beitragszahler in Deutschland stärker belastet, ohne die Versorgung zu verbessern. Um Lieferengpässe zu vermeiden, forderte der Verband bessere Daten über die Verfügbarkeit von Medikamenten, Pflichten zur Bevorratung auch bei Krankenhausapotheken und beim Pharmagroßhandel sowie mehr Spannbreite bei Produktion und Lieferketten in versorgungskritischen Bereichen. Damit solle beispielsweise verhindert werden, dass durch den Ausfall einer einzigen Fabrik in der Welt die Versorgung in Deutschland gefährdet wird.
Diese Nachricht wurde am 30.04.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.