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"Bayernkurier"
Schluss für ein verstaubtes Parteiorgan

Die CSU stellt die Printausgabe des Bayernkuriers nach fast 60 Jahren ein. Das liegt auch daran, dass die parteieigene Zeitschrift nur noch auf wenig Interesse gestoßen ist. Um vor allem junge Wähler zu erreichen, will die Partei nun auf modernere Kommunikationswege setzen.

Von Michael Watzke | 28.05.2019
Ein Werbeexemplar der CSU-Zeitung Bayernkurier liegt am 20.10.2014 in München (Bayern) in einem Verkaufskasten.
Das CSU-Magazin Bayernkurier wird es in gedruckter Form nicht mehr geben (Peter Kneffel/dpa)
Das aktuellste Youtube-Video des Bayernkuriers ist eine digitale Vorschau des neuesten Monats-Magazins. Aktuelle Klickzahl: zwölf. Nicht zwölf Millionen. Auch nicht 12.000 – sondern zwölf. Wenn die CSU sich an ein junges, digitales Publikum wenden will, dann nicht über das verstaubte Parteiorgan Bayernkurier. Sondern über den Parteichef persönlich – per iPhone. Mit kurzen, wackeligen Markus-Söder-Alltags-Stories.
Söders Facebook-Filmchen zeigen Menschen, Tiere, aber selten Sensationen. Sie haben gewöhnlich zwischen 5000 und 15000 Abrufe. Soviel erreichen die Online-Artikel des Bayernkurier so gut wie nie. Die werden auf Facebook meist nur ein- oder zweimal geteilt. Deshalb wundert es Peter Hausmann nicht, dass die CSU-Landesleitung nun die Reißleine zieht. Hausmann, 68, leitete das traditionsreiche Blatt nebst Online-Auftritt von 2008 bis 2014.
"Das Thema ‚Einstellung des Bayernkurier‘ war virulent auch schon zu meiner Zeit als Chefredakteur. Denn es ist natürlich eine Kostenfrage, ob sich eine Partei so ein Blatt leistet. Die Partei hat immer zugeschossen, etwa eine knappe Million im Jahr."
Rote Zahlen beim Bayernkurier
Der Bayernkurier war immer defizitär. Schon bei seiner Gründung 1950. Aber für Franz-Josef Strauß, den Erfinder und ersten Chefredakteur, war das Parteiblatt sein Baby.
In den 80er Jahren versorgte FJS seinen Vertrauten und Chefredakteurs-Nachfolger Wilfried Scharnagl mit Exklusiv-Geschichten aus dem CSU-Kosmos. Und der kürzlich verstorbene Scharnagl hielt Strauß in Parteikrisen den Rücken frei. "Das war mein schwierigster Leitartikel im Jahr 1983. Der Milliardenkredit-Parteitag. Das war die Zeit vor Handy, vor all diesen Dingen. Ich habe dann eine gute ciceronische Überschrift gewählt: ‚Vom Preis der Verantwortung‘."
Sinkende Auflage
Die CSU verschickte den Bayernkurier jahrzehntelang wöchentlich an alle Parteimitglieder. Kostenlos. Auflage rund 100.000. Später mussten die Leser bezahlen – unter CSU-Chef Horst Seehofer und Chefredakteur Hausmann hatte der Bayernkurier offiziell noch 60.000 Abonnenten. Tendenz fallend.
"Ich war immer der Meinung, dass wir mit einem sehr rigorosen Sparkurs und einer sehr kleinen Redaktion in der Lage sind, eine Zeitung zu machen, die mit wöchentlichem Erscheinen relativ nahe an der Aktualität ist. Und damit den Mitgliedern einen Mehrwert bietet", sagt Ex-Chefredakteur Hausmann.
Niedergang der Partei-Organe
Doch im Jahr 2015 stellte die CSU den Bayernkurier aus Kostengründen auf ein Monatsmagazin um. Zuletzt gab es noch fünf Redakteure, die auch die sozialen Medien bespielen sollten – mit Apps und Internet-Auftritt. Letzteres gelang nur unzureichend. Das hat der Bayernkurier mit anderen Partei-Organen wie etwa dem "Vorwärts" der SPD gemein.
Sie passen nicht ins digitale Zeitalter, und die alten Leser sterben weg, sagt der ehemalige Redaktionsleiter Hausmann. "Die Frage ist halt: Was macht man mit der Marke? Denn die Marke ‚Bayernkurier‘ ist natürlich gut eingeführt und bekannt. Insofern wäre die CSU schlecht beraten, ganz auf die Marke zu verzichten."
Die Entscheidung darüber sei noch nicht gefallen, heißt es im Hintergrund. Offiziell äußert sich die CSU nicht zum Bayernkurier. CSU-Chef Söder, selbst ein gelernter TV-Journalist des Bayerischen Rundfunks, will ein schlagkräftiges digitales Medienzentrum in der Münchner Parteizentrale errichten.
"Junge Union" soll Kontakt zu jungen Wählern herstellen
Das soll der CSU-Politik in den sozialen Netzwerken und auf allen Kanälen den richtigen Spin verleihen. Es soll vor allem schnell auf Entwicklungen wie den Youtuber Rezo reagieren, der mit seinem Video "Die Zerstörung der CDU" tatsächlich viele Erstwähler von den Unionsparteien abgeschreckt haben dürfte.
Doch Gegenmaßnahmen sind schwer, wie das Beispiel SPD beweist. Die Sozialdemokraten beispielsweise hatten sich im Europawahlkampf mit viel Geld externe Unterstützung für den "war room" ihrer Kampagne geholt. Unter anderem die Social-Media-Expertin Carline Mohr sollte SPD-Kandidatin Katharina Barley pushen - vor allem auf Twitter und Instagram. Das schlug fehl, registrierte man bei der CSU schadenfroh. Die will nun auf vor allem auf eigene Leute aus der "Jungen Union" setzen. Die kennen den Bayernkurier höchstens noch von ihren Großeltern.